Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Oder man vergleiche vielmehr das Original, da ich nicht behaupten mag, daß es in meiner Uebersetzung nicht an edler Zartheit eingebüßt habe. Den Gipfel von Hrn. S's Uebersetzerkünsten findet man aber nach allem bisherigen in der Cancion desesperada, dem erhabnen Sterbegesange des Chrysostomo, den er (horresco referens) in das lustige Romanzen-Sylbenmaß:
Wie selig wer sein Liebchen hat,
Wie selig lebt der Mann! übertragen hat. Die Drohung an die Geliebte wird hier gegen den Leser gewandt: Vom schrecklichen Gedicht Soll -- mir zur Lind'rung, dir zur Qual -- Bey dumpfer Leyer Ton Das Ohr dir gällen diesesmahl, Zu rächen deinen Hohn. Wenn der Dichter alle Naturlaute des Schmerzes zu einer Symphonie der tiefsten Seelenleiden zusammenruft, und die Schilderung eines jeden in dumpfen doch starken Tönen sich aus einem Verse in den andern hinüberschleift, so findet man hier lauter springende kurze Sätze, und den Ausdruck in einem kurzen Auszuge: Leiht eur Geheul, ihr Wölfe, mir;
Dein Brüllen, grosser Leu; Dein Stöhnen, du erschlagner Stier Jhr Raben eur Geschrey; u. s. w. Oder man vergleiche vielmehr das Original, da ich nicht behaupten mag, daß es in meiner Uebersetzung nicht an edler Zartheit eingebuͤßt habe. Den Gipfel von Hrn. S's Uebersetzerkuͤnsten findet man aber nach allem bisherigen in der Cancion desesperada, dem erhabnen Sterbegesange des Chrysostomo, den er (horresco referens) in das lustige Romanzen-Sylbenmaß:
Wie selig wer sein Liebchen hat,
Wie selig lebt der Mann! uͤbertragen hat. Die Drohung an die Geliebte wird hier gegen den Leser gewandt: Vom schrecklichen Gedicht Soll — mir zur Lind'rung, dir zur Qual — Bey dumpfer Leyer Ton Das Ohr dir gaͤllen diesesmahl, Zu raͤchen deinen Hohn. Wenn der Dichter alle Naturlaute des Schmerzes zu einer Symphonie der tiefsten Seelenleiden zusammenruft, und die Schilderung eines jeden in dumpfen doch starken Toͤnen sich aus einem Verse in den andern hinuͤberschleift, so findet man hier lauter springende kurze Saͤtze, und den Ausdruck in einem kurzen Auszuge: Leiht eur Geheul, ihr Woͤlfe, mir;
Dein Bruͤllen, grosser Leu; Dein Stoͤhnen, du erschlagner Stier Jhr Raben eur Geschrey; u. s. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0334" n="322"/> <p>Oder man vergleiche vielmehr das Original, da ich nicht behaupten mag, daß es in meiner Uebersetzung nicht an edler Zartheit eingebuͤßt habe.</p><lb/> <p>Den Gipfel von Hrn. S's Uebersetzerkuͤnsten findet man aber nach allem bisherigen in der Cancion desesperada, dem erhabnen Sterbegesange des Chrysostomo, den er (horresco referens) in das lustige Romanzen-Sylbenmaß:<lb/><lg type="poem"><l>Wie selig wer sein Liebchen hat,</l><lb/><l>Wie selig lebt der Mann!</l></lg><lb/> uͤbertragen hat. Die Drohung an die Geliebte wird hier gegen den Leser gewandt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Vom schrecklichen Gedicht</l><lb/> <l>Soll — mir zur Lind'rung, dir zur Qual —</l><lb/> <l>Bey dumpfer Leyer Ton</l><lb/> <l>Das Ohr dir <hi rendition="#g">gaͤllen</hi> diesesmahl,</l><lb/> <l>Zu raͤchen deinen Hohn.</l> </lg><lb/> <p>Wenn der Dichter alle Naturlaute des Schmerzes zu einer Symphonie der tiefsten Seelenleiden zusammenruft, und die Schilderung eines jeden in dumpfen doch starken Toͤnen sich aus einem Verse in den andern hinuͤberschleift, so findet man hier lauter springende kurze Saͤtze, und den Ausdruck in einem kurzen Auszuge:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Leiht eur Geheul, ihr Woͤlfe, mir;</l><lb/> <l>Dein Bruͤllen, grosser Leu;</l><lb/> <l>Dein Stoͤhnen, du erschlagner Stier</l><lb/> <l>Jhr Raben eur Geschrey; u. s. w.</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [322/0334]
Oder man vergleiche vielmehr das Original, da ich nicht behaupten mag, daß es in meiner Uebersetzung nicht an edler Zartheit eingebuͤßt habe.
Den Gipfel von Hrn. S's Uebersetzerkuͤnsten findet man aber nach allem bisherigen in der Cancion desesperada, dem erhabnen Sterbegesange des Chrysostomo, den er (horresco referens) in das lustige Romanzen-Sylbenmaß:
Wie selig wer sein Liebchen hat,
Wie selig lebt der Mann!
uͤbertragen hat. Die Drohung an die Geliebte wird hier gegen den Leser gewandt:
Vom schrecklichen Gedicht
Soll — mir zur Lind'rung, dir zur Qual —
Bey dumpfer Leyer Ton
Das Ohr dir gaͤllen diesesmahl,
Zu raͤchen deinen Hohn.
Wenn der Dichter alle Naturlaute des Schmerzes zu einer Symphonie der tiefsten Seelenleiden zusammenruft, und die Schilderung eines jeden in dumpfen doch starken Toͤnen sich aus einem Verse in den andern hinuͤberschleift, so findet man hier lauter springende kurze Saͤtze, und den Ausdruck in einem kurzen Auszuge:
Leiht eur Geheul, ihr Woͤlfe, mir;
Dein Bruͤllen, grosser Leu;
Dein Stoͤhnen, du erschlagner Stier
Jhr Raben eur Geschrey; u. s. w.
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