Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Der lockt kein frisches Grün aus dürren Klötzen, Man haut sie um, wo Feurung ist vonnöthen: Einst wird die Nachwelt all die Unpoeten Korrekt versteinert sehn zu gauzen Flötzen. Die Goethen nicht erkennen, sind nur Gothen, Die Blöden blendet jede neue Blüthe, Und, Todte selbst, begraben sie die Todten. Uns sandte, Goethe, dich der Götter Güte, Befreundet mit der Welt durch solchen Boten, Göttlich von Namen, Blick, Gestalt, Gemüthe. Ein großer Theil von der Unverständlichkeit des Athenaeums liegt unstreitig in der Jronie, die sich mehr oder minder überall darin äußert. Jch fange auch hier mit einem Texte an aus den Fragmenten im Lyceum: "Die sokratische Jronie ist die einzige durchaus unwillkührliche und durchaus besonnene Verstellung. Es ist gleich unmöglich sie zu erkünsteln und sie zu verrathen. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Geständniß ein Räthsel. Sie soll niemand täuschen, als die, welche sie für Täuschung halten, und entweder ihre Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum Besten zu haben, oder böse werden, wenn sie ahnden, sie wären auch wohl mit gemeynt. Jn ihr soll alles Scherz und alles Ernst seyn, alles treuherzig offen und alles tief versteckt. Sie entspringt aus der Vereinigung von Der lockt kein frisches Gruͤn aus duͤrren Kloͤtzen, Man haut sie um, wo Feurung ist vonnoͤthen: Einst wird die Nachwelt all die Unpoeten Korrekt versteinert sehn zu gauzen Floͤtzen. Die Goethen nicht erkennen, sind nur Gothen, Die Bloͤden blendet jede neue Bluͤthe, Und, Todte selbst, begraben sie die Todten. Uns sandte, Goethe, dich der Goͤtter Guͤte, Befreundet mit der Welt durch solchen Boten, Goͤttlich von Namen, Blick, Gestalt, Gemuͤthe. Ein großer Theil von der Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums liegt unstreitig in der Jronie, die sich mehr oder minder uͤberall darin aͤußert. Jch fange auch hier mit einem Texte an aus den Fragmenten im Lyceum: “Die sokratische Jronie ist die einzige durchaus unwillkuͤhrliche und durchaus besonnene Verstellung. Es ist gleich unmoͤglich sie zu erkuͤnsteln und sie zu verrathen. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Gestaͤndniß ein Raͤthsel. Sie soll niemand taͤuschen, als die, welche sie fuͤr Taͤuschung halten, und entweder ihre Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum Besten zu haben, oder boͤse werden, wenn sie ahnden, sie waͤren auch wohl mit gemeynt. Jn ihr soll alles Scherz und alles Ernst seyn, alles treuherzig offen und alles tief versteckt. Sie entspringt aus der Vereinigung von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0358" n="346"/> <lg n="2"> <l>Der lockt kein frisches Gruͤn aus duͤrren Kloͤtzen,</l><lb/> <l>Man haut sie um, wo Feurung ist vonnoͤthen:</l><lb/> <l>Einst wird die Nachwelt all die Unpoeten</l><lb/> <l>Korrekt versteinert sehn zu gauzen Floͤtzen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die Goethen nicht erkennen, sind nur Gothen,</l><lb/> <l>Die Bloͤden blendet jede neue Bluͤthe,</l><lb/> <l>Und, Todte selbst, begraben sie die Todten.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Uns sandte, Goethe, dich der Goͤtter Guͤte,</l><lb/> <l>Befreundet mit der Welt durch solchen Boten,</l><lb/> <l>Goͤttlich von Namen, Blick, Gestalt, Gemuͤthe.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ein großer Theil von der Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums liegt unstreitig in der <hi rendition="#g">Jronie</hi>, die sich mehr oder minder uͤberall darin aͤußert. Jch fange auch hier mit einem Texte an aus den Fragmenten im Lyceum:</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">“Die sokratische Jronie ist die einzige durchaus unwillkuͤhrliche und durchaus besonnene Verstellung. Es ist gleich unmoͤglich sie zu erkuͤnsteln und sie zu verrathen. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Gestaͤndniß ein Raͤthsel. Sie soll niemand taͤuschen, als die, welche sie fuͤr Taͤuschung halten, und entweder ihre Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum Besten zu haben, oder boͤse werden, wenn sie ahnden, sie waͤren auch wohl mit gemeynt. Jn ihr soll alles Scherz und alles Ernst seyn, alles treuherzig offen und alles tief versteckt. Sie entspringt aus der Vereinigung von </hi> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [346/0358]
Der lockt kein frisches Gruͤn aus duͤrren Kloͤtzen,
Man haut sie um, wo Feurung ist vonnoͤthen:
Einst wird die Nachwelt all die Unpoeten
Korrekt versteinert sehn zu gauzen Floͤtzen.
Die Goethen nicht erkennen, sind nur Gothen,
Die Bloͤden blendet jede neue Bluͤthe,
Und, Todte selbst, begraben sie die Todten.
Uns sandte, Goethe, dich der Goͤtter Guͤte,
Befreundet mit der Welt durch solchen Boten,
Goͤttlich von Namen, Blick, Gestalt, Gemuͤthe.
Ein großer Theil von der Unverstaͤndlichkeit des Athenaeums liegt unstreitig in der Jronie, die sich mehr oder minder uͤberall darin aͤußert. Jch fange auch hier mit einem Texte an aus den Fragmenten im Lyceum:
“Die sokratische Jronie ist die einzige durchaus unwillkuͤhrliche und durchaus besonnene Verstellung. Es ist gleich unmoͤglich sie zu erkuͤnsteln und sie zu verrathen. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Gestaͤndniß ein Raͤthsel. Sie soll niemand taͤuschen, als die, welche sie fuͤr Taͤuschung halten, und entweder ihre Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum Besten zu haben, oder boͤse werden, wenn sie ahnden, sie waͤren auch wohl mit gemeynt. Jn ihr soll alles Scherz und alles Ernst seyn, alles treuherzig offen und alles tief versteckt. Sie entspringt aus der Vereinigung von
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/358>, abgerufen am 28.07.2024. |