Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746.ein Trauerspiel. Godewin. Verehr die Macht, zu der ihn Recht und GOtt er- heben. Der Himmel konnte sie nie einem Grössern geben. Zum Herrschen braucht man mehr, als Ruhmbegier und Muth. Die Wut entstellet dich, die Huld schmückt den Canut. Jn wem die Billigkeit bey edlem Ehrgeitz wohnet, Wer stets voll Mitleid straft, stets freudenvoll be- lohnet, Wer aus der Menschen Wohl sich selbst Gesetze nimmt, Den hat selbst die Natur zum Throne schon bestimmt. Wo hast du einen Feind von dem Canut gefunden? Dem, welchen alles liebt, gieb dich doch überwunden. Er sieht die Untreu selbst, und was du ihm gethan, Nicht als Beleidigter, nur als dein Richter, an, Als Richter, der nur wünscht, es möchte dich gereuen, Den du vergnügen wirst, läßt du dir nur verzeyhen. Freund, dessen Unglücksfall zuerst mich weinen lehrt, Sprich, daß es dich gereut, und leb und sey geehrt. Wenn dir es rühmlich scheint, nicht der Gewalt zu weichen: Durch Huld besiegt zu seyn ist ja der Großmuth Zeichen. Ulfo. Spar deine Thränen nur. Man führe mich zurück. Estrithe. Wohin? ach! Grausamer! du gönnst mir keinen Blick? Ulfo. E 2
ein Trauerſpiel. Godewin. Verehr die Macht, zu der ihn Recht und GOtt er- heben. Der Himmel konnte ſie nie einem Groͤſſern geben. Zum Herrſchen braucht man mehr, als Ruhmbegier und Muth. Die Wut entſtellet dich, die Huld ſchmuͤckt den Canut. Jn wem die Billigkeit bey edlem Ehrgeitz wohnet, Wer ſtets voll Mitleid ſtraft, ſtets freudenvoll be- lohnet, Wer aus der Menſchen Wohl ſich ſelbſt Geſetze nimmt, Den hat ſelbſt die Natur zum Throne ſchon beſtimmt. Wo haſt du einen Feind von dem Canut gefunden? Dem, welchen alles liebt, gieb dich doch uͤberwunden. Er ſieht die Untreu ſelbſt, und was du ihm gethan, Nicht als Beleidigter, nur als dein Richter, an, Als Richter, der nur wuͤnſcht, es moͤchte dich gereuen, Den du vergnuͤgen wirſt, laͤßt du dir nur verzeyhen. Freund, deſſen Ungluͤcksfall zuerſt mich weinen lehrt, Sprich, daß es dich gereut, und leb und ſey geehrt. Wenn dir es ruͤhmlich ſcheint, nicht der Gewalt zu weichen: Durch Huld beſiegt zu ſeyn iſt ja der Großmuth Zeichen. Ulfo. Spar deine Thraͤnen nur. Man fuͤhre mich zuruͤck. Eſtrithe. Wohin? ach! Grauſamer! du goͤnnſt mir keinen Blick? Ulfo. E 2
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ein Trauerſpiel.
Godewin.
Verehr die Macht, zu der ihn Recht und GOtt er-
heben.
Der Himmel konnte ſie nie einem Groͤſſern geben.
Zum Herrſchen braucht man mehr, als Ruhmbegier
und Muth.
Die Wut entſtellet dich, die Huld ſchmuͤckt den Canut.
Jn wem die Billigkeit bey edlem Ehrgeitz wohnet,
Wer ſtets voll Mitleid ſtraft, ſtets freudenvoll be-
lohnet,
Wer aus der Menſchen Wohl ſich ſelbſt Geſetze
nimmt,
Den hat ſelbſt die Natur zum Throne ſchon beſtimmt.
Wo haſt du einen Feind von dem Canut gefunden?
Dem, welchen alles liebt, gieb dich doch uͤberwunden.
Er ſieht die Untreu ſelbſt, und was du ihm gethan,
Nicht als Beleidigter, nur als dein Richter, an,
Als Richter, der nur wuͤnſcht, es moͤchte dich gereuen,
Den du vergnuͤgen wirſt, laͤßt du dir nur verzeyhen.
Freund, deſſen Ungluͤcksfall zuerſt mich weinen lehrt,
Sprich, daß es dich gereut, und leb und ſey geehrt.
Wenn dir es ruͤhmlich ſcheint, nicht der Gewalt zu
weichen:
Durch Huld beſiegt zu ſeyn iſt ja der Großmuth Zeichen.
Ulfo.
Spar deine Thraͤnen nur. Man fuͤhre mich zuruͤck.
Eſtrithe.
Wohin? ach! Grauſamer! du goͤnnſt mir keinen
Blick?
Ulfo.
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Zitationshilfe: | Schlegel, Johann Elias: Canut. Kopenhagen, 1746, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_canut_1746/81>, abgerufen am 19.07.2024. |