Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

vom Faden der Ariadne hervorgucken. Ungeachtet es also scheint, als wollte die voranstehende Sphinx so etwas glauben machen, bleiben wir dabey, daß das Geheimniß des Mährchens wie mancher Orden darin besteht, gar keines zu haben. -- Was rein und wahrhaft fantastisch ist, wird freylich eben dadurch wieder symbolisch: es entsteht dann ein beständiges, aber unbestimmtes Anspielen, das eben mit der Auflöslichkeit in einen Begriff den größten Theil seines Reizes verlieren würde. Das ist der Fall bey Goethe's Mährchen, wo der Wechsel der heitersten vorüberziehenden Erscheinungen von geistigen Anklängen wie von einer unsichtbaren Musik begleitet wird. Hat der Verfasser etwas ähnliches im Sinne gehabt, so wäre er auf den schlimmsten Abweg gerathen. Die Anspielungen sind derb genug ausgeschrieben, nur die Bilder erscheinen nicht. Statt daß dort die Fantasie auf ihren eignen Flügeln getragen wird, geht hier die Künsteley unbeholfen auf den Stelzen harter Verse und seltsamer Reime einher. Was endlich den Scherz und die Ansprüche auf Satyre betrifft, so machen die Noten, in welchen noch die abgenutzte Form eines Kommentars mit erdichteten Namen wiederkömmt, es bis zum Ueberflusse klar, daß es dem Verfasser niemals eingefallen ist, der Witz müsse auf etwas gehen. Diese zum Theil obendrein erborgten Einfälle stehen hier als nichts, aus nichts und zu nichts.

Merkwürdig bleibt bey allem dem die Verirrung gewiß von einem Dichter, den man immer unter den Korrekten gepriesen hat, und wer ein poetisches Naturalienkabinet

vom Faden der Ariadne hervorgucken. Ungeachtet es also scheint, als wollte die voranstehende Sphinx so etwas glauben machen, bleiben wir dabey, daß das Geheimniß des Maͤhrchens wie mancher Orden darin besteht, gar keines zu haben. — Was rein und wahrhaft fantastisch ist, wird freylich eben dadurch wieder symbolisch: es entsteht dann ein bestaͤndiges, aber unbestimmtes Anspielen, das eben mit der Aufloͤslichkeit in einen Begriff den groͤßten Theil seines Reizes verlieren wuͤrde. Das ist der Fall bey Goethe's Maͤhrchen, wo der Wechsel der heitersten voruͤberziehenden Erscheinungen von geistigen Anklaͤngen wie von einer unsichtbaren Musik begleitet wird. Hat der Verfasser etwas aͤhnliches im Sinne gehabt, so waͤre er auf den schlimmsten Abweg gerathen. Die Anspielungen sind derb genug ausgeschrieben, nur die Bilder erscheinen nicht. Statt daß dort die Fantasie auf ihren eignen Fluͤgeln getragen wird, geht hier die Kuͤnsteley unbeholfen auf den Stelzen harter Verse und seltsamer Reime einher. Was endlich den Scherz und die Anspruͤche auf Satyre betrifft, so machen die Noten, in welchen noch die abgenutzte Form eines Kommentars mit erdichteten Namen wiederkoͤmmt, es bis zum Ueberflusse klar, daß es dem Verfasser niemals eingefallen ist, der Witz muͤsse auf etwas gehen. Diese zum Theil obendrein erborgten Einfaͤlle stehen hier als nichts, aus nichts und zu nichts.

Merkwuͤrdig bleibt bey allem dem die Verirrung gewiß von einem Dichter, den man immer unter den Korrekten gepriesen hat, und wer ein poetisches Naturalienkabinet

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0156" n="148"/>
vom Faden der Ariadne hervorgucken. Ungeachtet es also scheint, als wollte die voranstehende Sphinx so etwas glauben machen, bleiben wir dabey, daß das Geheimniß des Ma&#x0364;hrchens wie mancher Orden darin besteht, gar keines zu haben. &#x2014; Was rein und wahrhaft fantastisch ist, wird freylich eben dadurch wieder symbolisch: es entsteht dann ein besta&#x0364;ndiges, aber unbestimmtes Anspielen, das eben mit der Auflo&#x0364;slichkeit in einen Begriff den gro&#x0364;ßten Theil seines Reizes verlieren wu&#x0364;rde. Das ist der Fall bey Goethe's Ma&#x0364;hrchen, wo der Wechsel der heitersten voru&#x0364;berziehenden Erscheinungen von geistigen Ankla&#x0364;ngen wie von einer unsichtbaren Musik begleitet wird. Hat der Verfasser etwas a&#x0364;hnliches im Sinne gehabt, so wa&#x0364;re er auf den schlimmsten Abweg gerathen. Die Anspielungen sind derb genug ausgeschrieben, nur die Bilder erscheinen nicht. Statt daß dort die Fantasie auf ihren eignen Flu&#x0364;geln getragen wird, geht hier die Ku&#x0364;nsteley unbeholfen auf den Stelzen harter Verse und seltsamer Reime einher. Was endlich den Scherz und die Anspru&#x0364;che auf Satyre betrifft, so machen die Noten, in welchen noch die abgenutzte Form eines Kommentars mit erdichteten Namen wiederko&#x0364;mmt, es bis zum Ueberflusse klar, daß es dem Verfasser niemals eingefallen ist, der Witz mu&#x0364;sse auf etwas gehen. Diese zum Theil obendrein erborgten Einfa&#x0364;lle stehen hier als nichts, aus nichts und zu nichts.</p><lb/>
            <p>Merkwu&#x0364;rdig bleibt bey allem dem die Verirrung gewiß von einem Dichter, den man immer unter den Korrekten gepriesen hat, und wer ein poetisches Naturalienkabinet
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0156] vom Faden der Ariadne hervorgucken. Ungeachtet es also scheint, als wollte die voranstehende Sphinx so etwas glauben machen, bleiben wir dabey, daß das Geheimniß des Maͤhrchens wie mancher Orden darin besteht, gar keines zu haben. — Was rein und wahrhaft fantastisch ist, wird freylich eben dadurch wieder symbolisch: es entsteht dann ein bestaͤndiges, aber unbestimmtes Anspielen, das eben mit der Aufloͤslichkeit in einen Begriff den groͤßten Theil seines Reizes verlieren wuͤrde. Das ist der Fall bey Goethe's Maͤhrchen, wo der Wechsel der heitersten voruͤberziehenden Erscheinungen von geistigen Anklaͤngen wie von einer unsichtbaren Musik begleitet wird. Hat der Verfasser etwas aͤhnliches im Sinne gehabt, so waͤre er auf den schlimmsten Abweg gerathen. Die Anspielungen sind derb genug ausgeschrieben, nur die Bilder erscheinen nicht. Statt daß dort die Fantasie auf ihren eignen Fluͤgeln getragen wird, geht hier die Kuͤnsteley unbeholfen auf den Stelzen harter Verse und seltsamer Reime einher. Was endlich den Scherz und die Anspruͤche auf Satyre betrifft, so machen die Noten, in welchen noch die abgenutzte Form eines Kommentars mit erdichteten Namen wiederkoͤmmt, es bis zum Ueberflusse klar, daß es dem Verfasser niemals eingefallen ist, der Witz muͤsse auf etwas gehen. Diese zum Theil obendrein erborgten Einfaͤlle stehen hier als nichts, aus nichts und zu nichts. Merkwuͤrdig bleibt bey allem dem die Verirrung gewiß von einem Dichter, den man immer unter den Korrekten gepriesen hat, und wer ein poetisches Naturalienkabinet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/156
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/156>, abgerufen am 24.11.2024.