Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Dichters, der, als Urbild, der Dichter aller Dichter wäre, sich kraft ihrer Thätigkeit durch diese selbst nothwendig beschränken und theilen muß. Amalia. Wie kann aber dieses künstliche Wesen zur Poesie dienen? Lothario. Sie haben bis jetzt eigentlich wenig Ursache, Amalia, über dergleichen künstliches Wesen bey Jhren Freunden zu klagen. Es muß noch ganz anders kommen, wenn die Poesie wirklich ein künstliches Wesen werden soll. Marcus. Ohne Absonderung findet keine Bildung Statt, und Bildung ist das Wesen der Kunst. Also werden Sie jene Eintheilungen wenigstens als Mittel gelten lassen. Amalia. Diese Mittel werfen sich oft zum Zweck auf, und immer bleibt es ein gefährlicher Umweg, der gar zu oft den Sinn für das Höchste tödtet, ehe das Ziel erreicht ist. Ludoviko. Der rechte Sinn läßt sich nicht tödten. Amalia. Und welche Mittel zu welchem Zweck? Es ist ein Zweck, den man nur gleich oder nie erreichen kann. Jeder freye Geist sollte unmittelbar das Jdeal ergreifen und sich der Harmonie hingeben, die er in seinem Jnnern finden muß, sobald er sie da suchen will. Ludoviko. Die innere Vorstellung kann nur durch die Darstellung nach außen, sich selbst klarer und ganz lebendig werden. Dichters, der, als Urbild, der Dichter aller Dichter waͤre, sich kraft ihrer Thaͤtigkeit durch diese selbst nothwendig beschraͤnken und theilen muß. Amalia. Wie kann aber dieses kuͤnstliche Wesen zur Poesie dienen? Lothario. Sie haben bis jetzt eigentlich wenig Ursache, Amalia, uͤber dergleichen kuͤnstliches Wesen bey Jhren Freunden zu klagen. Es muß noch ganz anders kommen, wenn die Poesie wirklich ein kuͤnstliches Wesen werden soll. Marcus. Ohne Absonderung findet keine Bildung Statt, und Bildung ist das Wesen der Kunst. Also werden Sie jene Eintheilungen wenigstens als Mittel gelten lassen. Amalia. Diese Mittel werfen sich oft zum Zweck auf, und immer bleibt es ein gefaͤhrlicher Umweg, der gar zu oft den Sinn fuͤr das Hoͤchste toͤdtet, ehe das Ziel erreicht ist. Ludoviko. Der rechte Sinn laͤßt sich nicht toͤdten. Amalia. Und welche Mittel zu welchem Zweck? Es ist ein Zweck, den man nur gleich oder nie erreichen kann. Jeder freye Geist sollte unmittelbar das Jdeal ergreifen und sich der Harmonie hingeben, die er in seinem Jnnern finden muß, sobald er sie da suchen will. Ludoviko. Die innere Vorstellung kann nur durch die Darstellung nach außen, sich selbst klarer und ganz lebendig werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0097" n="89"/> Dichters, der, als Urbild, der Dichter aller Dichter waͤre, sich kraft ihrer Thaͤtigkeit durch diese selbst nothwendig beschraͤnken und theilen muß.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Amalia</hi>. Wie kann aber dieses kuͤnstliche Wesen zur Poesie dienen?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Lothario</hi>. Sie haben bis jetzt eigentlich wenig Ursache, Amalia, uͤber dergleichen kuͤnstliches Wesen bey Jhren Freunden zu klagen. Es muß noch ganz anders kommen, wenn die Poesie wirklich ein kuͤnstliches Wesen werden soll.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Marcus</hi>. Ohne Absonderung findet keine Bildung Statt, und Bildung ist das Wesen der Kunst. Also werden Sie jene Eintheilungen wenigstens als Mittel gelten lassen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Amalia</hi>. Diese Mittel werfen sich oft zum Zweck auf, und immer bleibt es ein gefaͤhrlicher Umweg, der gar zu oft den Sinn fuͤr das Hoͤchste toͤdtet, ehe das Ziel erreicht ist.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ludoviko</hi>. Der rechte Sinn laͤßt sich nicht toͤdten.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Amalia</hi>. Und welche Mittel zu welchem Zweck? Es ist ein Zweck, den man nur gleich oder nie erreichen kann. Jeder freye Geist sollte unmittelbar das Jdeal ergreifen und sich der Harmonie hingeben, die er in seinem Jnnern finden muß, sobald er sie da suchen will.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Ludoviko</hi>. Die innere Vorstellung kann nur durch die Darstellung nach außen, sich selbst klarer und ganz lebendig werden.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [89/0097]
Dichters, der, als Urbild, der Dichter aller Dichter waͤre, sich kraft ihrer Thaͤtigkeit durch diese selbst nothwendig beschraͤnken und theilen muß.
Amalia. Wie kann aber dieses kuͤnstliche Wesen zur Poesie dienen?
Lothario. Sie haben bis jetzt eigentlich wenig Ursache, Amalia, uͤber dergleichen kuͤnstliches Wesen bey Jhren Freunden zu klagen. Es muß noch ganz anders kommen, wenn die Poesie wirklich ein kuͤnstliches Wesen werden soll.
Marcus. Ohne Absonderung findet keine Bildung Statt, und Bildung ist das Wesen der Kunst. Also werden Sie jene Eintheilungen wenigstens als Mittel gelten lassen.
Amalia. Diese Mittel werfen sich oft zum Zweck auf, und immer bleibt es ein gefaͤhrlicher Umweg, der gar zu oft den Sinn fuͤr das Hoͤchste toͤdtet, ehe das Ziel erreicht ist.
Ludoviko. Der rechte Sinn laͤßt sich nicht toͤdten.
Amalia. Und welche Mittel zu welchem Zweck? Es ist ein Zweck, den man nur gleich oder nie erreichen kann. Jeder freye Geist sollte unmittelbar das Jdeal ergreifen und sich der Harmonie hingeben, die er in seinem Jnnern finden muß, sobald er sie da suchen will.
Ludoviko. Die innere Vorstellung kann nur durch die Darstellung nach außen, sich selbst klarer und ganz lebendig werden.
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