Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.Ludoviko. Und ich sehe nicht ein, warum wir uns nur an das Wort, nur an den Buchstaben des Buchstabens halten, und ihm zu gefallen nicht anerkennen sollten, daß die Sprache dem Geist der Poesie näher steht, als andre Mittel derselben. Die Sprache, die, ursprünglich gedacht, identisch mit der Allegorie ist, das erste unmittelbare Werkzeug der Magie. Lothario. Man wird beym Dante, bey Shakspeare und andern Großen Stellen, Ausdrücke finden, die an sich betrachtet schon das ganze Gepräge der höchsten Einzigkeit an sich tragen; sie sind dem Geist des Urhebers näher als andre Organe der Poesie es je seyn können. Antonio. Jch habe nur das an dem Versuch über Goethe auszusetzen, daß die Urtheile darin etwas zu imperatorisch ausgedrückt sind. Es könnte doch seyn, daß noch Leute hinter dem Berge wohnten, die von einem und dem andern eine durchaus andre Ansicht hätten. Marcus. Jch bekenne es gern, daß ich nur gesagt habe, wie es mir vorkommt. Nämlich wie es mir vorkommt, nachdem ich aufs redlichste geforscht habe, mit Hinsicht auf jene Maximen der Kunst und der Bildung, über die wir im Ganzen einig sind. Antonio. Diese Einigkeit mag wohl nur sehr relativ seyn. Marcus. Es sey damit wie es sey. Ein wahres Kunsturtheil, werden Sie mir eingestehen, eine Ludoviko. Und ich sehe nicht ein, warum wir uns nur an das Wort, nur an den Buchstaben des Buchstabens halten, und ihm zu gefallen nicht anerkennen sollten, daß die Sprache dem Geist der Poesie naͤher steht, als andre Mittel derselben. Die Sprache, die, urspruͤnglich gedacht, identisch mit der Allegorie ist, das erste unmittelbare Werkzeug der Magie. Lothario. Man wird beym Dante, bey Shakspeare und andern Großen Stellen, Ausdruͤcke finden, die an sich betrachtet schon das ganze Gepraͤge der hoͤchsten Einzigkeit an sich tragen; sie sind dem Geist des Urhebers naͤher als andre Organe der Poesie es je seyn koͤnnen. Antonio. Jch habe nur das an dem Versuch uͤber Goethe auszusetzen, daß die Urtheile darin etwas zu imperatorisch ausgedruͤckt sind. Es koͤnnte doch seyn, daß noch Leute hinter dem Berge wohnten, die von einem und dem andern eine durchaus andre Ansicht haͤtten. Marcus. Jch bekenne es gern, daß ich nur gesagt habe, wie es mir vorkommt. Naͤmlich wie es mir vorkommt, nachdem ich aufs redlichste geforscht habe, mit Hinsicht auf jene Maximen der Kunst und der Bildung, uͤber die wir im Ganzen einig sind. Antonio. Diese Einigkeit mag wohl nur sehr relativ seyn. Marcus. Es sey damit wie es sey. Ein wahres Kunsturtheil, werden Sie mir eingestehen, eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0195" n="183"/> <p><hi rendition="#g">Ludoviko</hi>. Und ich sehe nicht ein, warum wir uns nur an das Wort, nur an den Buchstaben des Buchstabens halten, und ihm zu gefallen nicht anerkennen sollten, daß die Sprache dem Geist der Poesie naͤher steht, als andre Mittel derselben. Die Sprache, die, urspruͤnglich gedacht, identisch mit der Allegorie ist, das erste unmittelbare Werkzeug der Magie.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Lothario</hi>. Man wird beym Dante, bey Shakspeare und andern Großen Stellen, Ausdruͤcke finden, die an sich betrachtet schon das ganze Gepraͤge der hoͤchsten Einzigkeit an sich tragen; sie sind dem Geist des Urhebers naͤher als andre Organe der Poesie es je seyn koͤnnen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Antonio</hi>. Jch habe nur das an dem Versuch uͤber Goethe auszusetzen, daß die Urtheile darin etwas zu imperatorisch ausgedruͤckt sind. Es koͤnnte doch seyn, daß noch Leute hinter dem Berge wohnten, die von einem und dem andern eine durchaus andre Ansicht haͤtten.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Marcus</hi>. Jch bekenne es gern, daß ich nur gesagt habe, wie es mir vorkommt. Naͤmlich wie es mir vorkommt, nachdem ich aufs redlichste geforscht habe, mit Hinsicht auf jene Maximen der Kunst und der Bildung, uͤber die wir im Ganzen einig sind.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Antonio</hi>. Diese Einigkeit mag wohl nur sehr relativ seyn.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Marcus</hi>. Es sey damit wie es sey. Ein wahres Kunsturtheil, werden Sie mir eingestehen, eine </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0195]
Ludoviko. Und ich sehe nicht ein, warum wir uns nur an das Wort, nur an den Buchstaben des Buchstabens halten, und ihm zu gefallen nicht anerkennen sollten, daß die Sprache dem Geist der Poesie naͤher steht, als andre Mittel derselben. Die Sprache, die, urspruͤnglich gedacht, identisch mit der Allegorie ist, das erste unmittelbare Werkzeug der Magie.
Lothario. Man wird beym Dante, bey Shakspeare und andern Großen Stellen, Ausdruͤcke finden, die an sich betrachtet schon das ganze Gepraͤge der hoͤchsten Einzigkeit an sich tragen; sie sind dem Geist des Urhebers naͤher als andre Organe der Poesie es je seyn koͤnnen.
Antonio. Jch habe nur das an dem Versuch uͤber Goethe auszusetzen, daß die Urtheile darin etwas zu imperatorisch ausgedruͤckt sind. Es koͤnnte doch seyn, daß noch Leute hinter dem Berge wohnten, die von einem und dem andern eine durchaus andre Ansicht haͤtten.
Marcus. Jch bekenne es gern, daß ich nur gesagt habe, wie es mir vorkommt. Naͤmlich wie es mir vorkommt, nachdem ich aufs redlichste geforscht habe, mit Hinsicht auf jene Maximen der Kunst und der Bildung, uͤber die wir im Ganzen einig sind.
Antonio. Diese Einigkeit mag wohl nur sehr relativ seyn.
Marcus. Es sey damit wie es sey. Ein wahres Kunsturtheil, werden Sie mir eingestehen, eine
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/195>, abgerufen am 16.02.2025. |