Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Soldaten aus einem Defilee einer nach dem "andern zum Vorschein kämen." Herrn S's. alberner Spott trifft hier gar nicht die Nachbildner, sondern die Erfinder, die Provenzalen und Jtaliäner, die großen metrischen Künstler unter den Neueren. Der rohe ungeübte Sinn wird den so schon starken Reiz des Reimes auf die stärkste Weise verlangen, und also ist unmittelbare Folge, und zwar mit kurzen Versen, die Naturform des Reimes. Je feiner hingegen das Gehör ausgebildet wird, desto weiter dürfen auch die Verschränkungen der Reime gehen; die Jtaliäner und Spanier trennen die Reime nicht selten durch fünf bis sechs Zeilen mit verschiednen Reimen. Wie muß Herrn S. dabey zu Muthe werden, da ihm schon bey dreyen das Hören vergeht! -- Die Franzosen mögen bey ihren schlechten und wenig sonoren Reimen allerdings Ursache haben, das Alterniren auf zwey, und zwar dabey den Wechsel der männlichen und weiblichen Reime festzusetzen, um sie durch den Gegensatz hörbarer zu machen. Unsrer Sprache sind diese Beschränkungen durch die Nachahmung der Franzosen erst aufgedrungen (die Minnesinger entfernen die Reime oft eben so weit wie die Provenzalen, und machen auch keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen) und hoffentlich wird von allen solchen metrischen Vorurtheilen in einigen Jahren nicht mehr die Rede seyn. Das unerhörte Wagestück mit drey verschiednen Reimen nach einander hat übrigens schon im vorigen Jahrhundert Harsdörfer in seiner Uebersetzung der Soldaten aus einem Defilee einer nach dem “andern zum Vorschein kaͤmen.” Herrn S's. alberner Spott trifft hier gar nicht die Nachbildner, sondern die Erfinder, die Provenzalen und Jtaliaͤner, die großen metrischen Kuͤnstler unter den Neueren. Der rohe ungeuͤbte Sinn wird den so schon starken Reiz des Reimes auf die staͤrkste Weise verlangen, und also ist unmittelbare Folge, und zwar mit kurzen Versen, die Naturform des Reimes. Je feiner hingegen das Gehoͤr ausgebildet wird, desto weiter duͤrfen auch die Verschraͤnkungen der Reime gehen; die Jtaliaͤner und Spanier trennen die Reime nicht selten durch fuͤnf bis sechs Zeilen mit verschiednen Reimen. Wie muß Herrn S. dabey zu Muthe werden, da ihm schon bey dreyen das Hoͤren vergeht! — Die Franzosen moͤgen bey ihren schlechten und wenig sonoren Reimen allerdings Ursache haben, das Alterniren auf zwey, und zwar dabey den Wechsel der maͤnnlichen und weiblichen Reime festzusetzen, um sie durch den Gegensatz hoͤrbarer zu machen. Unsrer Sprache sind diese Beschraͤnkungen durch die Nachahmung der Franzosen erst aufgedrungen (die Minnesinger entfernen die Reime oft eben so weit wie die Provenzalen, und machen auch keinen Unterschied zwischen maͤnnlichen und weiblichen) und hoffentlich wird von allen solchen metrischen Vorurtheilen in einigen Jahren nicht mehr die Rede seyn. Das unerhoͤrte Wagestuͤck mit drey verschiednen Reimen nach einander hat uͤbrigens schon im vorigen Jahrhundert Harsdoͤrfer in seiner Uebersetzung der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0340" n="328"/> Soldaten aus einem Defilee einer nach dem “andern zum Vorschein kaͤmen.” Herrn S's. alberner Spott trifft hier gar nicht die Nachbildner, sondern die Erfinder, die Provenzalen und Jtaliaͤner, die großen metrischen Kuͤnstler unter den Neueren. Der rohe ungeuͤbte Sinn wird den so schon starken Reiz des Reimes auf die staͤrkste Weise verlangen, und also ist unmittelbare Folge, und zwar mit kurzen Versen, die Naturform des Reimes. Je feiner hingegen das Gehoͤr ausgebildet wird, desto weiter duͤrfen auch die Verschraͤnkungen der Reime gehen; die Jtaliaͤner und Spanier trennen die Reime nicht selten durch fuͤnf bis sechs Zeilen mit verschiednen Reimen. Wie muß Herrn S. dabey zu Muthe werden, da ihm schon bey dreyen das Hoͤren vergeht! — Die Franzosen moͤgen bey ihren schlechten und wenig sonoren Reimen allerdings Ursache haben, das Alterniren auf zwey, und zwar dabey den Wechsel der maͤnnlichen und weiblichen Reime festzusetzen, um sie durch den Gegensatz hoͤrbarer zu machen. Unsrer Sprache sind diese Beschraͤnkungen durch die Nachahmung der Franzosen erst aufgedrungen (die Minnesinger entfernen die Reime oft eben so weit wie die Provenzalen, und machen auch keinen Unterschied zwischen maͤnnlichen und weiblichen) und hoffentlich wird von allen solchen metrischen Vorurtheilen in einigen Jahren nicht mehr die Rede seyn.</p><lb/> <p>Das unerhoͤrte Wagestuͤck mit drey verschiednen Reimen nach einander hat uͤbrigens schon im vorigen Jahrhundert Harsdoͤrfer in seiner Uebersetzung der </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [328/0340]
Soldaten aus einem Defilee einer nach dem “andern zum Vorschein kaͤmen.” Herrn S's. alberner Spott trifft hier gar nicht die Nachbildner, sondern die Erfinder, die Provenzalen und Jtaliaͤner, die großen metrischen Kuͤnstler unter den Neueren. Der rohe ungeuͤbte Sinn wird den so schon starken Reiz des Reimes auf die staͤrkste Weise verlangen, und also ist unmittelbare Folge, und zwar mit kurzen Versen, die Naturform des Reimes. Je feiner hingegen das Gehoͤr ausgebildet wird, desto weiter duͤrfen auch die Verschraͤnkungen der Reime gehen; die Jtaliaͤner und Spanier trennen die Reime nicht selten durch fuͤnf bis sechs Zeilen mit verschiednen Reimen. Wie muß Herrn S. dabey zu Muthe werden, da ihm schon bey dreyen das Hoͤren vergeht! — Die Franzosen moͤgen bey ihren schlechten und wenig sonoren Reimen allerdings Ursache haben, das Alterniren auf zwey, und zwar dabey den Wechsel der maͤnnlichen und weiblichen Reime festzusetzen, um sie durch den Gegensatz hoͤrbarer zu machen. Unsrer Sprache sind diese Beschraͤnkungen durch die Nachahmung der Franzosen erst aufgedrungen (die Minnesinger entfernen die Reime oft eben so weit wie die Provenzalen, und machen auch keinen Unterschied zwischen maͤnnlichen und weiblichen) und hoffentlich wird von allen solchen metrischen Vorurtheilen in einigen Jahren nicht mehr die Rede seyn.
Das unerhoͤrte Wagestuͤck mit drey verschiednen Reimen nach einander hat uͤbrigens schon im vorigen Jahrhundert Harsdoͤrfer in seiner Uebersetzung der
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/340>, abgerufen am 27.07.2024. |