Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.im letzten Stück -- welches auf eine höchst komische Art das ganze Buch mit einer Hochzeit beschließt -- eine Erinnerung an die in solchen Fällen höchst tröstliche Lehre von der Nothwendigkeit alles Wirklichen? Nun sind wir freilich am Ende; aber ich kann Jhnen nicht helfen, Sie müssen noch einmal von vorne anfangen, und das zur gerechten Strafe. Haben Sie doch auch das Gerücht unterhalten, daß Engel ein Meister in der Composition kleiner Aufsätze wäre! Jch versichere, es soll Jhnen schwer werden, auch in dieser Rücksicht etwas schlechteres zu finden. Wenn Jemand Reisebeschreibungen oder philosophische Abhandlungen in Briefen schreibt, die nichts weiter von Briefen haben, als daß mein Herr, oder theuerster Freund darüber steht: so ist das unstreitig eine schlechte Manier; aber man weiß doch gleich, daß auf die Form weiter kein Werth gelegt werden soll, und läßt sichs zur Noth gefallen. Eben so fordere wenigstens ich von einem Dialog weniger, wenn die Personen A und B heißen, oder ohne weiteres nur mit einem Namen eingeführt werden. Sobald man aber diese Formen individualisirt, sobald offenbar Koketterie mit ihnen getrieben wird, und die Einbildung von ihrer Vortrefflichkeit so weit geht, daß der Verfasser glaubt, die Leser in besondern Anmerkungen benachrichtigen zu müssen, diese Formen seien nur fingirt: so müssen sie doch wenigstens mit einiger Consequenz ausgeführt werden, so muß doch Brief und Dialog so beschaffen sein, daß man die Möglichkeit sieht, solche Personen könnten in solchen Verhältnissen im letzten Stuͤck — welches auf eine hoͤchst komische Art das ganze Buch mit einer Hochzeit beschließt — eine Erinnerung an die in solchen Faͤllen hoͤchst troͤstliche Lehre von der Nothwendigkeit alles Wirklichen? Nun sind wir freilich am Ende; aber ich kann Jhnen nicht helfen, Sie muͤssen noch einmal von vorne anfangen, und das zur gerechten Strafe. Haben Sie doch auch das Geruͤcht unterhalten, daß Engel ein Meister in der Composition kleiner Aufsaͤtze waͤre! Jch versichere, es soll Jhnen schwer werden, auch in dieser Ruͤcksicht etwas schlechteres zu finden. Wenn Jemand Reisebeschreibungen oder philosophische Abhandlungen in Briefen schreibt, die nichts weiter von Briefen haben, als daß mein Herr, oder theuerster Freund daruͤber steht: so ist das unstreitig eine schlechte Manier; aber man weiß doch gleich, daß auf die Form weiter kein Werth gelegt werden soll, und laͤßt sichs zur Noth gefallen. Eben so fordere wenigstens ich von einem Dialog weniger, wenn die Personen A und B heißen, oder ohne weiteres nur mit einem Namen eingefuͤhrt werden. Sobald man aber diese Formen individualisirt, sobald offenbar Koketterie mit ihnen getrieben wird, und die Einbildung von ihrer Vortrefflichkeit so weit geht, daß der Verfasser glaubt, die Leser in besondern Anmerkungen benachrichtigen zu muͤssen, diese Formen seien nur fingirt: so muͤssen sie doch wenigstens mit einiger Consequenz ausgefuͤhrt werden, so muß doch Brief und Dialog so beschaffen sein, daß man die Moͤglichkeit sieht, solche Personen koͤnnten in solchen Verhaͤltnissen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0260" n="248"/> im letzten Stuͤck — welches auf eine hoͤchst komische Art das ganze Buch mit einer Hochzeit beschließt — eine Erinnerung an die in solchen Faͤllen hoͤchst troͤstliche Lehre von der Nothwendigkeit alles Wirklichen?</p><lb/> <p>Nun sind wir freilich am Ende; aber ich kann Jhnen nicht helfen, Sie muͤssen noch einmal von vorne anfangen, und das zur gerechten Strafe. Haben Sie doch auch das Geruͤcht unterhalten, daß Engel ein Meister in der Composition kleiner Aufsaͤtze waͤre! Jch versichere, es soll Jhnen schwer werden, auch in dieser Ruͤcksicht etwas schlechteres zu finden. Wenn Jemand Reisebeschreibungen oder philosophische Abhandlungen in Briefen schreibt, die nichts weiter von Briefen haben, als daß mein Herr, oder theuerster Freund daruͤber steht: so ist das unstreitig eine schlechte Manier; aber man weiß doch gleich, daß auf die Form weiter kein Werth gelegt werden soll, und laͤßt sichs zur Noth gefallen. Eben so fordere wenigstens ich von einem Dialog weniger, wenn die Personen A und B heißen, oder ohne weiteres nur mit einem Namen eingefuͤhrt werden. Sobald man aber diese Formen individualisirt, sobald offenbar Koketterie mit ihnen getrieben wird, und die Einbildung von ihrer Vortrefflichkeit so weit geht, daß der Verfasser glaubt, die Leser in besondern Anmerkungen benachrichtigen zu muͤssen, diese Formen seien nur fingirt: so muͤssen sie doch wenigstens mit einiger Consequenz ausgefuͤhrt werden, so muß doch Brief und Dialog so beschaffen sein, daß man die Moͤglichkeit sieht, solche Personen koͤnnten in solchen Verhaͤltnissen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0260]
im letzten Stuͤck — welches auf eine hoͤchst komische Art das ganze Buch mit einer Hochzeit beschließt — eine Erinnerung an die in solchen Faͤllen hoͤchst troͤstliche Lehre von der Nothwendigkeit alles Wirklichen?
Nun sind wir freilich am Ende; aber ich kann Jhnen nicht helfen, Sie muͤssen noch einmal von vorne anfangen, und das zur gerechten Strafe. Haben Sie doch auch das Geruͤcht unterhalten, daß Engel ein Meister in der Composition kleiner Aufsaͤtze waͤre! Jch versichere, es soll Jhnen schwer werden, auch in dieser Ruͤcksicht etwas schlechteres zu finden. Wenn Jemand Reisebeschreibungen oder philosophische Abhandlungen in Briefen schreibt, die nichts weiter von Briefen haben, als daß mein Herr, oder theuerster Freund daruͤber steht: so ist das unstreitig eine schlechte Manier; aber man weiß doch gleich, daß auf die Form weiter kein Werth gelegt werden soll, und laͤßt sichs zur Noth gefallen. Eben so fordere wenigstens ich von einem Dialog weniger, wenn die Personen A und B heißen, oder ohne weiteres nur mit einem Namen eingefuͤhrt werden. Sobald man aber diese Formen individualisirt, sobald offenbar Koketterie mit ihnen getrieben wird, und die Einbildung von ihrer Vortrefflichkeit so weit geht, daß der Verfasser glaubt, die Leser in besondern Anmerkungen benachrichtigen zu muͤssen, diese Formen seien nur fingirt: so muͤssen sie doch wenigstens mit einiger Consequenz ausgefuͤhrt werden, so muß doch Brief und Dialog so beschaffen sein, daß man die Moͤglichkeit sieht, solche Personen koͤnnten in solchen Verhaͤltnissen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/260 |
Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/260>, abgerufen am 27.07.2024. |