Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.lateinischen Legende auch die weltliche Romanze, von Liebe und von Waffen singend. Die katholische Hierarchie war unterdessen ausgewachsen; die Jurisprudenz und die Theologie zeigte manchen Rückweg zum Alterthum. Diesen betrat, Religion und Poesie verbindend, der große Dante, der heilige Stifter und Vater der modernen Poesie. Von den Altvordern der Nation lernte er das eigenste und sonderbarste, das heiligste und das süßeste der neuen gemeinen Mundart zu classischer Würde und Kraft zusammenzudrängen, und so die provenzalische Kunst der Reime zu veredeln; und da ihm nicht bis zur Quelle zu steigen vergönnt war, konnten ihm auch Römer den allgemeinen Gedanken eines großen Werkes von geordnetem Gliederbau mittelbar anregen. Mächtig faßte er ihn, in Einen Mittelpunkt drängte sich die Kraft seines erfindsamen Geistes zusammen, in Einem ungeheuren Gedicht umfaßte er mit starken Armen seine Nation und sein Zeitalter, die Kirche und das Kaiserthum, die Weisheit und die Offenbarung, die Natur und das Reich Gottes. Eine Auswahl des Edelsten und des Schändlichsten was er gesehn, des Größten und des Seltsamsten, was er ersinnen konnte; die offenherzigste Darstellung seiner selbst und seiner Freunde, die herrlichste Verherrlichung der Geliebten; alles treu und wahrhaftig im Sichtbaren und voll geheimer Bedeutung und Beziehung aufs Unsichtbare. Petrarca gab der Canzone und dem Sonett Vollendung und Schönheit. Seine Gesänge sind der Geist seines Lebens, und ein Hauch beseelt und bildet sie zu lateinischen Legende auch die weltliche Romanze, von Liebe und von Waffen singend. Die katholische Hierarchie war unterdessen ausgewachsen; die Jurisprudenz und die Theologie zeigte manchen Ruͤckweg zum Alterthum. Diesen betrat, Religion und Poesie verbindend, der große Dante, der heilige Stifter und Vater der modernen Poesie. Von den Altvordern der Nation lernte er das eigenste und sonderbarste, das heiligste und das suͤßeste der neuen gemeinen Mundart zu classischer Wuͤrde und Kraft zusammenzudraͤngen, und so die provenzalische Kunst der Reime zu veredeln; und da ihm nicht bis zur Quelle zu steigen vergoͤnnt war, konnten ihm auch Roͤmer den allgemeinen Gedanken eines großen Werkes von geordnetem Gliederbau mittelbar anregen. Maͤchtig faßte er ihn, in Einen Mittelpunkt draͤngte sich die Kraft seines erfindsamen Geistes zusammen, in Einem ungeheuren Gedicht umfaßte er mit starken Armen seine Nation und sein Zeitalter, die Kirche und das Kaiserthum, die Weisheit und die Offenbarung, die Natur und das Reich Gottes. Eine Auswahl des Edelsten und des Schaͤndlichsten was er gesehn, des Groͤßten und des Seltsamsten, was er ersinnen konnte; die offenherzigste Darstellung seiner selbst und seiner Freunde, die herrlichste Verherrlichung der Geliebten; alles treu und wahrhaftig im Sichtbaren und voll geheimer Bedeutung und Beziehung aufs Unsichtbare. Petrarca gab der Canzone und dem Sonett Vollendung und Schoͤnheit. Seine Gesaͤnge sind der Geist seines Lebens, und ein Hauch beseelt und bildet sie zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0085" n="77"/> lateinischen Legende auch die weltliche Romanze, von Liebe und von Waffen singend.</p><lb/> <p>Die katholische Hierarchie war unterdessen ausgewachsen; die Jurisprudenz und die Theologie zeigte manchen Ruͤckweg zum Alterthum. Diesen betrat, Religion und Poesie verbindend, der große Dante, der heilige Stifter und Vater der modernen Poesie. Von den Altvordern der Nation lernte er das eigenste und sonderbarste, das heiligste und das suͤßeste der neuen gemeinen Mundart zu classischer Wuͤrde und Kraft zusammenzudraͤngen, und so die provenzalische Kunst der Reime zu veredeln; und da ihm nicht bis zur Quelle zu steigen vergoͤnnt war, konnten ihm auch Roͤmer den allgemeinen Gedanken eines großen Werkes von geordnetem Gliederbau mittelbar anregen. Maͤchtig faßte er ihn, in Einen Mittelpunkt draͤngte sich die Kraft seines erfindsamen Geistes zusammen, in Einem ungeheuren Gedicht umfaßte er mit starken Armen seine Nation und sein Zeitalter, die Kirche und das Kaiserthum, die Weisheit und die Offenbarung, die Natur und das Reich Gottes. Eine Auswahl des Edelsten und des Schaͤndlichsten was er gesehn, des Groͤßten und des Seltsamsten, was er ersinnen konnte; die offenherzigste Darstellung seiner selbst und seiner Freunde, die herrlichste Verherrlichung der Geliebten; alles treu und wahrhaftig im Sichtbaren und voll geheimer Bedeutung und Beziehung aufs Unsichtbare.</p><lb/> <p>Petrarca gab der Canzone und dem Sonett Vollendung und Schoͤnheit. Seine Gesaͤnge sind der Geist seines Lebens, und ein Hauch beseelt und bildet sie zu </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0085]
lateinischen Legende auch die weltliche Romanze, von Liebe und von Waffen singend.
Die katholische Hierarchie war unterdessen ausgewachsen; die Jurisprudenz und die Theologie zeigte manchen Ruͤckweg zum Alterthum. Diesen betrat, Religion und Poesie verbindend, der große Dante, der heilige Stifter und Vater der modernen Poesie. Von den Altvordern der Nation lernte er das eigenste und sonderbarste, das heiligste und das suͤßeste der neuen gemeinen Mundart zu classischer Wuͤrde und Kraft zusammenzudraͤngen, und so die provenzalische Kunst der Reime zu veredeln; und da ihm nicht bis zur Quelle zu steigen vergoͤnnt war, konnten ihm auch Roͤmer den allgemeinen Gedanken eines großen Werkes von geordnetem Gliederbau mittelbar anregen. Maͤchtig faßte er ihn, in Einen Mittelpunkt draͤngte sich die Kraft seines erfindsamen Geistes zusammen, in Einem ungeheuren Gedicht umfaßte er mit starken Armen seine Nation und sein Zeitalter, die Kirche und das Kaiserthum, die Weisheit und die Offenbarung, die Natur und das Reich Gottes. Eine Auswahl des Edelsten und des Schaͤndlichsten was er gesehn, des Groͤßten und des Seltsamsten, was er ersinnen konnte; die offenherzigste Darstellung seiner selbst und seiner Freunde, die herrlichste Verherrlichung der Geliebten; alles treu und wahrhaftig im Sichtbaren und voll geheimer Bedeutung und Beziehung aufs Unsichtbare.
Petrarca gab der Canzone und dem Sonett Vollendung und Schoͤnheit. Seine Gesaͤnge sind der Geist seines Lebens, und ein Hauch beseelt und bildet sie zu
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/85>, abgerufen am 16.02.2025. |