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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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endlich in siegreicher Freude beseeligend herrscht,
ist eine nothwendige Idee dieser Lehre, so wie
die Idee von einem ursprünglich vollkommnen
Zustande, wo Meshia und Meshianes im Garten
der Unschuld wandelten; der Zustand, welchen die
Religion des Zerdusht nur wiederherstellen wollte.

Ein großer und zwar der schönste und lieb-
lichste Theil der indischen Mythologie gehört dieser
Denkart an. So ist der erhaltende, wohlthätige,
alles durchdringende Vishnu zu deuten, mit
seiner ganzen Umgebung. Sein weibliches Eben-
bild gleicht nicht mehr der wilden Gefährtin des
Sivo, der furchtbaren Kali; es ist die Lilie des
Himmels (Podma), die seelige und beseeligende
Göttinn Lokshmi oder Sri, die schöne Tochter
des milden Meergottes Voruno. Kamoh, der
Gott der Liebe, findet sich meist in seiner Nähe
und der Sonnengott Indroh, der Freund der
Menschen, sammt allen seeligen und wohlthä-
tigen Geistern, Feen und himmlischen Nymphen.
Als König und als Weiser, als wunderthätiger
Held erscheint Vishnu oftmals auf Erden, und
durchdringt alle Welten, immer aber nur in der
Absicht, das Laster zu bändigen, die Riesen und

endlich in ſiegreicher Freude beſeeligend herrſcht,
iſt eine nothwendige Idee dieſer Lehre, ſo wie
die Idee von einem urſpruͤnglich vollkommnen
Zuſtande, wo Meſhia und Meſhianes im Garten
der Unſchuld wandelten; der Zuſtand, welchen die
Religion des Zerduſht nur wiederherſtellen wollte.

Ein großer und zwar der ſchoͤnſte und lieb-
lichſte Theil der indiſchen Mythologie gehoͤrt dieſer
Denkart an. So iſt der erhaltende, wohlthaͤtige,
alles durchdringende Viſhnu zu deuten, mit
ſeiner ganzen Umgebung. Sein weibliches Eben-
bild gleicht nicht mehr der wilden Gefaͤhrtin des
Sivo, der furchtbaren Kali; es iſt die Lilie des
Himmels (Podma), die ſeelige und beſeeligende
Goͤttinn Lokſhmi oder Sri, die ſchoͤne Tochter
des milden Meergottes Voruno. Kamoh, der
Gott der Liebe, findet ſich meiſt in ſeiner Naͤhe
und der Sonnengott Indroh, der Freund der
Menſchen, ſammt allen ſeeligen und wohlthaͤ-
tigen Geiſtern, Feen und himmliſchen Nymphen.
Als Koͤnig und als Weiſer, als wunderthaͤtiger
Held erſcheint Viſhnu oftmals auf Erden, und
durchdringt alle Welten, immer aber nur in der
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[130/0149] endlich in ſiegreicher Freude beſeeligend herrſcht, iſt eine nothwendige Idee dieſer Lehre, ſo wie die Idee von einem urſpruͤnglich vollkommnen Zuſtande, wo Meſhia und Meſhianes im Garten der Unſchuld wandelten; der Zuſtand, welchen die Religion des Zerduſht nur wiederherſtellen wollte. Ein großer und zwar der ſchoͤnſte und lieb- lichſte Theil der indiſchen Mythologie gehoͤrt dieſer Denkart an. So iſt der erhaltende, wohlthaͤtige, alles durchdringende Viſhnu zu deuten, mit ſeiner ganzen Umgebung. Sein weibliches Eben- bild gleicht nicht mehr der wilden Gefaͤhrtin des Sivo, der furchtbaren Kali; es iſt die Lilie des Himmels (Podma), die ſeelige und beſeeligende Goͤttinn Lokſhmi oder Sri, die ſchoͤne Tochter des milden Meergottes Voruno. Kamoh, der Gott der Liebe, findet ſich meiſt in ſeiner Naͤhe und der Sonnengott Indroh, der Freund der Menſchen, ſammt allen ſeeligen und wohlthaͤ- tigen Geiſtern, Feen und himmliſchen Nymphen. Als Koͤnig und als Weiſer, als wunderthaͤtiger Held erſcheint Viſhnu oftmals auf Erden, und durchdringt alle Welten, immer aber nur in der Abſicht, das Laſter zu baͤndigen, die Rieſen und

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/149>, abgerufen am 23.11.2024.