Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.einmal für allemal, und ein gewisses Maaß von Begeisterung verstattet ihr sogar dem Dichter. Aber wißt ihr auch, was das heiße? Jhr habt, ohne es gewahr zu werden, heiligen Boden betreten; ihr seyd unser. Alle Menschen sind etwas lächerlich und grotesk, bloß weil sie Menschen sind; und die Künstler sind wohl auch in dieser Rücksicht doppelte Menschen. So ist es, so war es, und so wird es seyn. Selbst in den äußerlichen Gebräuchen sollte sich die Lebensart der Künstler von der Lebensart der übrigen Menschen durchaus unterscheiden. Sie sind Braminen, eine höhere Kaste, aber nicht durch Geburt sondern durch freye Selbsteinweihung geadelt. Was der freye Mensch schlechthin constituirt, worauf der nicht freye Mensch alles bezieht, das ist seine Religion. Es ist ein tiefer Sinn in dem Ausdruck, dies oder jenes ist sein Gott, oder Abgott und in andern ähnlichen. Wer entsiegelt das Zauberbuch der Kunst und befreyt den verschloßnen heiligen Geist? -- Nur der verwandte Geist. Ohne Poesie wird die Religion dunkel, falsch und bösartig; ohne Philosophie ausschweifend in aller Unzucht und wollüstig bis zur Selbstentmannung. einmal fuͤr allemal, und ein gewisses Maaß von Begeisterung verstattet ihr sogar dem Dichter. Aber wißt ihr auch, was das heiße? Jhr habt, ohne es gewahr zu werden, heiligen Boden betreten; ihr seyd unser. Alle Menschen sind etwas laͤcherlich und grotesk, bloß weil sie Menschen sind; und die Kuͤnstler sind wohl auch in dieser Ruͤcksicht doppelte Menschen. So ist es, so war es, und so wird es seyn. Selbst in den aͤußerlichen Gebraͤuchen sollte sich die Lebensart der Kuͤnstler von der Lebensart der uͤbrigen Menschen durchaus unterscheiden. Sie sind Braminen, eine hoͤhere Kaste, aber nicht durch Geburt sondern durch freye Selbsteinweihung geadelt. Was der freye Mensch schlechthin constituirt, worauf der nicht freye Mensch alles bezieht, das ist seine Religion. Es ist ein tiefer Sinn in dem Ausdruck, dies oder jenes ist sein Gott, oder Abgott und in andern aͤhnlichen. Wer entsiegelt das Zauberbuch der Kunst und befreyt den verschloßnen heiligen Geist? — Nur der verwandte Geist. Ohne Poesie wird die Religion dunkel, falsch und boͤsartig; ohne Philosophie ausschweifend in aller Unzucht und wolluͤstig bis zur Selbstentmannung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0039" n="31"/> einmal fuͤr allemal, und ein gewisses Maaß von Begeisterung verstattet ihr sogar dem Dichter. Aber wißt ihr auch, was das heiße? Jhr habt, ohne es gewahr zu werden, heiligen Boden betreten; ihr seyd unser.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Alle Menschen sind etwas laͤcherlich und grotesk, bloß weil sie Menschen sind; und die Kuͤnstler sind wohl auch in dieser Ruͤcksicht doppelte Menschen. So ist es, so war es, und so wird es seyn.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Selbst in den aͤußerlichen Gebraͤuchen sollte sich die Lebensart der Kuͤnstler von der Lebensart der uͤbrigen Menschen durchaus unterscheiden. Sie sind Braminen, eine hoͤhere Kaste, aber nicht durch Geburt sondern durch freye Selbsteinweihung geadelt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Was der freye Mensch schlechthin constituirt, worauf der nicht freye Mensch alles bezieht, das ist seine Religion. Es ist ein tiefer Sinn in dem Ausdruck, dies oder jenes ist sein Gott, oder Abgott und in andern aͤhnlichen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wer entsiegelt das Zauberbuch der Kunst und befreyt den verschloßnen heiligen Geist? — Nur der verwandte Geist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ohne Poesie wird die Religion dunkel, falsch und boͤsartig; ohne Philosophie ausschweifend in aller Unzucht und wolluͤstig bis zur Selbstentmannung.</p><lb/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0039]
einmal fuͤr allemal, und ein gewisses Maaß von Begeisterung verstattet ihr sogar dem Dichter. Aber wißt ihr auch, was das heiße? Jhr habt, ohne es gewahr zu werden, heiligen Boden betreten; ihr seyd unser.
Alle Menschen sind etwas laͤcherlich und grotesk, bloß weil sie Menschen sind; und die Kuͤnstler sind wohl auch in dieser Ruͤcksicht doppelte Menschen. So ist es, so war es, und so wird es seyn.
Selbst in den aͤußerlichen Gebraͤuchen sollte sich die Lebensart der Kuͤnstler von der Lebensart der uͤbrigen Menschen durchaus unterscheiden. Sie sind Braminen, eine hoͤhere Kaste, aber nicht durch Geburt sondern durch freye Selbsteinweihung geadelt.
Was der freye Mensch schlechthin constituirt, worauf der nicht freye Mensch alles bezieht, das ist seine Religion. Es ist ein tiefer Sinn in dem Ausdruck, dies oder jenes ist sein Gott, oder Abgott und in andern aͤhnlichen.
Wer entsiegelt das Zauberbuch der Kunst und befreyt den verschloßnen heiligen Geist? — Nur der verwandte Geist.
Ohne Poesie wird die Religion dunkel, falsch und boͤsartig; ohne Philosophie ausschweifend in aller Unzucht und wolluͤstig bis zur Selbstentmannung.
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