Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.die mir nach reiflichem Ueberlegen diejenigen zu seyn scheinen, deren jedes den Charakter seiner Periode am besten repräsentirt. Für die erste Periode nenne ich den Götz von Berlichingen; Tasso ist es für die zweyte und für die dritte Herrmann und Dorothea. Alles dreyes Werke im vollsten Sinne des Wortes, mehr und mit einem höhern Maaß von Objektivität, als viele andre aus derselben Epoche. Jch werde sie mit Rücksicht auf den verschiedenen Styl des Künstlers kurz durchgehn, und einige Erläuterungen aus den übrigen Werken für denselben Zweck hinzufügen. Jm Werther verkündigt die reine Absonderung von allem Zufälligen in der Darstellung, die gerade und sicher auf ihr Ziel und auf das Wesentliche geht, den künftigen Künstler. Er hat bewundernswürdige Details; aber das Ganze scheint mir tief unter der Kraft, mit der im Götz die wackern Ritter der altdeutschen Zeit uns vor Augen gerückt, und mit der auch die Formlosigkeit, die denn doch zum Theil eben dadurch wieder Form wird, bis zum Uebermuth durchgesetzt ist. Dadurch bekommt selbst das Manierirte in der Darstellung einen gewissen Reiz, und das Ganze ist ungleich weniger veraltet als der Werther. Doch eines ist ewig jung auch in diesem, und ragt einzeln aus seiner Umgebung hervor. Dieses ist die große Ansicht der Natur, nicht bloß in den ruhigen sondern in den leidenschaftlichen Stellen. Es sind Andeutungen auf den Faust, und es hätte möglich seyn müssen, die mir nach reiflichem Ueberlegen diejenigen zu seyn scheinen, deren jedes den Charakter seiner Periode am besten repraͤsentirt. Fuͤr die erste Periode nenne ich den Goͤtz von Berlichingen; Tasso ist es fuͤr die zweyte und fuͤr die dritte Herrmann und Dorothea. Alles dreyes Werke im vollsten Sinne des Wortes, mehr und mit einem hoͤhern Maaß von Objektivitaͤt, als viele andre aus derselben Epoche. Jch werde sie mit Ruͤcksicht auf den verschiedenen Styl des Kuͤnstlers kurz durchgehn, und einige Erlaͤuterungen aus den uͤbrigen Werken fuͤr denselben Zweck hinzufuͤgen. Jm Werther verkuͤndigt die reine Absonderung von allem Zufaͤlligen in der Darstellung, die gerade und sicher auf ihr Ziel und auf das Wesentliche geht, den kuͤnftigen Kuͤnstler. Er hat bewundernswuͤrdige Details; aber das Ganze scheint mir tief unter der Kraft, mit der im Goͤtz die wackern Ritter der altdeutschen Zeit uns vor Augen geruͤckt, und mit der auch die Formlosigkeit, die denn doch zum Theil eben dadurch wieder Form wird, bis zum Uebermuth durchgesetzt ist. Dadurch bekommt selbst das Manierirte in der Darstellung einen gewissen Reiz, und das Ganze ist ungleich weniger veraltet als der Werther. Doch eines ist ewig jung auch in diesem, und ragt einzeln aus seiner Umgebung hervor. Dieses ist die große Ansicht der Natur, nicht bloß in den ruhigen sondern in den leidenschaftlichen Stellen. Es sind Andeutungen auf den Faust, und es haͤtte moͤglich seyn muͤssen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0185" n="173"/> die mir nach reiflichem Ueberlegen diejenigen zu seyn scheinen, deren jedes den Charakter seiner Periode am besten repraͤsentirt.</p><lb/> <p>Fuͤr die erste Periode nenne ich den Goͤtz von Berlichingen; Tasso ist es fuͤr die zweyte und fuͤr die dritte Herrmann und Dorothea. Alles dreyes Werke im vollsten Sinne des Wortes, mehr und mit einem hoͤhern Maaß von Objektivitaͤt, als viele andre aus derselben Epoche.</p><lb/> <p>Jch werde sie mit Ruͤcksicht auf den verschiedenen Styl des Kuͤnstlers kurz durchgehn, und einige Erlaͤuterungen aus den uͤbrigen Werken fuͤr denselben Zweck hinzufuͤgen.</p><lb/> <p>Jm Werther verkuͤndigt die reine Absonderung von allem Zufaͤlligen in der Darstellung, die gerade und sicher auf ihr Ziel und auf das Wesentliche geht, den kuͤnftigen Kuͤnstler. Er hat bewundernswuͤrdige Details; aber das Ganze scheint mir tief unter der Kraft, mit der im Goͤtz die wackern Ritter der altdeutschen Zeit uns vor Augen geruͤckt, und mit der auch die Formlosigkeit, die denn doch zum Theil eben dadurch wieder Form wird, bis zum Uebermuth durchgesetzt ist. Dadurch bekommt selbst das Manierirte in der Darstellung einen gewissen Reiz, und das Ganze ist ungleich weniger veraltet als der Werther. Doch eines ist ewig jung auch in diesem, und ragt einzeln aus seiner Umgebung hervor. Dieses ist die große Ansicht der Natur, nicht bloß in den ruhigen sondern in den leidenschaftlichen Stellen. Es sind Andeutungen auf den Faust, und es haͤtte moͤglich seyn muͤssen, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0185]
die mir nach reiflichem Ueberlegen diejenigen zu seyn scheinen, deren jedes den Charakter seiner Periode am besten repraͤsentirt.
Fuͤr die erste Periode nenne ich den Goͤtz von Berlichingen; Tasso ist es fuͤr die zweyte und fuͤr die dritte Herrmann und Dorothea. Alles dreyes Werke im vollsten Sinne des Wortes, mehr und mit einem hoͤhern Maaß von Objektivitaͤt, als viele andre aus derselben Epoche.
Jch werde sie mit Ruͤcksicht auf den verschiedenen Styl des Kuͤnstlers kurz durchgehn, und einige Erlaͤuterungen aus den uͤbrigen Werken fuͤr denselben Zweck hinzufuͤgen.
Jm Werther verkuͤndigt die reine Absonderung von allem Zufaͤlligen in der Darstellung, die gerade und sicher auf ihr Ziel und auf das Wesentliche geht, den kuͤnftigen Kuͤnstler. Er hat bewundernswuͤrdige Details; aber das Ganze scheint mir tief unter der Kraft, mit der im Goͤtz die wackern Ritter der altdeutschen Zeit uns vor Augen geruͤckt, und mit der auch die Formlosigkeit, die denn doch zum Theil eben dadurch wieder Form wird, bis zum Uebermuth durchgesetzt ist. Dadurch bekommt selbst das Manierirte in der Darstellung einen gewissen Reiz, und das Ganze ist ungleich weniger veraltet als der Werther. Doch eines ist ewig jung auch in diesem, und ragt einzeln aus seiner Umgebung hervor. Dieses ist die große Ansicht der Natur, nicht bloß in den ruhigen sondern in den leidenschaftlichen Stellen. Es sind Andeutungen auf den Faust, und es haͤtte moͤglich seyn muͤssen,
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/185>, abgerufen am 16.02.2025. |