Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.hat, die innere Zufriedenheit selbst hängt, wie jeder leicht wissen kann, irgendwo zuletzt an einem solchen Punkte, der im Dunkeln gelassen werden muß, dafür aber auch das Ganze trägt und hält, und diese Kraft in demselben Augenblicke verlieren würde, wo man ihn in Verstand auflösen wollte. Wahrlich, es würde euch bange werden, wenn die ganze Welt, wie ihr es fodert, einmal im Ernst durchaus verständlich würde. Und ist sie selbst diese unendliche Welt nicht durch den Verstand aus der Unverständlichkeit oder dem Chaos gebildet? Ein andrer Trostgrund gegen die anerkannte Unverständlichkeit des Athenaeums liegt schon in der Anerkennung selbst, weil uns eben diese auch belehrte, das Uebel werde vorübergehend seyn. Die neue Zeit kündigt sich an als eine schnellfüßige, sohlenbeflügelte; die Morgenröthe hat Siebenmeilenstiefel angezogen. -- Lange hat es gewetterleuchtet am Horizont der Poesie; in eine mächtige Wolke war alle Gewitterkraft des Himmels zusammengedrängt; jetzt donnerte sie mächtig, jetzt schien sie sich zu verziehen und blitzte nur aus der Ferne, um bald desto schrecklicher wiederzukehren: bald aber wird nicht mehr von einem einzelnen Gewitter die Rede seyn, sondern es wird der ganze Himmel in einer Flamme brennen und dann werden euch alle eure kleinen Blitzableiter nichts mehr helfen. Dann nimmt das neunzehnte Jahrhundert in der That seinen Anfang, und dann wird auch jenes kleine Räthsel von der Unverständlichkeit des Athenaeums gelöst seyn. Welche Katastrophe! Dann wird es Leser geben die hat, die innere Zufriedenheit selbst haͤngt, wie jeder leicht wissen kann, irgendwo zuletzt an einem solchen Punkte, der im Dunkeln gelassen werden muß, dafuͤr aber auch das Ganze traͤgt und haͤlt, und diese Kraft in demselben Augenblicke verlieren wuͤrde, wo man ihn in Verstand aufloͤsen wollte. Wahrlich, es wuͤrde euch bange werden, wenn die ganze Welt, wie ihr es fodert, einmal im Ernst durchaus verstaͤndlich wuͤrde. Und ist sie selbst diese unendliche Welt nicht durch den Verstand aus der Unverstaͤndlichkeit oder dem Chaos gebildet? Ein andrer Trostgrund gegen die anerkannte Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums liegt schon in der Anerkennung selbst, weil uns eben diese auch belehrte, das Uebel werde voruͤbergehend seyn. Die neue Zeit kuͤndigt sich an als eine schnellfuͤßige, sohlenbefluͤgelte; die Morgenroͤthe hat Siebenmeilenstiefel angezogen. — Lange hat es gewetterleuchtet am Horizont der Poesie; in eine maͤchtige Wolke war alle Gewitterkraft des Himmels zusammengedraͤngt; jetzt donnerte sie maͤchtig, jetzt schien sie sich zu verziehen und blitzte nur aus der Ferne, um bald desto schrecklicher wiederzukehren: bald aber wird nicht mehr von einem einzelnen Gewitter die Rede seyn, sondern es wird der ganze Himmel in einer Flamme brennen und dann werden euch alle eure kleinen Blitzableiter nichts mehr helfen. Dann nimmt das neunzehnte Jahrhundert in der That seinen Anfang, und dann wird auch jenes kleine Raͤthsel von der Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums geloͤst seyn. Welche Katastrophe! Dann wird es Leser geben die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0363" n="351"/> hat, die innere Zufriedenheit selbst haͤngt, wie jeder leicht wissen kann, irgendwo zuletzt an einem solchen Punkte, der im Dunkeln gelassen werden muß, dafuͤr aber auch das Ganze traͤgt und haͤlt, und diese Kraft in demselben Augenblicke verlieren wuͤrde, wo man ihn in Verstand aufloͤsen wollte. Wahrlich, es wuͤrde euch bange werden, wenn die ganze Welt, wie ihr es fodert, einmal im Ernst durchaus verstaͤndlich wuͤrde. Und ist sie selbst diese unendliche Welt nicht durch den Verstand aus der Unverstaͤndlichkeit oder dem Chaos gebildet?</p><lb/> <p>Ein andrer Trostgrund gegen die anerkannte Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums liegt schon in der Anerkennung selbst, weil uns eben diese auch belehrte, das Uebel werde voruͤbergehend seyn. Die neue Zeit kuͤndigt sich an als eine schnellfuͤßige, sohlenbefluͤgelte; die Morgenroͤthe hat Siebenmeilenstiefel angezogen. — Lange hat es gewetterleuchtet am Horizont der Poesie; in eine maͤchtige Wolke war alle Gewitterkraft des Himmels zusammengedraͤngt; jetzt donnerte sie maͤchtig, jetzt schien sie sich zu verziehen und blitzte nur aus der Ferne, um bald desto schrecklicher wiederzukehren: bald aber wird nicht mehr von einem einzelnen Gewitter die Rede seyn, sondern es wird der ganze Himmel in einer Flamme brennen und dann werden euch alle eure kleinen Blitzableiter nichts mehr helfen. Dann nimmt das neunzehnte Jahrhundert in der That seinen Anfang, und dann wird auch jenes kleine Raͤthsel von der Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums geloͤst seyn. Welche Katastrophe! Dann wird es Leser geben die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [351/0363]
hat, die innere Zufriedenheit selbst haͤngt, wie jeder leicht wissen kann, irgendwo zuletzt an einem solchen Punkte, der im Dunkeln gelassen werden muß, dafuͤr aber auch das Ganze traͤgt und haͤlt, und diese Kraft in demselben Augenblicke verlieren wuͤrde, wo man ihn in Verstand aufloͤsen wollte. Wahrlich, es wuͤrde euch bange werden, wenn die ganze Welt, wie ihr es fodert, einmal im Ernst durchaus verstaͤndlich wuͤrde. Und ist sie selbst diese unendliche Welt nicht durch den Verstand aus der Unverstaͤndlichkeit oder dem Chaos gebildet?
Ein andrer Trostgrund gegen die anerkannte Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums liegt schon in der Anerkennung selbst, weil uns eben diese auch belehrte, das Uebel werde voruͤbergehend seyn. Die neue Zeit kuͤndigt sich an als eine schnellfuͤßige, sohlenbefluͤgelte; die Morgenroͤthe hat Siebenmeilenstiefel angezogen. — Lange hat es gewetterleuchtet am Horizont der Poesie; in eine maͤchtige Wolke war alle Gewitterkraft des Himmels zusammengedraͤngt; jetzt donnerte sie maͤchtig, jetzt schien sie sich zu verziehen und blitzte nur aus der Ferne, um bald desto schrecklicher wiederzukehren: bald aber wird nicht mehr von einem einzelnen Gewitter die Rede seyn, sondern es wird der ganze Himmel in einer Flamme brennen und dann werden euch alle eure kleinen Blitzableiter nichts mehr helfen. Dann nimmt das neunzehnte Jahrhundert in der That seinen Anfang, und dann wird auch jenes kleine Raͤthsel von der Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums geloͤst seyn. Welche Katastrophe! Dann wird es Leser geben die
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