Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.wollen, der Geist der Poesie. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben können, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere, Handlung, und was dem anhängt, nur für den Buchstaben halte. Jm Geist mag Jhre unbedingte Verbindung des Antiken und Modernen Statt finden; und nur auf eine solche machte unser Freund uns aufmerksam. Nicht so im Buchstaben der Poesie. Der alte Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. Ein drittes Mittleres zwischen beyden giebts nicht. Andrea. So habe ich oft wahrgenommen, daß die Behandlung der Charaktere und Leidenschaften bey den Alten und den Modernen schlechthin verschieden ist. Bey jenen sind sie idealisch gedacht, und plastisch ausgeführt. Bey diesen ist der Charakter entweder wirklich historisch, oder doch so construirt als ob er es wäre; die Ausführung hingegen mehr pittoresk und nach Art des Porträts. Antonio. So müßt Jhr die Diction, die doch eigentlich wohl das Centrum alles Buchstabens seyn sollte, wunderlich genug zum Geist der Poesie rechnen. Denn obwohl auch hier in den Extremen jener allgemeine Dualismus sich offenbart, und im Ganzen der Charakter der alten sinnlichen Sprache und unsrer abstracten entschieden entgegengesetzt ist: so finden sich doch gar viele Uebergänge aus einem Gebiete in das andre; und ich sehe nicht ein, warum es deren nicht weit mehr geben könnte, wenn gleich keine völlige Vereinigung möglich wäre. wollen, der Geist der Poesie. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben koͤnnen, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere, Handlung, und was dem anhaͤngt, nur fuͤr den Buchstaben halte. Jm Geist mag Jhre unbedingte Verbindung des Antiken und Modernen Statt finden; und nur auf eine solche machte unser Freund uns aufmerksam. Nicht so im Buchstaben der Poesie. Der alte Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. Ein drittes Mittleres zwischen beyden giebts nicht. Andrea. So habe ich oft wahrgenommen, daß die Behandlung der Charaktere und Leidenschaften bey den Alten und den Modernen schlechthin verschieden ist. Bey jenen sind sie idealisch gedacht, und plastisch ausgefuͤhrt. Bey diesen ist der Charakter entweder wirklich historisch, oder doch so construirt als ob er es waͤre; die Ausfuͤhrung hingegen mehr pittoresk und nach Art des Portraͤts. Antonio. So muͤßt Jhr die Diction, die doch eigentlich wohl das Centrum alles Buchstabens seyn sollte, wunderlich genug zum Geist der Poesie rechnen. Denn obwohl auch hier in den Extremen jener allgemeine Dualismus sich offenbart, und im Ganzen der Charakter der alten sinnlichen Sprache und unsrer abstracten entschieden entgegengesetzt ist: so finden sich doch gar viele Uebergaͤnge aus einem Gebiete in das andre; und ich sehe nicht ein, warum es deren nicht weit mehr geben koͤnnte, wenn gleich keine voͤllige Vereinigung moͤglich waͤre. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0194" n="182"/> wollen, der Geist der Poesie. Und <hi rendition="#g">Sie</hi> werden gewiß nichts dagegen haben koͤnnen, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere, Handlung, und was dem anhaͤngt, nur fuͤr den Buchstaben halte. Jm Geist mag Jhre unbedingte Verbindung des Antiken und Modernen Statt finden; und nur auf eine solche machte unser Freund uns aufmerksam. Nicht so im Buchstaben der Poesie. Der alte Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. Ein drittes Mittleres zwischen beyden giebts nicht.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Andrea</hi>. So habe ich oft wahrgenommen, daß die Behandlung der Charaktere und Leidenschaften bey den Alten und den Modernen schlechthin verschieden ist. Bey jenen sind sie idealisch gedacht, und plastisch ausgefuͤhrt. Bey diesen ist der Charakter entweder wirklich historisch, oder doch so construirt als ob er es waͤre; die Ausfuͤhrung hingegen mehr pittoresk und nach Art des Portraͤts.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Antonio</hi>. So muͤßt Jhr die Diction, die doch eigentlich wohl das Centrum alles Buchstabens seyn sollte, wunderlich genug zum Geist der Poesie rechnen. Denn obwohl auch hier in den Extremen jener allgemeine Dualismus sich offenbart, und im Ganzen der Charakter der alten sinnlichen Sprache und unsrer abstracten entschieden entgegengesetzt ist: so finden sich doch gar viele Uebergaͤnge aus einem Gebiete in das andre; und ich sehe nicht ein, warum es deren nicht weit mehr geben koͤnnte, wenn gleich keine voͤllige Vereinigung moͤglich waͤre.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0194]
wollen, der Geist der Poesie. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben koͤnnen, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere, Handlung, und was dem anhaͤngt, nur fuͤr den Buchstaben halte. Jm Geist mag Jhre unbedingte Verbindung des Antiken und Modernen Statt finden; und nur auf eine solche machte unser Freund uns aufmerksam. Nicht so im Buchstaben der Poesie. Der alte Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. Ein drittes Mittleres zwischen beyden giebts nicht.
Andrea. So habe ich oft wahrgenommen, daß die Behandlung der Charaktere und Leidenschaften bey den Alten und den Modernen schlechthin verschieden ist. Bey jenen sind sie idealisch gedacht, und plastisch ausgefuͤhrt. Bey diesen ist der Charakter entweder wirklich historisch, oder doch so construirt als ob er es waͤre; die Ausfuͤhrung hingegen mehr pittoresk und nach Art des Portraͤts.
Antonio. So muͤßt Jhr die Diction, die doch eigentlich wohl das Centrum alles Buchstabens seyn sollte, wunderlich genug zum Geist der Poesie rechnen. Denn obwohl auch hier in den Extremen jener allgemeine Dualismus sich offenbart, und im Ganzen der Charakter der alten sinnlichen Sprache und unsrer abstracten entschieden entgegengesetzt ist: so finden sich doch gar viele Uebergaͤnge aus einem Gebiete in das andre; und ich sehe nicht ein, warum es deren nicht weit mehr geben koͤnnte, wenn gleich keine voͤllige Vereinigung moͤglich waͤre.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |