Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.gedacht werden. Jedes denkende Glied der Organisazion fühle seine Gränzen nicht ohne seine Einheit in der Beziehung aufs Ganze. Man soll der Philosophie zum Beispiel nicht bloß die Unphilosophie, sondern die Poesie entgegensetzen. Dem Bunde der Künstler einen bestimmten Zweck geben, das heißt ein dürftiges Jnstitut an die Stelle des ewigen Vereins setzen; das heißt die Gemeinde der Heiligen zum Staat erniedrigen. Jhr staunt über das Zeitalter, über die gährende Riesenkraft, über die Erschütterungen, und wißt nicht welche neue Geburten ihr erwarten sollt. Versteht euch doch und beantwortet euch die Frage, ob wohl etwas in der Menschheit geschehen könne, was nicht seinen Grund in ihr selbst habe. Muß nicht alle Bewegung aus der Mitte kommen, und wo liegt die Mitte? -- Die Antwort ist klar, und also deutet auch die Erscheinungen auf eine große Auferstehung der Religion, eine allgemeine Metamorphose. Die Religion an sich zwar ist ewig, sich selbst gleich und unveränderlich wie die Gottheit; aber eben darum erscheint sie immer neu gestaltet und verwandelt. Wir wissen nicht was ein Mensch sey, bis wir aus dem Wesen der Menschheit begreifen, warum es Menschen giebt, die Sinn und Geist haben, andre denen sie fehlen. gedacht werden. Jedes denkende Glied der Organisazion fuͤhle seine Graͤnzen nicht ohne seine Einheit in der Beziehung aufs Ganze. Man soll der Philosophie zum Beispiel nicht bloß die Unphilosophie, sondern die Poesie entgegensetzen. Dem Bunde der Kuͤnstler einen bestimmten Zweck geben, das heißt ein duͤrftiges Jnstitut an die Stelle des ewigen Vereins setzen; das heißt die Gemeinde der Heiligen zum Staat erniedrigen. Jhr staunt uͤber das Zeitalter, uͤber die gaͤhrende Riesenkraft, uͤber die Erschuͤtterungen, und wißt nicht welche neue Geburten ihr erwarten sollt. Versteht euch doch und beantwortet euch die Frage, ob wohl etwas in der Menschheit geschehen koͤnne, was nicht seinen Grund in ihr selbst habe. Muß nicht alle Bewegung aus der Mitte kommen, und wo liegt die Mitte? — Die Antwort ist klar, und also deutet auch die Erscheinungen auf eine große Auferstehung der Religion, eine allgemeine Metamorphose. Die Religion an sich zwar ist ewig, sich selbst gleich und unveraͤnderlich wie die Gottheit; aber eben darum erscheint sie immer neu gestaltet und verwandelt. Wir wissen nicht was ein Mensch sey, bis wir aus dem Wesen der Menschheit begreifen, warum es Menschen giebt, die Sinn und Geist haben, andre denen sie fehlen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0021" n="13"/> gedacht werden. Jedes denkende Glied der Organisazion fuͤhle seine Graͤnzen nicht ohne seine Einheit in der Beziehung aufs Ganze. Man soll der Philosophie zum Beispiel nicht bloß die Unphilosophie, sondern die Poesie entgegensetzen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Dem Bunde der Kuͤnstler einen bestimmten Zweck geben, das heißt ein duͤrftiges Jnstitut an die Stelle des ewigen Vereins setzen; das heißt die Gemeinde der Heiligen zum Staat erniedrigen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Jhr staunt uͤber das Zeitalter, uͤber die gaͤhrende Riesenkraft, uͤber die Erschuͤtterungen, und wißt nicht welche neue Geburten ihr erwarten sollt. Versteht euch doch und beantwortet euch die Frage, ob wohl etwas in der Menschheit geschehen koͤnne, was nicht seinen Grund in ihr selbst habe. Muß nicht alle Bewegung aus der Mitte kommen, und wo liegt die Mitte? — Die Antwort ist klar, und also deutet auch die Erscheinungen auf eine große Auferstehung der Religion, eine allgemeine Metamorphose. Die Religion an sich zwar ist ewig, sich selbst gleich und unveraͤnderlich wie die Gottheit; aber eben darum erscheint sie immer neu gestaltet und verwandelt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wir wissen nicht was ein Mensch sey, bis wir aus dem Wesen der Menschheit begreifen, warum es Menschen giebt, die Sinn und Geist haben, andre denen sie fehlen.</p><lb/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0021]
gedacht werden. Jedes denkende Glied der Organisazion fuͤhle seine Graͤnzen nicht ohne seine Einheit in der Beziehung aufs Ganze. Man soll der Philosophie zum Beispiel nicht bloß die Unphilosophie, sondern die Poesie entgegensetzen.
Dem Bunde der Kuͤnstler einen bestimmten Zweck geben, das heißt ein duͤrftiges Jnstitut an die Stelle des ewigen Vereins setzen; das heißt die Gemeinde der Heiligen zum Staat erniedrigen.
Jhr staunt uͤber das Zeitalter, uͤber die gaͤhrende Riesenkraft, uͤber die Erschuͤtterungen, und wißt nicht welche neue Geburten ihr erwarten sollt. Versteht euch doch und beantwortet euch die Frage, ob wohl etwas in der Menschheit geschehen koͤnne, was nicht seinen Grund in ihr selbst habe. Muß nicht alle Bewegung aus der Mitte kommen, und wo liegt die Mitte? — Die Antwort ist klar, und also deutet auch die Erscheinungen auf eine große Auferstehung der Religion, eine allgemeine Metamorphose. Die Religion an sich zwar ist ewig, sich selbst gleich und unveraͤnderlich wie die Gottheit; aber eben darum erscheint sie immer neu gestaltet und verwandelt.
Wir wissen nicht was ein Mensch sey, bis wir aus dem Wesen der Menschheit begreifen, warum es Menschen giebt, die Sinn und Geist haben, andre denen sie fehlen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/21 |
Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/21>, abgerufen am 16.02.2025. |