Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie. Sie enthält und erregt ein Gefühl von dem unauf öslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmöglichkeit und Nothwendigkeit einer vollständigen Mittheilung. Sie ist die freyeste aller Licenzen, denn durch sie setzt man sich über sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt nothwendig. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die harmonisch Platten gar nicht wissen, wie sie diese stete Selbstparodie zu nehmen haben, den Scherz gerade für Ernst und den Ernst für Scherz halten" Ein andres von jenen Fragmenten empfiehlt sich noch mehr durch seine Kürze: "Jronie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles was zugleich gut und groß ist." Muß nicht jeder Leser, welcher an die Fragmente im Athenaeum gewöhnt ist, alles dieses äußerst leicht ja trivial finden? Und doch schien es damals manchem unverständlich, weil es noch eher neu war. Denn erst seitdem ist die Jronie an die Tagesordnung gekommen, nachdem in der Morgendämmerung des neuen Jahrhunderts diese Menge großer und kleiner Jronien jeder Art aufgeschossen ist, so daß ich bald werde sagen können, wie Boufflers von den verschiedenen Gattungen des menschlichen Herzens: J'ai vu des coeurs de toutes formes,
Grands, petits, minces, gros, mediocres, enormes. Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie. Sie enthaͤlt und erregt ein Gefuͤhl von dem unauf oͤslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmoͤglichkeit und Nothwendigkeit einer vollstaͤndigen Mittheilung. Sie ist die freyeste aller Licenzen, denn durch sie setzt man sich uͤber sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt nothwendig. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die harmonisch Platten gar nicht wissen, wie sie diese stete Selbstparodie zu nehmen haben, den Scherz gerade fuͤr Ernst und den Ernst fuͤr Scherz halten” Ein andres von jenen Fragmenten empfiehlt sich noch mehr durch seine Kuͤrze: “Jronie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles was zugleich gut und groß ist.” Muß nicht jeder Leser, welcher an die Fragmente im Athenaeum gewoͤhnt ist, alles dieses aͤußerst leicht ja trivial finden? Und doch schien es damals manchem unverstaͤndlich, weil es noch eher neu war. Denn erst seitdem ist die Jronie an die Tagesordnung gekommen, nachdem in der Morgendaͤmmerung des neuen Jahrhunderts diese Menge großer und kleiner Jronien jeder Art aufgeschossen ist, so daß ich bald werde sagen koͤnnen, wie Boufflers von den verschiedenen Gattungen des menschlichen Herzens: J'ai vu des coeurs de toutes formes,
Grands, petits, minces, gros, mediocres, énormes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0359" n="347"/> Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie. Sie enthaͤlt und erregt ein Gefuͤhl von dem unauf oͤslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmoͤglichkeit und Nothwendigkeit einer vollstaͤndigen Mittheilung. Sie ist die freyeste aller Licenzen, denn durch sie setzt man sich uͤber sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt nothwendig. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die harmonisch Platten gar nicht wissen, wie sie diese stete Selbstparodie zu nehmen haben, den Scherz gerade fuͤr Ernst und den Ernst fuͤr Scherz halten”</hi> </p><lb/> <p>Ein andres von jenen Fragmenten empfiehlt sich noch mehr durch seine Kuͤrze:</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">“Jronie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles was zugleich gut und groß ist.”</hi> </p><lb/> <p>Muß nicht jeder Leser, welcher an die Fragmente im Athenaeum gewoͤhnt ist, alles dieses aͤußerst leicht ja trivial finden? Und doch schien es damals manchem unverstaͤndlich, weil es noch eher neu war. Denn erst seitdem ist die Jronie an die Tagesordnung gekommen, nachdem in der Morgendaͤmmerung des neuen Jahrhunderts diese Menge großer und kleiner Jronien jeder Art aufgeschossen ist, so daß ich bald werde sagen koͤnnen, wie Boufflers von den verschiedenen Gattungen des menschlichen Herzens:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>J'ai vu des coeurs de toutes formes,</l><lb/> <l>Grands, petits, minces, gros, mediocres, énormes.</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [347/0359]
Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie. Sie enthaͤlt und erregt ein Gefuͤhl von dem unauf oͤslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmoͤglichkeit und Nothwendigkeit einer vollstaͤndigen Mittheilung. Sie ist die freyeste aller Licenzen, denn durch sie setzt man sich uͤber sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt nothwendig. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die harmonisch Platten gar nicht wissen, wie sie diese stete Selbstparodie zu nehmen haben, den Scherz gerade fuͤr Ernst und den Ernst fuͤr Scherz halten”
Ein andres von jenen Fragmenten empfiehlt sich noch mehr durch seine Kuͤrze:
“Jronie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles was zugleich gut und groß ist.”
Muß nicht jeder Leser, welcher an die Fragmente im Athenaeum gewoͤhnt ist, alles dieses aͤußerst leicht ja trivial finden? Und doch schien es damals manchem unverstaͤndlich, weil es noch eher neu war. Denn erst seitdem ist die Jronie an die Tagesordnung gekommen, nachdem in der Morgendaͤmmerung des neuen Jahrhunderts diese Menge großer und kleiner Jronien jeder Art aufgeschossen ist, so daß ich bald werde sagen koͤnnen, wie Boufflers von den verschiedenen Gattungen des menschlichen Herzens:
J'ai vu des coeurs de toutes formes,
Grands, petits, minces, gros, mediocres, énormes.
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