Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.wozu der classische Text verloren ging, gleichen, spielt manches kleine Buch, von dem die lärmende Menge zu seiner Zeit nicht viel Notiz nahm, eine größere Rolle als alles, was diese trieb." Dieses Fragment schrieb ich in der redlichsten Absicht und fast ohne alle Jronie. Die Art, wie es misverstanden worden, hat mich unaussprechlich überrascht, weil ich das Misverständniß von einer ganz andern Seite erwartet hatte. Daß ich die Kunst für den Kern der Menschheit, und die französische Revoluzion für eine vortreffliche Allegorie auf das System des transcendentalen Jdealismus halte, ist allerdings nur eine von meinen äußerst subjektiven Ansichten. Jch habe es ja aber schon so oft und in so verschiednen Manieren zu erkennen gegeben, daß ich wohl hätte hoffen dürfen, der Leser würde sich endlich daran gewöhnt haben. Alles übrige ist nur Chiffernsprache. Wer Goethe's ganzen Geist nicht auch im Meister finden kann, wird ihn wohl überall vergeblich suchen. Die Poesie und der Jdealismus sind die Centra der deutschen Kunst und Bildung; das weiß ja ein jeder. Aber wer es weiß, kann nicht oft genug daran erinnert werden, daß er es weiß. Alle höchsten Wahrheiten jeder Art sind durchaus trivial und eben darum ist nichts nothwendiger als sie immer neu, und wo möglich immer paradoxer auszudrücken, damit es nicht vergessen wird, daß sie noch da sind, und daß sie nie eigentlich ganz ausgesprochen werden können. Bis hieher ist nun alles ohne alle Jronie, und wozu der classische Text verloren ging, gleichen, spielt manches kleine Buch, von dem die laͤrmende Menge zu seiner Zeit nicht viel Notiz nahm, eine groͤßere Rolle als alles, was diese trieb.” Dieses Fragment schrieb ich in der redlichsten Absicht und fast ohne alle Jronie. Die Art, wie es misverstanden worden, hat mich unaussprechlich uͤberrascht, weil ich das Misverstaͤndniß von einer ganz andern Seite erwartet hatte. Daß ich die Kunst fuͤr den Kern der Menschheit, und die franzoͤsische Revoluzion fuͤr eine vortreffliche Allegorie auf das System des transcendentalen Jdealismus halte, ist allerdings nur eine von meinen aͤußerst subjektiven Ansichten. Jch habe es ja aber schon so oft und in so verschiednen Manieren zu erkennen gegeben, daß ich wohl haͤtte hoffen duͤrfen, der Leser wuͤrde sich endlich daran gewoͤhnt haben. Alles uͤbrige ist nur Chiffernsprache. Wer Goethe's ganzen Geist nicht auch im Meister finden kann, wird ihn wohl uͤberall vergeblich suchen. Die Poesie und der Jdealismus sind die Centra der deutschen Kunst und Bildung; das weiß ja ein jeder. Aber wer es weiß, kann nicht oft genug daran erinnert werden, daß er es weiß. Alle hoͤchsten Wahrheiten jeder Art sind durchaus trivial und eben darum ist nichts nothwendiger als sie immer neu, und wo moͤglich immer paradoxer auszudruͤcken, damit es nicht vergessen wird, daß sie noch da sind, und daß sie nie eigentlich ganz ausgesprochen werden koͤnnen. Bis hieher ist nun alles ohne alle Jronie, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0355" n="343"/> wozu der classische Text verloren ging, gleichen, spielt manches kleine Buch, von dem die laͤrmende Menge zu seiner Zeit nicht viel Notiz nahm, eine groͤßere Rolle als alles, was diese trieb.”</hi> </p><lb/> <p>Dieses Fragment schrieb ich in der redlichsten Absicht und fast ohne alle Jronie. Die Art, wie es misverstanden worden, hat mich unaussprechlich uͤberrascht, weil ich das Misverstaͤndniß von einer ganz andern Seite erwartet hatte. Daß ich die Kunst fuͤr den Kern der Menschheit, und die franzoͤsische Revoluzion fuͤr eine vortreffliche Allegorie auf das System des transcendentalen Jdealismus halte, ist allerdings nur eine von meinen aͤußerst subjektiven Ansichten. Jch habe es ja aber schon so oft und in so verschiednen Manieren zu erkennen gegeben, daß ich wohl haͤtte hoffen duͤrfen, der Leser wuͤrde sich endlich daran gewoͤhnt haben. Alles uͤbrige ist nur Chiffernsprache. Wer Goethe's ganzen Geist nicht auch im Meister finden kann, wird ihn wohl uͤberall vergeblich suchen. Die Poesie und der Jdealismus sind die Centra der deutschen Kunst und Bildung; das weiß ja ein jeder. Aber wer es weiß, kann nicht oft genug daran erinnert werden, daß er es weiß. Alle hoͤchsten Wahrheiten jeder Art sind durchaus trivial und eben darum ist nichts nothwendiger als sie immer neu, und wo moͤglich immer paradoxer auszudruͤcken, damit es nicht vergessen wird, daß sie noch da sind, und daß sie nie eigentlich ganz ausgesprochen werden koͤnnen.</p><lb/> <p>Bis hieher ist nun alles ohne alle Jronie, und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [343/0355]
wozu der classische Text verloren ging, gleichen, spielt manches kleine Buch, von dem die laͤrmende Menge zu seiner Zeit nicht viel Notiz nahm, eine groͤßere Rolle als alles, was diese trieb.”
Dieses Fragment schrieb ich in der redlichsten Absicht und fast ohne alle Jronie. Die Art, wie es misverstanden worden, hat mich unaussprechlich uͤberrascht, weil ich das Misverstaͤndniß von einer ganz andern Seite erwartet hatte. Daß ich die Kunst fuͤr den Kern der Menschheit, und die franzoͤsische Revoluzion fuͤr eine vortreffliche Allegorie auf das System des transcendentalen Jdealismus halte, ist allerdings nur eine von meinen aͤußerst subjektiven Ansichten. Jch habe es ja aber schon so oft und in so verschiednen Manieren zu erkennen gegeben, daß ich wohl haͤtte hoffen duͤrfen, der Leser wuͤrde sich endlich daran gewoͤhnt haben. Alles uͤbrige ist nur Chiffernsprache. Wer Goethe's ganzen Geist nicht auch im Meister finden kann, wird ihn wohl uͤberall vergeblich suchen. Die Poesie und der Jdealismus sind die Centra der deutschen Kunst und Bildung; das weiß ja ein jeder. Aber wer es weiß, kann nicht oft genug daran erinnert werden, daß er es weiß. Alle hoͤchsten Wahrheiten jeder Art sind durchaus trivial und eben darum ist nichts nothwendiger als sie immer neu, und wo moͤglich immer paradoxer auszudruͤcken, damit es nicht vergessen wird, daß sie noch da sind, und daß sie nie eigentlich ganz ausgesprochen werden koͤnnen.
Bis hieher ist nun alles ohne alle Jronie, und
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/355>, abgerufen am 28.07.2024. |