Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.so abgenutztes) an den Mann zu bringen, als daß er es mit beleidigender Deutlichkeit gerade heraussagt? Wie kann man nur bey so viel Zierlichkeit so ungeschickt seyn! Parny meynt es mit allen Religionen ziemlich übel, außer mit seiner eignen, und diese ist der moralisirende Naturalismus, Deismus, oder wie man es nennen mag; mit Einem Wort, er ist ein Theophilanthrop. Ueber diesen Punkt scheint er selbst gar keinen Spaß zu verstehen. Er spottet über das Christenthum, weil er es haßt und verachtet, und aller Andacht dafür unfähig ist. Das ist in der That weder etwas kühnes, noch etwas dichterisches. Nicht der schöne Muthwillen, der in göttlicher Freyheit schwärmend, aber eben darum unwillkührlich und absichtslos, auch sein heiligstes Preis giebt, und sich in demselben Gemüthe mit frommer Begeisterung verträgt, beseelt ihn, sondern der eitle, besonnene Kitzel der Freydenkerey. Dieß ist recht eine nationale Eigenheit: so macht es auch Voltaire, und zuweilen sogar Diderot; um einen Pfennig werth trivialer Wahrheiten, verscherzen sie den wahren Scherz. Eben das also, wodurch sich Parny an der Religion vergeht, verletzt die Reinheit des komischen Witzes: nicht die Frechheit, sondern der Mangel daran. Wenn der Witz einer im Werk offen daliegenden Absicht dient, so ist er nicht mehr Meister; er gehorcht, und es ist dann kein Grund mehr vorhanden, warum er sich nicht den Gesetzen der Schicklichkeit, den politischen und religiösen Verfassungen fügen sollte. Sein poetisches Vorrecht der universellen Tollheit so abgenutztes) an den Mann zu bringen, als daß er es mit beleidigender Deutlichkeit gerade heraussagt? Wie kann man nur bey so viel Zierlichkeit so ungeschickt seyn! Parny meynt es mit allen Religionen ziemlich uͤbel, außer mit seiner eignen, und diese ist der moralisirende Naturalismus, Deismus, oder wie man es nennen mag; mit Einem Wort, er ist ein Theophilanthrop. Ueber diesen Punkt scheint er selbst gar keinen Spaß zu verstehen. Er spottet uͤber das Christenthum, weil er es haßt und verachtet, und aller Andacht dafuͤr unfaͤhig ist. Das ist in der That weder etwas kuͤhnes, noch etwas dichterisches. Nicht der schoͤne Muthwillen, der in goͤttlicher Freyheit schwaͤrmend, aber eben darum unwillkuͤhrlich und absichtslos, auch sein heiligstes Preis giebt, und sich in demselben Gemuͤthe mit frommer Begeisterung vertraͤgt, beseelt ihn, sondern der eitle, besonnene Kitzel der Freydenkerey. Dieß ist recht eine nationale Eigenheit: so macht es auch Voltaire, und zuweilen sogar Diderot; um einen Pfennig werth trivialer Wahrheiten, verscherzen sie den wahren Scherz. Eben das also, wodurch sich Parny an der Religion vergeht, verletzt die Reinheit des komischen Witzes: nicht die Frechheit, sondern der Mangel daran. Wenn der Witz einer im Werk offen daliegenden Absicht dient, so ist er nicht mehr Meister; er gehorcht, und es ist dann kein Grund mehr vorhanden, warum er sich nicht den Gesetzen der Schicklichkeit, den politischen und religioͤsen Verfassungen fuͤgen sollte. Sein poetisches Vorrecht der universellen Tollheit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0274" n="262"/> so abgenutztes) an den Mann zu bringen, als daß er es mit beleidigender Deutlichkeit gerade heraussagt? Wie kann man nur bey so viel Zierlichkeit so ungeschickt seyn!</p><lb/> <p>Parny meynt es mit allen Religionen ziemlich uͤbel, außer mit seiner eignen, und diese ist der moralisirende Naturalismus, Deismus, oder wie man es nennen mag; mit Einem Wort, er ist ein Theophilanthrop. Ueber diesen Punkt scheint er selbst gar keinen Spaß zu verstehen. Er spottet uͤber das Christenthum, weil er es haßt und verachtet, und aller Andacht dafuͤr unfaͤhig ist. Das ist in der That weder etwas kuͤhnes, noch etwas dichterisches. Nicht der schoͤne Muthwillen, der in goͤttlicher Freyheit schwaͤrmend, aber eben darum unwillkuͤhrlich und absichtslos, auch sein heiligstes Preis giebt, und sich in demselben Gemuͤthe mit frommer Begeisterung vertraͤgt, beseelt ihn, sondern der eitle, besonnene Kitzel der Freydenkerey. Dieß ist recht eine nationale Eigenheit: so macht es auch Voltaire, und zuweilen sogar Diderot; um einen Pfennig werth trivialer Wahrheiten, verscherzen sie den wahren Scherz. Eben das also, wodurch sich Parny an der Religion vergeht, verletzt die Reinheit des komischen Witzes: nicht die Frechheit, sondern der Mangel daran. Wenn der Witz einer im Werk offen daliegenden Absicht dient, so ist er nicht mehr Meister; er gehorcht, und es ist dann kein Grund mehr vorhanden, warum er sich nicht den Gesetzen der Schicklichkeit, den politischen und religioͤsen Verfassungen fuͤgen sollte. Sein poetisches Vorrecht der universellen Tollheit </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [262/0274]
so abgenutztes) an den Mann zu bringen, als daß er es mit beleidigender Deutlichkeit gerade heraussagt? Wie kann man nur bey so viel Zierlichkeit so ungeschickt seyn!
Parny meynt es mit allen Religionen ziemlich uͤbel, außer mit seiner eignen, und diese ist der moralisirende Naturalismus, Deismus, oder wie man es nennen mag; mit Einem Wort, er ist ein Theophilanthrop. Ueber diesen Punkt scheint er selbst gar keinen Spaß zu verstehen. Er spottet uͤber das Christenthum, weil er es haßt und verachtet, und aller Andacht dafuͤr unfaͤhig ist. Das ist in der That weder etwas kuͤhnes, noch etwas dichterisches. Nicht der schoͤne Muthwillen, der in goͤttlicher Freyheit schwaͤrmend, aber eben darum unwillkuͤhrlich und absichtslos, auch sein heiligstes Preis giebt, und sich in demselben Gemuͤthe mit frommer Begeisterung vertraͤgt, beseelt ihn, sondern der eitle, besonnene Kitzel der Freydenkerey. Dieß ist recht eine nationale Eigenheit: so macht es auch Voltaire, und zuweilen sogar Diderot; um einen Pfennig werth trivialer Wahrheiten, verscherzen sie den wahren Scherz. Eben das also, wodurch sich Parny an der Religion vergeht, verletzt die Reinheit des komischen Witzes: nicht die Frechheit, sondern der Mangel daran. Wenn der Witz einer im Werk offen daliegenden Absicht dient, so ist er nicht mehr Meister; er gehorcht, und es ist dann kein Grund mehr vorhanden, warum er sich nicht den Gesetzen der Schicklichkeit, den politischen und religioͤsen Verfassungen fuͤgen sollte. Sein poetisches Vorrecht der universellen Tollheit
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/274>, abgerufen am 16.02.2025. |