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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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Naturdienst und Materialismus bei keinem Volke so
ausschliessend geherrscht haben mag, als bei den
Phöniciern. Dahin gehört auch jener Esus, dem
die Gallier solche Ströme von Blut vergossen ha-
ben, wie sonst in der alten Welt kein Beispiel
gefunden wird, und sich nur noch in dem Götzen-
dienst der Mexikaner wieder findet. Auch in dem
Gestirn und Thierdienst der alten Aegypter nahm
die Verehrung des Lingam und der alles erzeu-
genden Yoni wohl eine weit größere Stelle ein,
als man gewöhnlich voraussetzt. Den Gebrauch
des Phallus bei Festen und an Bildern in Grie-
chenland leitet Herodot aus Aegypten her. Die
Geschlechtszeichen, die der siegreiche Sesostris
überall aufstellte, würden sich, wenn die Thatsa-
che anders gegründet ist, viel natürlicher aus die-
sem Aberglauben als allgemeine Sinnbilder dessel-
ben erklären, als nach der moralischen Deutung
des Herodot auf die mannhafte Tapferkeit oder
weibische Feigheit der überwundenen Völker be-
ziehen lassen. Die phönicische Astarte, die phry-
gische Cybele, die ephesische Artemis, selbst die
germanische Hertha, sind vielleicht nur in unwe-
sentlichen Nebenbestimmungen von der indischen

Naturdienſt und Materialismus bei keinem Volke ſo
ausſchlieſſend geherrſcht haben mag, als bei den
Phoͤniciern. Dahin gehoͤrt auch jener Eſus, dem
die Gallier ſolche Stroͤme von Blut vergoſſen ha-
ben, wie ſonſt in der alten Welt kein Beiſpiel
gefunden wird, und ſich nur noch in dem Goͤtzen-
dienſt der Mexikaner wieder findet. Auch in dem
Geſtirn und Thierdienſt der alten Aegypter nahm
die Verehrung des Lingam und der alles erzeu-
genden Yōni wohl eine weit groͤßere Stelle ein,
als man gewoͤhnlich vorausſetzt. Den Gebrauch
des Phallus bei Feſten und an Bildern in Grie-
chenland leitet Herodot aus Aegypten her. Die
Geſchlechtszeichen, die der ſiegreiche Seſoſtris
uͤberall aufſtellte, wuͤrden ſich, wenn die Thatſa-
che anders gegruͤndet iſt, viel natuͤrlicher aus die-
ſem Aberglauben als allgemeine Sinnbilder deſſel-
ben erklaͤren, als nach der moraliſchen Deutung
des Herodot auf die mannhafte Tapferkeit oder
weibiſche Feigheit der uͤberwundenen Voͤlker be-
ziehen laſſen. Die phoͤniciſche Aſtarte, die phry-
giſche Cybele, die epheſiſche Artemis, ſelbſt die
germaniſche Hertha, ſind vielleicht nur in unwe-
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[120/0139] Naturdienſt und Materialismus bei keinem Volke ſo ausſchlieſſend geherrſcht haben mag, als bei den Phoͤniciern. Dahin gehoͤrt auch jener Eſus, dem die Gallier ſolche Stroͤme von Blut vergoſſen ha- ben, wie ſonſt in der alten Welt kein Beiſpiel gefunden wird, und ſich nur noch in dem Goͤtzen- dienſt der Mexikaner wieder findet. Auch in dem Geſtirn und Thierdienſt der alten Aegypter nahm die Verehrung des Lingam und der alles erzeu- genden Yōni wohl eine weit groͤßere Stelle ein, als man gewoͤhnlich vorausſetzt. Den Gebrauch des Phallus bei Feſten und an Bildern in Grie- chenland leitet Herodot aus Aegypten her. Die Geſchlechtszeichen, die der ſiegreiche Seſoſtris uͤberall aufſtellte, wuͤrden ſich, wenn die Thatſa- che anders gegruͤndet iſt, viel natuͤrlicher aus die- ſem Aberglauben als allgemeine Sinnbilder deſſel- ben erklaͤren, als nach der moraliſchen Deutung des Herodot auf die mannhafte Tapferkeit oder weibiſche Feigheit der uͤberwundenen Voͤlker be- ziehen laſſen. Die phoͤniciſche Aſtarte, die phry- giſche Cybele, die epheſiſche Artemis, ſelbſt die germaniſche Hertha, ſind vielleicht nur in unwe- ſentlichen Nebenbeſtimmungen von der indiſchen

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/139>, abgerufen am 22.11.2024.