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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Neigungen: für den wahren Dichter ist alles dieses, so innig es auch seine Seele umschließen mag, nur Hindeutung auf das Höhere, Unendliche, Hieroglyphe der Einen ewigen Liebe und der heiligen Lebensfülle der bildenden Natur.

Nur die Fantasie kann das Räthsel dieser Liebe fassen und als Räthsel darstellen; und dieses Räthselhafte ist die Quelle von dem fantastischen in der Form aller poetischen Darstellung. Die Fantasie strebt aus allen Kräften sich zu äußern, aber das Göttliche kann sich in der Sphäre der Natur nur indirekt mittheilen und äußern. Daher bleibt von dem, was ursprünglich Fantasie war, in der Welt der Erscheinungen nur das zurück was wir Witz nennen.

Noch eines liegt in der Bedeutung des Sentimentalen, was grade das Eigenthümliche der Tendenz der romantischen Poesie im Gegensatz der antiken betrifft. Es ist darin gar keine Rücksicht genommen auf den Unterschied von Schein und Wahrheit, von Spiel und Ernst. Darin liegt der große Unterschied. Die alte Poesie schließt sich durchgängig an die Mythologie an, und vermeidet sogar den eigentlich historischen Stoff. Die alte Tragödie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische Poesie hingegen ruht ganz auf historischem Grunde, weit mehr als man es weiß und glaubt. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzählung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Jntrigue darin ist, können Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen,

Neigungen: fuͤr den wahren Dichter ist alles dieses, so innig es auch seine Seele umschließen mag, nur Hindeutung auf das Hoͤhere, Unendliche, Hieroglyphe der Einen ewigen Liebe und der heiligen Lebensfuͤlle der bildenden Natur.

Nur die Fantasie kann das Raͤthsel dieser Liebe fassen und als Raͤthsel darstellen; und dieses Raͤthselhafte ist die Quelle von dem fantastischen in der Form aller poetischen Darstellung. Die Fantasie strebt aus allen Kraͤften sich zu aͤußern, aber das Goͤttliche kann sich in der Sphaͤre der Natur nur indirekt mittheilen und aͤußern. Daher bleibt von dem, was urspruͤnglich Fantasie war, in der Welt der Erscheinungen nur das zuruͤck was wir Witz nennen.

Noch eines liegt in der Bedeutung des Sentimentalen, was grade das Eigenthuͤmliche der Tendenz der romantischen Poesie im Gegensatz der antiken betrifft. Es ist darin gar keine Ruͤcksicht genommen auf den Unterschied von Schein und Wahrheit, von Spiel und Ernst. Darin liegt der große Unterschied. Die alte Poesie schließt sich durchgaͤngig an die Mythologie an, und vermeidet sogar den eigentlich historischen Stoff. Die alte Tragoͤdie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische Poesie hingegen ruht ganz auf historischem Grunde, weit mehr als man es weiß und glaubt. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzaͤhlung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Jntrigue darin ist, koͤnnen Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen,

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[121/0129] Neigungen: fuͤr den wahren Dichter ist alles dieses, so innig es auch seine Seele umschließen mag, nur Hindeutung auf das Hoͤhere, Unendliche, Hieroglyphe der Einen ewigen Liebe und der heiligen Lebensfuͤlle der bildenden Natur. Nur die Fantasie kann das Raͤthsel dieser Liebe fassen und als Raͤthsel darstellen; und dieses Raͤthselhafte ist die Quelle von dem fantastischen in der Form aller poetischen Darstellung. Die Fantasie strebt aus allen Kraͤften sich zu aͤußern, aber das Goͤttliche kann sich in der Sphaͤre der Natur nur indirekt mittheilen und aͤußern. Daher bleibt von dem, was urspruͤnglich Fantasie war, in der Welt der Erscheinungen nur das zuruͤck was wir Witz nennen. Noch eines liegt in der Bedeutung des Sentimentalen, was grade das Eigenthuͤmliche der Tendenz der romantischen Poesie im Gegensatz der antiken betrifft. Es ist darin gar keine Ruͤcksicht genommen auf den Unterschied von Schein und Wahrheit, von Spiel und Ernst. Darin liegt der große Unterschied. Die alte Poesie schließt sich durchgaͤngig an die Mythologie an, und vermeidet sogar den eigentlich historischen Stoff. Die alte Tragoͤdie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische Poesie hingegen ruht ganz auf historischem Grunde, weit mehr als man es weiß und glaubt. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzaͤhlung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Jntrigue darin ist, koͤnnen Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen,

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/129>, abgerufen am 22.11.2024.