Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Mit der Jronie ist durchaus nicht zu scherzen. Sie kann unglaublich lange nachwirken. Einige der absichtlichsten Künstler der vorigen Zeit habe ich in Verdacht, daß sie noch Jahrhunderte nach ihrem Tode mit ihren gläubigsten Verehrern und Anhängern Jronie treiben. Shakspeare hat so unendlich viele Tiefen, Tücken, und Absichten; sollte er nicht auch die Absicht gehabt haben, verfängliche Schlingen in seine Werke für die geistreichsten Künstler der Nachwelt zu verbergen, um sie zu täuschen, daß sie ehe sie sichs versehen, glauben müssen, sie seyen auch ungefähr so wie Shakspeare? Gewiß, er dürfte wohl auch in dieser Rücksicht weit absichtlicher seyn als man vermuthet. Jch habe es schon indirekt eingestehen müssen, daß das Athenaeum unverständlich sey, und weil es mitten im Feuer der Jronie geschehen ist, darf ich es schwerlich zurücknehmen, denn sonst müßte ich ja diese selbst verletzen. Aber ist denn die Unverständlichkeit etwas so durchaus Verwerfliches und Schlechtes? -- Mich dünkt das Heil der Familien und der Nationen beruhet auf ihr; wenn mich nicht alles trügt, Staaten und Systeme, die künstlichsten Werke der Menschen, oft so künstlich, daß man die Weisheit des Schöpfers nicht genug darin bewundern kann. Eine unglaublich kleine Portion ist zureichend, wenn sie nur unverbrüchlich treu und rein bewahrt wird, und kein frevelnder Verstand es wagen darf, sich der heiligen Gränze zu nähern. Ja das köstlichste was der Mensch Mit der Jronie ist durchaus nicht zu scherzen. Sie kann unglaublich lange nachwirken. Einige der absichtlichsten Kuͤnstler der vorigen Zeit habe ich in Verdacht, daß sie noch Jahrhunderte nach ihrem Tode mit ihren glaͤubigsten Verehrern und Anhaͤngern Jronie treiben. Shakspeare hat so unendlich viele Tiefen, Tuͤcken, und Absichten; sollte er nicht auch die Absicht gehabt haben, verfaͤngliche Schlingen in seine Werke fuͤr die geistreichsten Kuͤnstler der Nachwelt zu verbergen, um sie zu taͤuschen, daß sie ehe sie sichs versehen, glauben muͤssen, sie seyen auch ungefaͤhr so wie Shakspeare? Gewiß, er duͤrfte wohl auch in dieser Ruͤcksicht weit absichtlicher seyn als man vermuthet. Jch habe es schon indirekt eingestehen muͤssen, daß das Athenaeum unverstaͤndlich sey, und weil es mitten im Feuer der Jronie geschehen ist, darf ich es schwerlich zuruͤcknehmen, denn sonst muͤßte ich ja diese selbst verletzen. Aber ist denn die Unverstaͤndlichkeit etwas so durchaus Verwerfliches und Schlechtes? — Mich duͤnkt das Heil der Familien und der Nationen beruhet auf ihr; wenn mich nicht alles truͤgt, Staaten und Systeme, die kuͤnstlichsten Werke der Menschen, oft so kuͤnstlich, daß man die Weisheit des Schoͤpfers nicht genug darin bewundern kann. Eine unglaublich kleine Portion ist zureichend, wenn sie nur unverbruͤchlich treu und rein bewahrt wird, und kein frevelnder Verstand es wagen darf, sich der heiligen Graͤnze zu naͤhern. Ja das koͤstlichste was der Mensch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0362" n="350"/> Mit der Jronie ist durchaus nicht zu scherzen. Sie kann unglaublich lange nachwirken. Einige der absichtlichsten Kuͤnstler der vorigen Zeit habe ich in Verdacht, daß sie noch Jahrhunderte nach ihrem Tode mit ihren glaͤubigsten Verehrern und Anhaͤngern Jronie treiben. Shakspeare hat so unendlich viele Tiefen, Tuͤcken, und Absichten; sollte er nicht auch die Absicht gehabt haben, verfaͤngliche Schlingen in seine Werke fuͤr die geistreichsten Kuͤnstler der Nachwelt zu verbergen, um sie zu taͤuschen, daß sie ehe sie sichs versehen, glauben muͤssen, sie seyen auch ungefaͤhr so wie Shakspeare? Gewiß, er duͤrfte wohl auch in dieser Ruͤcksicht weit absichtlicher seyn als man vermuthet.</p><lb/> <p>Jch habe es schon indirekt eingestehen muͤssen, daß das Athenaeum unverstaͤndlich sey, und weil es mitten im Feuer der Jronie geschehen ist, darf ich es schwerlich zuruͤcknehmen, denn sonst muͤßte ich ja diese selbst verletzen.</p><lb/> <p>Aber ist denn die Unverstaͤndlichkeit etwas so durchaus Verwerfliches und Schlechtes? — Mich duͤnkt das Heil der Familien und der Nationen beruhet auf ihr; wenn mich nicht alles truͤgt, Staaten und Systeme, die kuͤnstlichsten Werke der Menschen, oft so kuͤnstlich, daß man die Weisheit des Schoͤpfers nicht genug darin bewundern kann. Eine unglaublich kleine Portion ist zureichend, wenn sie nur unverbruͤchlich treu und rein bewahrt wird, und kein frevelnder Verstand es wagen darf, sich der heiligen Graͤnze zu naͤhern. Ja das koͤstlichste was der Mensch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [350/0362]
Mit der Jronie ist durchaus nicht zu scherzen. Sie kann unglaublich lange nachwirken. Einige der absichtlichsten Kuͤnstler der vorigen Zeit habe ich in Verdacht, daß sie noch Jahrhunderte nach ihrem Tode mit ihren glaͤubigsten Verehrern und Anhaͤngern Jronie treiben. Shakspeare hat so unendlich viele Tiefen, Tuͤcken, und Absichten; sollte er nicht auch die Absicht gehabt haben, verfaͤngliche Schlingen in seine Werke fuͤr die geistreichsten Kuͤnstler der Nachwelt zu verbergen, um sie zu taͤuschen, daß sie ehe sie sichs versehen, glauben muͤssen, sie seyen auch ungefaͤhr so wie Shakspeare? Gewiß, er duͤrfte wohl auch in dieser Ruͤcksicht weit absichtlicher seyn als man vermuthet.
Jch habe es schon indirekt eingestehen muͤssen, daß das Athenaeum unverstaͤndlich sey, und weil es mitten im Feuer der Jronie geschehen ist, darf ich es schwerlich zuruͤcknehmen, denn sonst muͤßte ich ja diese selbst verletzen.
Aber ist denn die Unverstaͤndlichkeit etwas so durchaus Verwerfliches und Schlechtes? — Mich duͤnkt das Heil der Familien und der Nationen beruhet auf ihr; wenn mich nicht alles truͤgt, Staaten und Systeme, die kuͤnstlichsten Werke der Menschen, oft so kuͤnstlich, daß man die Weisheit des Schoͤpfers nicht genug darin bewundern kann. Eine unglaublich kleine Portion ist zureichend, wenn sie nur unverbruͤchlich treu und rein bewahrt wird, und kein frevelnder Verstand es wagen darf, sich der heiligen Graͤnze zu naͤhern. Ja das koͤstlichste was der Mensch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/362 |
Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/362>, abgerufen am 16.02.2025. |