Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.vor uns wandeln, und Shakspeare mit Cervantes trauliche Gespräche wechseln; -- und da würde Sancho von neuem mit dem Don Quixote scherzen. Das wären wahre Arabesken und diese nebst Bekenntnissen, seyen, behaupt te ich im Eingang meines Briefs, die einzigen romantischen Naturprodukte unsers Zeitalters. Daß ich auch die Bekenntnisse dazu rechnete, wird Jhnen nicht mehr befremdend seyn, wenn Sie zugegeben haben, daß wahre Geschichte das Fundament aller romantischen Dichtung sey; und Sie werden sich, wenn Sie darüber reflektiren wollen, leicht erinnern und überzeugen, daß das Beste in den besten Romanen nichts anders ist als ein mehr oder minder verhülltes Selbstbekenntniß des Verfassers, der Ertrag seiner Erfahrung, die Quintessenz seiner Eigenthümlichkeit. Alle sogenannten Romane, auf die meine Jdee von romantischer Form freylich gar nicht anwendbar ist, schätze ich dennoch ganz genau nach der Masse von eigner Anschauung und dargestelltem Leben, die sie enthalten; und in dieser Hinsicht mögen denn selbst die Nachfolger des Richardson, so sehr sie auf der falschen Bahn wandeln, willkommen seyn. Wir lernen aus einer Cecilia Beverley wenigstens, wie man zu der Zeit, da das eben Mode war, sich in London ennuyirte, auch wie eine brittische Dame vor Delicatesse endlich zu Boden stürzt und sich blutrünstig fällt; das Fluchen, die Squire's und dergleichen sind im Fielding wie aus dem Leben gestohlen, und der Wakefield vor uns wandeln, und Shakspeare mit Cervantes trauliche Gespraͤche wechseln; — und da wuͤrde Sancho von neuem mit dem Don Quixote scherzen. Das waͤren wahre Arabesken und diese nebst Bekenntnissen, seyen, behaupt te ich im Eingang meines Briefs, die einzigen romantischen Naturprodukte unsers Zeitalters. Daß ich auch die Bekenntnisse dazu rechnete, wird Jhnen nicht mehr befremdend seyn, wenn Sie zugegeben haben, daß wahre Geschichte das Fundament aller romantischen Dichtung sey; und Sie werden sich, wenn Sie daruͤber reflektiren wollen, leicht erinnern und uͤberzeugen, daß das Beste in den besten Romanen nichts anders ist als ein mehr oder minder verhuͤlltes Selbstbekenntniß des Verfassers, der Ertrag seiner Erfahrung, die Quintessenz seiner Eigenthuͤmlichkeit. Alle sogenannten Romane, auf die meine Jdee von romantischer Form freylich gar nicht anwendbar ist, schaͤtze ich dennoch ganz genau nach der Masse von eigner Anschauung und dargestelltem Leben, die sie enthalten; und in dieser Hinsicht moͤgen denn selbst die Nachfolger des Richardson, so sehr sie auf der falschen Bahn wandeln, willkommen seyn. Wir lernen aus einer Cecilia Beverley wenigstens, wie man zu der Zeit, da das eben Mode war, sich in London ennuyirte, auch wie eine brittische Dame vor Delicatesse endlich zu Boden stuͤrzt und sich blutruͤnstig faͤllt; das Fluchen, die Squire's und dergleichen sind im Fielding wie aus dem Leben gestohlen, und der Wakefield <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0134" n="126"/> vor uns wandeln, und Shakspeare mit Cervantes trauliche Gespraͤche wechseln; — und da wuͤrde Sancho von neuem mit dem Don Quixote scherzen.</p><lb/> <p>Das waͤren wahre Arabesken und diese nebst Bekenntnissen, seyen, behaupt te ich im Eingang meines Briefs, die einzigen romantischen Naturprodukte unsers Zeitalters.</p><lb/> <p>Daß ich auch die Bekenntnisse dazu rechnete, wird Jhnen nicht mehr befremdend seyn, wenn Sie zugegeben haben, daß wahre Geschichte das Fundament aller romantischen Dichtung sey; und Sie werden sich, wenn Sie daruͤber reflektiren wollen, leicht erinnern und uͤberzeugen, daß das Beste in den besten Romanen nichts anders ist als ein mehr oder minder verhuͤlltes Selbstbekenntniß des Verfassers, der Ertrag seiner Erfahrung, die Quintessenz seiner Eigenthuͤmlichkeit.</p><lb/> <p>Alle sogenannten Romane, auf die meine Jdee von romantischer Form freylich gar nicht anwendbar ist, schaͤtze ich dennoch ganz genau nach der Masse von eigner Anschauung und dargestelltem Leben, die sie enthalten; und in dieser Hinsicht moͤgen denn selbst die Nachfolger des Richardson, so sehr sie auf der falschen Bahn wandeln, willkommen seyn. Wir lernen aus einer Cecilia Beverley wenigstens, wie man zu der Zeit, da das eben Mode war, sich in London ennuyirte, auch wie eine brittische Dame vor Delicatesse endlich zu Boden stuͤrzt und sich blutruͤnstig faͤllt; das Fluchen, die Squire's und dergleichen sind im Fielding wie aus dem Leben gestohlen, und der Wakefield </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0134]
vor uns wandeln, und Shakspeare mit Cervantes trauliche Gespraͤche wechseln; — und da wuͤrde Sancho von neuem mit dem Don Quixote scherzen.
Das waͤren wahre Arabesken und diese nebst Bekenntnissen, seyen, behaupt te ich im Eingang meines Briefs, die einzigen romantischen Naturprodukte unsers Zeitalters.
Daß ich auch die Bekenntnisse dazu rechnete, wird Jhnen nicht mehr befremdend seyn, wenn Sie zugegeben haben, daß wahre Geschichte das Fundament aller romantischen Dichtung sey; und Sie werden sich, wenn Sie daruͤber reflektiren wollen, leicht erinnern und uͤberzeugen, daß das Beste in den besten Romanen nichts anders ist als ein mehr oder minder verhuͤlltes Selbstbekenntniß des Verfassers, der Ertrag seiner Erfahrung, die Quintessenz seiner Eigenthuͤmlichkeit.
Alle sogenannten Romane, auf die meine Jdee von romantischer Form freylich gar nicht anwendbar ist, schaͤtze ich dennoch ganz genau nach der Masse von eigner Anschauung und dargestelltem Leben, die sie enthalten; und in dieser Hinsicht moͤgen denn selbst die Nachfolger des Richardson, so sehr sie auf der falschen Bahn wandeln, willkommen seyn. Wir lernen aus einer Cecilia Beverley wenigstens, wie man zu der Zeit, da das eben Mode war, sich in London ennuyirte, auch wie eine brittische Dame vor Delicatesse endlich zu Boden stuͤrzt und sich blutruͤnstig faͤllt; das Fluchen, die Squire's und dergleichen sind im Fielding wie aus dem Leben gestohlen, und der Wakefield
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