Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

trotz ihr gehören diese vier Erzählungen zu den besten in der ganzen Sammlung. Nur muß man zu vergessen suchen, daß sie mehr als artige Erzählungen seyn, daß sie philosophische Gegensätze vorstellen sollen.

Als Anhang, und geflissentlich von den moralischen Erzählungen getrennt, erscheint: Odoardo und seine Tochter. Es wäre viel besser gewesen ihn nicht von jenen zu trennen; er ist ganz und gar nicht davon verschieden, und man hätte denn doch besser gewußt, was man von ihm denken soll. Den handelnden Personen hätten nur andere Nahmen sollen gegeben werden: denn daß sie die Nahmen des Lessingschen Trauerspiels tragen, erläutert weiter nichts, sondern es erinnert nur ohngefähr eben so daran, als ob man ganz wohlbekannte Marionetten in ein und demselben Kostüme und mit denselben Masken erst ein heroisches Stück aufführen und gleich darauf dasselbe Stück in einem pantomimischen Karikatur-Ballet vorstellen sähe. Appius und Virginia in ein bürgerliches Trauerspiel zu verwandeln, ist gewiß eine verfehlte Jdee, und schon oft mit Recht getadelt worden. Auch Herr von Ramdohr hat das Unschickliche darin gefühlt: aber wie vornehm erscheint doch Lessings Einkleidung der Virginia gegen diese Travestirung der Emilia Galotti! Emilia vermählt an den elenden verhaßten Marinelli; ihr Vater durch eine Verbannung von ihr getrennt; der Fürst ein wahres Ungeheuer an Bosheit und niedriger Verderbtheit; Orsina sehr interessirt, und eifrig bemüht Emilien verführt zu sehen, und einige hinzugedichtete verwirrte und verwirrende

trotz ihr gehoͤren diese vier Erzaͤhlungen zu den besten in der ganzen Sammlung. Nur muß man zu vergessen suchen, daß sie mehr als artige Erzaͤhlungen seyn, daß sie philosophische Gegensaͤtze vorstellen sollen.

Als Anhang, und geflissentlich von den moralischen Erzaͤhlungen getrennt, erscheint: Odoardo und seine Tochter. Es waͤre viel besser gewesen ihn nicht von jenen zu trennen; er ist ganz und gar nicht davon verschieden, und man haͤtte denn doch besser gewußt, was man von ihm denken soll. Den handelnden Personen haͤtten nur andere Nahmen sollen gegeben werden: denn daß sie die Nahmen des Lessingschen Trauerspiels tragen, erlaͤutert weiter nichts, sondern es erinnert nur ohngefaͤhr eben so daran, als ob man ganz wohlbekannte Marionetten in ein und demselben Kostuͤme und mit denselben Masken erst ein heroisches Stuͤck auffuͤhren und gleich darauf dasselbe Stuͤck in einem pantomimischen Karikatur-Ballet vorstellen saͤhe. Appius und Virginia in ein buͤrgerliches Trauerspiel zu verwandeln, ist gewiß eine verfehlte Jdee, und schon oft mit Recht getadelt worden. Auch Herr von Ramdohr hat das Unschickliche darin gefuͤhlt: aber wie vornehm erscheint doch Lessings Einkleidung der Virginia gegen diese Travestirung der Emilia Galotti! Emilia vermaͤhlt an den elenden verhaßten Marinelli; ihr Vater durch eine Verbannung von ihr getrennt; der Fuͤrst ein wahres Ungeheuer an Bosheit und niedriger Verderbtheit; Orsina sehr interessirt, und eifrig bemuͤht Emilien verfuͤhrt zu sehen, und einige hinzugedichtete verwirrte und verwirrende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0254" n="242"/>
trotz ihr geho&#x0364;ren diese vier Erza&#x0364;hlungen zu den besten in der ganzen Sammlung. Nur muß man zu vergessen suchen, daß sie mehr als artige Erza&#x0364;hlungen seyn, daß sie philosophische Gegensa&#x0364;tze vorstellen sollen.</p><lb/>
            <p>Als Anhang, und geflissentlich von den moralischen Erza&#x0364;hlungen getrennt, erscheint: Odoardo und seine Tochter. Es wa&#x0364;re viel besser gewesen ihn nicht von jenen zu trennen; er ist ganz und gar nicht davon verschieden, und man ha&#x0364;tte denn doch besser gewußt, was man von ihm denken soll. Den handelnden Personen ha&#x0364;tten nur andere Nahmen sollen gegeben werden: denn daß sie die Nahmen des Lessingschen Trauerspiels tragen, erla&#x0364;utert weiter nichts, sondern es erinnert nur ohngefa&#x0364;hr eben so daran, als ob man ganz wohlbekannte Marionetten in ein und demselben Kostu&#x0364;me und mit denselben Masken erst ein heroisches Stu&#x0364;ck auffu&#x0364;hren und gleich darauf dasselbe Stu&#x0364;ck in einem pantomimischen Karikatur-Ballet vorstellen sa&#x0364;he. Appius und Virginia in ein bu&#x0364;rgerliches Trauerspiel zu verwandeln, ist gewiß eine verfehlte Jdee, und schon oft mit Recht getadelt worden. Auch Herr von Ramdohr hat das Unschickliche darin gefu&#x0364;hlt: aber wie vornehm erscheint doch Lessings Einkleidung der Virginia gegen diese Travestirung der Emilia Galotti! Emilia verma&#x0364;hlt an den elenden verhaßten Marinelli; ihr Vater durch eine Verbannung von ihr getrennt; der Fu&#x0364;rst ein wahres Ungeheuer an Bosheit und niedriger Verderbtheit; Orsina sehr interessirt, und eifrig bemu&#x0364;ht Emilien verfu&#x0364;hrt zu sehen, und einige hinzugedichtete verwirrte und verwirrende
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0254] trotz ihr gehoͤren diese vier Erzaͤhlungen zu den besten in der ganzen Sammlung. Nur muß man zu vergessen suchen, daß sie mehr als artige Erzaͤhlungen seyn, daß sie philosophische Gegensaͤtze vorstellen sollen. Als Anhang, und geflissentlich von den moralischen Erzaͤhlungen getrennt, erscheint: Odoardo und seine Tochter. Es waͤre viel besser gewesen ihn nicht von jenen zu trennen; er ist ganz und gar nicht davon verschieden, und man haͤtte denn doch besser gewußt, was man von ihm denken soll. Den handelnden Personen haͤtten nur andere Nahmen sollen gegeben werden: denn daß sie die Nahmen des Lessingschen Trauerspiels tragen, erlaͤutert weiter nichts, sondern es erinnert nur ohngefaͤhr eben so daran, als ob man ganz wohlbekannte Marionetten in ein und demselben Kostuͤme und mit denselben Masken erst ein heroisches Stuͤck auffuͤhren und gleich darauf dasselbe Stuͤck in einem pantomimischen Karikatur-Ballet vorstellen saͤhe. Appius und Virginia in ein buͤrgerliches Trauerspiel zu verwandeln, ist gewiß eine verfehlte Jdee, und schon oft mit Recht getadelt worden. Auch Herr von Ramdohr hat das Unschickliche darin gefuͤhlt: aber wie vornehm erscheint doch Lessings Einkleidung der Virginia gegen diese Travestirung der Emilia Galotti! Emilia vermaͤhlt an den elenden verhaßten Marinelli; ihr Vater durch eine Verbannung von ihr getrennt; der Fuͤrst ein wahres Ungeheuer an Bosheit und niedriger Verderbtheit; Orsina sehr interessirt, und eifrig bemuͤht Emilien verfuͤhrt zu sehen, und einige hinzugedichtete verwirrte und verwirrende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/254
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/254>, abgerufen am 22.11.2024.