Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.wie eine die andre anregt, und die sich eben so gut ganz anders hätten stellen lassen. Jndessen weil die geschilderten Gegenstände doch alle in Rom befindlich sind oder waren, und von selbst unter gewisse Rubriken fallen, so tritt hier noch eine Art von Ordnung und Einheit ein, wiewohl gar keine poetische. Hingegen im Alin, wo sich der Dichter obne einen solchen fremden Halt ins weite gewagt, hat er völlig die Tramontane verloren, und man kann ohne Bedenken sagen, daß, wer einmal so etwas macht, niemals ein Ganzes muß haben machen können. Dieß ist nun die andre Beziehung, worin das eben genannte Gedicht mit den früheren steht: als psychologisches Phänomen muß es aus diesen erklärt werden, kritisch betrachtet kann es Licht über sie verbreiten. Zwar soll und kann eine mislungne Hervorbringung dem Verdienste besserer nichts abziehen, wohl aber kann eine manierirte Ausartung, wenn sie aufs äußerste gediehen ist, die Spuren und Keime derselben Manier da entdecken lassen, wo vorhin andre Vorzüge darüber verblendeten. Die Gedichte, welche Matthissons Ruhm hauptsächlich gegründet, sind von der landschaftlichen Gattung. Sie schildern theils ausgezeichnet schöne Gegenden, oder wo dieß nicht der Fall ist, leiht ihnen doch die Bekanntschaft des Verfassers mit der großen und anmuthigen Natur in der Schweiz, dem südlichen Frankreich und Jtalien, einen glänzenden Widerschein. Außerdem ist das Neue, was sie günstig von der meisten bisherigen descriptive poetry unterscheidet, der Gebrauch lyrischer in Strophen abgetheilter Sylbenmaße. wie eine die andre anregt, und die sich eben so gut ganz anders haͤtten stellen lassen. Jndessen weil die geschilderten Gegenstaͤnde doch alle in Rom befindlich sind oder waren, und von selbst unter gewisse Rubriken fallen, so tritt hier noch eine Art von Ordnung und Einheit ein, wiewohl gar keine poetische. Hingegen im Alin, wo sich der Dichter obne einen solchen fremden Halt ins weite gewagt, hat er voͤllig die Tramontane verloren, und man kann ohne Bedenken sagen, daß, wer einmal so etwas macht, niemals ein Ganzes muß haben machen koͤnnen. Dieß ist nun die andre Beziehung, worin das eben genannte Gedicht mit den fruͤheren steht: als psychologisches Phaͤnomen muß es aus diesen erklaͤrt werden, kritisch betrachtet kann es Licht uͤber sie verbreiten. Zwar soll und kann eine mislungne Hervorbringung dem Verdienste besserer nichts abziehen, wohl aber kann eine manierirte Ausartung, wenn sie aufs aͤußerste gediehen ist, die Spuren und Keime derselben Manier da entdecken lassen, wo vorhin andre Vorzuͤge daruͤber verblendeten. Die Gedichte, welche Matthissons Ruhm hauptsaͤchlich gegruͤndet, sind von der landschaftlichen Gattung. Sie schildern theils ausgezeichnet schoͤne Gegenden, oder wo dieß nicht der Fall ist, leiht ihnen doch die Bekanntschaft des Verfassers mit der großen und anmuthigen Natur in der Schweiz, dem suͤdlichen Frankreich und Jtalien, einen glaͤnzenden Widerschein. Außerdem ist das Neue, was sie guͤnstig von der meisten bisherigen descriptive poetry unterscheidet, der Gebrauch lyrischer in Strophen abgetheilter Sylbenmaße. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0158" n="150"/> wie eine die andre anregt, und die sich eben so gut ganz anders haͤtten stellen lassen. Jndessen weil die geschilderten Gegenstaͤnde doch alle in Rom befindlich sind oder waren, und von selbst unter gewisse Rubriken fallen, so tritt hier noch eine Art von Ordnung und Einheit ein, wiewohl gar keine poetische. Hingegen im Alin, wo sich der Dichter obne einen solchen fremden Halt ins weite gewagt, hat er voͤllig die Tramontane verloren, und man kann ohne Bedenken sagen, daß, wer einmal so etwas macht, niemals ein Ganzes muß haben machen koͤnnen. Dieß ist nun die andre Beziehung, worin das eben genannte Gedicht mit den fruͤheren steht: als psychologisches Phaͤnomen muß es aus diesen erklaͤrt werden, kritisch betrachtet kann es Licht uͤber sie verbreiten. Zwar soll und kann eine mislungne Hervorbringung dem Verdienste besserer nichts abziehen, wohl aber kann eine manierirte Ausartung, wenn sie aufs aͤußerste gediehen ist, die Spuren und Keime derselben Manier da entdecken lassen, wo vorhin andre Vorzuͤge daruͤber verblendeten.</p><lb/> <p>Die Gedichte, welche Matthissons Ruhm hauptsaͤchlich gegruͤndet, sind von der landschaftlichen Gattung. Sie schildern theils ausgezeichnet schoͤne Gegenden, oder wo dieß nicht der Fall ist, leiht ihnen doch die Bekanntschaft des Verfassers mit der großen und anmuthigen Natur in der Schweiz, dem suͤdlichen Frankreich und Jtalien, einen glaͤnzenden Widerschein. Außerdem ist das Neue, was sie guͤnstig von der meisten bisherigen <hi rendition="#g">descriptive poetry</hi> unterscheidet, der Gebrauch lyrischer in Strophen abgetheilter Sylbenmaße. </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0158]
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Die Gedichte, welche Matthissons Ruhm hauptsaͤchlich gegruͤndet, sind von der landschaftlichen Gattung. Sie schildern theils ausgezeichnet schoͤne Gegenden, oder wo dieß nicht der Fall ist, leiht ihnen doch die Bekanntschaft des Verfassers mit der großen und anmuthigen Natur in der Schweiz, dem suͤdlichen Frankreich und Jtalien, einen glaͤnzenden Widerschein. Außerdem ist das Neue, was sie guͤnstig von der meisten bisherigen descriptive poetry unterscheidet, der Gebrauch lyrischer in Strophen abgetheilter Sylbenmaße.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/158>, abgerufen am 16.02.2025. |