Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

verstandvollsten Kunstwerken im ganzen Gebiet der romantischen Kunst, im Hamlet und im Don Quixote. Aber Cervantes und Shakspeare hatten Jeder ihren Gipfel, von dem sie zuletzt in der That ein wenig sanken. Dadurch zwar, daß jedes ihrer Werke ein neues Jndividuum ist, eine Gattung für sich bildet, sind sie die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. Die Art, wie Shakspeare den Stoff umbildet, ist dem Verfahren nicht unähnlich, wie Goethe das Jdeal einer Form behandelt. Cervantes nahm auch individuelle Formen zum Vorbilde. Nur ist Goethe's Kunst durchaus progressiv, und wenn auch sonst ihr Zeitalter jenen günstiger, und es ihrer Größe nicht nachtheilig war, daß sie von niemanden erkannt, allein blieb: so ist doch das jetzige wenigstens in dieser Hinsicht nicht ohne Mittel und Grundlagen.

Goethe hat sich in seiner langen Laufbahn von solchen Ergießungen des ersten Feuers, wie sie in einer theils noch rohen theils schon verbildeten Zeit, überall von Prosa und von falschen Tendenzen umgeben, nur immer möglich waren, zu einer Höhe der Kunst heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie der Alten und der Modernen umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält.

Der Geist, der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, dürfen wir hoffen, nicht an Naturen fehlen, die fähig seyn werden zu dichten, nach Jdeen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermüdet

verstandvollsten Kunstwerken im ganzen Gebiet der romantischen Kunst, im Hamlet und im Don Quixote. Aber Cervantes und Shakspeare hatten Jeder ihren Gipfel, von dem sie zuletzt in der That ein wenig sanken. Dadurch zwar, daß jedes ihrer Werke ein neues Jndividuum ist, eine Gattung fuͤr sich bildet, sind sie die einzigen, mit denen Goethe's Universalitaͤt eine Vergleichung zulaͤßt. Die Art, wie Shakspeare den Stoff umbildet, ist dem Verfahren nicht unaͤhnlich, wie Goethe das Jdeal einer Form behandelt. Cervantes nahm auch individuelle Formen zum Vorbilde. Nur ist Goethe's Kunst durchaus progressiv, und wenn auch sonst ihr Zeitalter jenen guͤnstiger, und es ihrer Groͤße nicht nachtheilig war, daß sie von niemanden erkannt, allein blieb: so ist doch das jetzige wenigstens in dieser Hinsicht nicht ohne Mittel und Grundlagen.

Goethe hat sich in seiner langen Laufbahn von solchen Ergießungen des ersten Feuers, wie sie in einer theils noch rohen theils schon verbildeten Zeit, uͤberall von Prosa und von falschen Tendenzen umgeben, nur immer moͤglich waren, zu einer Hoͤhe der Kunst heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie der Alten und der Modernen umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthaͤlt.

Der Geist, der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, duͤrfen wir hoffen, nicht an Naturen fehlen, die faͤhig seyn werden zu dichten, nach Jdeen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermuͤdet

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0192" n="180"/>
verstandvollsten Kunstwerken im ganzen Gebiet der romantischen Kunst, im Hamlet und im Don Quixote. Aber Cervantes und Shakspeare hatten Jeder ihren Gipfel, von dem sie zuletzt in der That ein wenig sanken. Dadurch zwar, daß jedes ihrer Werke ein neues Jndividuum ist, eine Gattung fu&#x0364;r sich bildet, sind sie die einzigen, mit denen Goethe's Universalita&#x0364;t eine Vergleichung zula&#x0364;ßt. Die Art, wie Shakspeare den Stoff umbildet, ist dem Verfahren nicht una&#x0364;hnlich, wie Goethe das Jdeal einer Form behandelt. Cervantes nahm auch individuelle Formen zum Vorbilde. Nur ist Goethe's Kunst durchaus progressiv, und wenn auch sonst ihr Zeitalter jenen gu&#x0364;nstiger, und es ihrer Gro&#x0364;ße nicht nachtheilig war, daß sie von niemanden erkannt, allein blieb: so ist doch das jetzige wenigstens in dieser Hinsicht nicht ohne Mittel und Grundlagen.</p><lb/>
            <p>Goethe hat sich in seiner langen Laufbahn von solchen Ergießungen des ersten Feuers, wie sie in einer theils noch rohen theils schon verbildeten Zeit, u&#x0364;berall von Prosa und von falschen Tendenzen umgeben, nur immer mo&#x0364;glich waren, zu einer Ho&#x0364;he der Kunst heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie der Alten und der Modernen umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens entha&#x0364;lt.</p><lb/>
            <p>Der Geist, der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, du&#x0364;rfen wir hoffen, nicht an Naturen fehlen, die fa&#x0364;hig seyn werden zu dichten, nach Jdeen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermu&#x0364;det
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0192] verstandvollsten Kunstwerken im ganzen Gebiet der romantischen Kunst, im Hamlet und im Don Quixote. Aber Cervantes und Shakspeare hatten Jeder ihren Gipfel, von dem sie zuletzt in der That ein wenig sanken. Dadurch zwar, daß jedes ihrer Werke ein neues Jndividuum ist, eine Gattung fuͤr sich bildet, sind sie die einzigen, mit denen Goethe's Universalitaͤt eine Vergleichung zulaͤßt. Die Art, wie Shakspeare den Stoff umbildet, ist dem Verfahren nicht unaͤhnlich, wie Goethe das Jdeal einer Form behandelt. Cervantes nahm auch individuelle Formen zum Vorbilde. Nur ist Goethe's Kunst durchaus progressiv, und wenn auch sonst ihr Zeitalter jenen guͤnstiger, und es ihrer Groͤße nicht nachtheilig war, daß sie von niemanden erkannt, allein blieb: so ist doch das jetzige wenigstens in dieser Hinsicht nicht ohne Mittel und Grundlagen. Goethe hat sich in seiner langen Laufbahn von solchen Ergießungen des ersten Feuers, wie sie in einer theils noch rohen theils schon verbildeten Zeit, uͤberall von Prosa und von falschen Tendenzen umgeben, nur immer moͤglich waren, zu einer Hoͤhe der Kunst heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie der Alten und der Modernen umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthaͤlt. Der Geist, der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, duͤrfen wir hoffen, nicht an Naturen fehlen, die faͤhig seyn werden zu dichten, nach Jdeen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermuͤdet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/192
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/192>, abgerufen am 25.11.2024.