Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Halbheit im Glauben und anmaßliche Aufklärung, desto mehr Strenge hierin. Man kann z. B. behaupten, daß die Adiabolisten eigentlich den gründlichsten Respekt vor dem Teufel bewiesen haben.

Die ernsthafte Lästerung wurde bei den Griechen eben so gut für ein Verbrechen gehalten wie bey uns, und dennoch durfte Aristophanes den Bacchus an einem ihm zu Ehren gegebenen Feste als Karikatur von einem niederträchtigen und feigen Weichling vorstellen. Wodurch ward er nun vor Misdeutung gesichert, und leistete auf der andern Seite Gewähr, daß er nichts Arges im Sinne habe? Dadurch daß er poetische Orgien feyerte, daß sein ganzes Werk ein Erguß spielender Lebensfreude war, daß er sich der Begeisterung des Scherzes hingab, der eben so wenig daurende Wirkungen bezweckte, als im Rausch geführte Reden zu gelten pflegen, wenn er vorüber ist. Bey Parny ist dieß nun gar nicht so, der bittre Ernst liegt im Hinterhalte, er verfolgt den Katholicismus und das Christenthum überhaupt mit wahrem Haß. Heißt es nicht sich auf die plumpste Art kund geben, wenn er den Engel Gabriel, der die künftigen Schicksale der neuen Religion in einer magischen Laterne vorstellt, über das Unglück und die Gräuel welche ihre Verbreitung verursacht haben soll, im Ton eines Encyklopädisten declamiren läßt? Und wo bleibt die magische Laterne, wofür die vom Gabriel geschilderten Motive und Gesinnungen doch gewiß keine Bilder abgeben? Wo bleibt vor allen Dingen der Spaß? Gab es denn gar kein Mittel, so etwas (noch dazu

Halbheit im Glauben und anmaßliche Aufklaͤrung, desto mehr Strenge hierin. Man kann z. B. behaupten, daß die Adiabolisten eigentlich den gruͤndlichsten Respekt vor dem Teufel bewiesen haben.

Die ernsthafte Laͤsterung wurde bei den Griechen eben so gut fuͤr ein Verbrechen gehalten wie bey uns, und dennoch durfte Aristophanes den Bacchus an einem ihm zu Ehren gegebenen Feste als Karikatur von einem niedertraͤchtigen und feigen Weichling vorstellen. Wodurch ward er nun vor Misdeutung gesichert, und leistete auf der andern Seite Gewaͤhr, daß er nichts Arges im Sinne habe? Dadurch daß er poetische Orgien feyerte, daß sein ganzes Werk ein Erguß spielender Lebensfreude war, daß er sich der Begeisterung des Scherzes hingab, der eben so wenig daurende Wirkungen bezweckte, als im Rausch gefuͤhrte Reden zu gelten pflegen, wenn er voruͤber ist. Bey Parny ist dieß nun gar nicht so, der bittre Ernst liegt im Hinterhalte, er verfolgt den Katholicismus und das Christenthum uͤberhaupt mit wahrem Haß. Heißt es nicht sich auf die plumpste Art kund geben, wenn er den Engel Gabriel, der die kuͤnftigen Schicksale der neuen Religion in einer magischen Laterne vorstellt, uͤber das Ungluͤck und die Graͤuel welche ihre Verbreitung verursacht haben soll, im Ton eines Encyklopaͤdisten declamiren laͤßt? Und wo bleibt die magische Laterne, wofuͤr die vom Gabriel geschilderten Motive und Gesinnungen doch gewiß keine Bilder abgeben? Wo bleibt vor allen Dingen der Spaß? Gab es denn gar kein Mittel, so etwas (noch dazu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0273" n="261"/>
Halbheit im Glauben und anmaßliche Aufkla&#x0364;rung, desto mehr Strenge hierin. Man kann z. B. behaupten, daß die Adiabolisten eigentlich den gru&#x0364;ndlichsten Respekt vor dem Teufel bewiesen haben.</p><lb/>
            <p>Die ernsthafte La&#x0364;sterung wurde bei den Griechen eben so gut fu&#x0364;r ein Verbrechen gehalten wie bey uns, und dennoch durfte Aristophanes den Bacchus an einem ihm zu Ehren gegebenen Feste als Karikatur von einem niedertra&#x0364;chtigen und feigen Weichling vorstellen. Wodurch ward er nun vor Misdeutung gesichert, und leistete auf der andern Seite Gewa&#x0364;hr, daß er nichts Arges im Sinne habe? Dadurch daß er poetische Orgien feyerte, daß sein ganzes Werk ein Erguß spielender Lebensfreude war, daß er sich der Begeisterung des Scherzes hingab, der eben so wenig daurende Wirkungen bezweckte, als im Rausch gefu&#x0364;hrte Reden zu gelten pflegen, wenn er voru&#x0364;ber ist. Bey Parny ist dieß nun gar nicht so, der bittre Ernst liegt im Hinterhalte, er verfolgt den Katholicismus und das Christenthum u&#x0364;berhaupt mit wahrem Haß. Heißt es nicht sich auf die plumpste Art kund geben, wenn er den Engel Gabriel, der die ku&#x0364;nftigen Schicksale der neuen Religion in einer magischen Laterne vorstellt, u&#x0364;ber das Unglu&#x0364;ck und die Gra&#x0364;uel welche ihre Verbreitung verursacht haben soll, im Ton eines Encyklopa&#x0364;disten declamiren la&#x0364;ßt? Und wo bleibt die magische Laterne, wofu&#x0364;r die vom Gabriel geschilderten Motive und Gesinnungen doch gewiß keine Bilder abgeben? Wo bleibt vor allen Dingen der Spaß? Gab es denn gar kein Mittel, so etwas (noch dazu
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0273] Halbheit im Glauben und anmaßliche Aufklaͤrung, desto mehr Strenge hierin. Man kann z. B. behaupten, daß die Adiabolisten eigentlich den gruͤndlichsten Respekt vor dem Teufel bewiesen haben. Die ernsthafte Laͤsterung wurde bei den Griechen eben so gut fuͤr ein Verbrechen gehalten wie bey uns, und dennoch durfte Aristophanes den Bacchus an einem ihm zu Ehren gegebenen Feste als Karikatur von einem niedertraͤchtigen und feigen Weichling vorstellen. Wodurch ward er nun vor Misdeutung gesichert, und leistete auf der andern Seite Gewaͤhr, daß er nichts Arges im Sinne habe? Dadurch daß er poetische Orgien feyerte, daß sein ganzes Werk ein Erguß spielender Lebensfreude war, daß er sich der Begeisterung des Scherzes hingab, der eben so wenig daurende Wirkungen bezweckte, als im Rausch gefuͤhrte Reden zu gelten pflegen, wenn er voruͤber ist. Bey Parny ist dieß nun gar nicht so, der bittre Ernst liegt im Hinterhalte, er verfolgt den Katholicismus und das Christenthum uͤberhaupt mit wahrem Haß. Heißt es nicht sich auf die plumpste Art kund geben, wenn er den Engel Gabriel, der die kuͤnftigen Schicksale der neuen Religion in einer magischen Laterne vorstellt, uͤber das Ungluͤck und die Graͤuel welche ihre Verbreitung verursacht haben soll, im Ton eines Encyklopaͤdisten declamiren laͤßt? Und wo bleibt die magische Laterne, wofuͤr die vom Gabriel geschilderten Motive und Gesinnungen doch gewiß keine Bilder abgeben? Wo bleibt vor allen Dingen der Spaß? Gab es denn gar kein Mittel, so etwas (noch dazu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/273
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/273>, abgerufen am 22.11.2024.