Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.geben. Die Jndividualität des Menschen sey viel zu sichtbar, und noch dazu eine solche! Das letzte übergehe ich, weil es doch wieder nur Sache der Jndividualität ist. Das bunte Allerley von kränklichem Witz gebe ich zu, aber ich nehme es in Schutz und behaupte dreist, daß solche Grotesken und Bekenntnisse noch die einzigen romantischen Erzeugnisse unsers unromantischen Zeitalters sind. Lassen Sie mich bey dieser Gelegenheit ausschütten, was ich lange auf dem Herzen habe! Mit Erstaunen und mit innerm Grimm habe ich oft den Diener die Haufen zu Jhnen herumtragen sehn. Wie mögen Sie nur mit Jhren Händen die schmutzigen Bände berühren? -- Und wie können Sie den verworrnen, ungebildeten Redensarten den Eingang durch Jhr Auge in das Heiligthum der Seele verstatten? -- Stundenlang Jhre Fantasie an Menschen hingeben, mit denen von Angesicht zu Angesicht nur wenige Worte zu wechseln Sie Sich schämen würden? -- Es frommt wahrlich zu nichts, als nur die Zeit zu tödten und die Jmaginazion zu verderben! Fast alle schlechten Bücher haben Sie gelesen von Fielding bis zu Lafontaine. Fragen Sie Sich selbst was Sie davon gehabt haben. Jhr Gedächtniß selbst verschmäht das unedle Zeug, was eine fatale Jugendgewohnheit Jhnen zum Bedürfniß macht, und was so emsig herbeygeschafft werden muß, wird sogleich rein vergessen. Dagegen erinnern Sie sich noch vielleicht, daß es eine Zeit gab, wo Sie den Sterne liebten, sich oft geben. Die Jndividualitaͤt des Menschen sey viel zu sichtbar, und noch dazu eine solche! Das letzte uͤbergehe ich, weil es doch wieder nur Sache der Jndividualitaͤt ist. Das bunte Allerley von kraͤnklichem Witz gebe ich zu, aber ich nehme es in Schutz und behaupte dreist, daß solche Grotesken und Bekenntnisse noch die einzigen romantischen Erzeugnisse unsers unromantischen Zeitalters sind. Lassen Sie mich bey dieser Gelegenheit ausschuͤtten, was ich lange auf dem Herzen habe! Mit Erstaunen und mit innerm Grimm habe ich oft den Diener die Haufen zu Jhnen herumtragen sehn. Wie moͤgen Sie nur mit Jhren Haͤnden die schmutzigen Baͤnde beruͤhren? — Und wie koͤnnen Sie den verworrnen, ungebildeten Redensarten den Eingang durch Jhr Auge in das Heiligthum der Seele verstatten? — Stundenlang Jhre Fantasie an Menschen hingeben, mit denen von Angesicht zu Angesicht nur wenige Worte zu wechseln Sie Sich schaͤmen wuͤrden? — Es frommt wahrlich zu nichts, als nur die Zeit zu toͤdten und die Jmaginazion zu verderben! Fast alle schlechten Buͤcher haben Sie gelesen von Fielding bis zu Lafontaine. Fragen Sie Sich selbst was Sie davon gehabt haben. Jhr Gedaͤchtniß selbst verschmaͤht das unedle Zeug, was eine fatale Jugendgewohnheit Jhnen zum Beduͤrfniß macht, und was so emsig herbeygeschafft werden muß, wird sogleich rein vergessen. Dagegen erinnern Sie sich noch vielleicht, daß es eine Zeit gab, wo Sie den Sterne liebten, sich oft <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0122" n="114"/> geben. Die Jndividualitaͤt des Menschen sey viel zu sichtbar, und noch dazu eine solche!</p><lb/> <p>Das letzte uͤbergehe ich, weil es doch wieder nur Sache der Jndividualitaͤt ist. Das bunte Allerley von kraͤnklichem Witz gebe ich zu, aber ich nehme es in Schutz und behaupte dreist, daß solche Grotesken und Bekenntnisse noch die einzigen romantischen Erzeugnisse unsers unromantischen Zeitalters sind.</p><lb/> <p>Lassen Sie mich bey dieser Gelegenheit ausschuͤtten, was ich lange auf dem Herzen habe!</p><lb/> <p>Mit Erstaunen und mit innerm Grimm habe ich oft den Diener die Haufen zu Jhnen herumtragen sehn. Wie moͤgen Sie nur mit Jhren Haͤnden die schmutzigen Baͤnde beruͤhren? — Und wie koͤnnen Sie den verworrnen, ungebildeten Redensarten den Eingang durch Jhr Auge in das Heiligthum der Seele verstatten? — Stundenlang Jhre Fantasie an Menschen hingeben, mit denen von Angesicht zu Angesicht nur wenige Worte zu wechseln Sie Sich schaͤmen wuͤrden? — Es frommt wahrlich zu nichts, als nur die Zeit zu toͤdten und die Jmaginazion zu verderben! Fast alle schlechten Buͤcher haben Sie gelesen von Fielding bis zu Lafontaine. Fragen Sie Sich selbst was Sie davon gehabt haben. Jhr Gedaͤchtniß selbst verschmaͤht das unedle Zeug, was eine fatale Jugendgewohnheit Jhnen zum Beduͤrfniß macht, und was so emsig herbeygeschafft werden muß, wird sogleich rein vergessen.</p><lb/> <p>Dagegen erinnern Sie sich noch vielleicht, daß es eine Zeit gab, wo Sie den Sterne liebten, sich oft </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0122]
geben. Die Jndividualitaͤt des Menschen sey viel zu sichtbar, und noch dazu eine solche!
Das letzte uͤbergehe ich, weil es doch wieder nur Sache der Jndividualitaͤt ist. Das bunte Allerley von kraͤnklichem Witz gebe ich zu, aber ich nehme es in Schutz und behaupte dreist, daß solche Grotesken und Bekenntnisse noch die einzigen romantischen Erzeugnisse unsers unromantischen Zeitalters sind.
Lassen Sie mich bey dieser Gelegenheit ausschuͤtten, was ich lange auf dem Herzen habe!
Mit Erstaunen und mit innerm Grimm habe ich oft den Diener die Haufen zu Jhnen herumtragen sehn. Wie moͤgen Sie nur mit Jhren Haͤnden die schmutzigen Baͤnde beruͤhren? — Und wie koͤnnen Sie den verworrnen, ungebildeten Redensarten den Eingang durch Jhr Auge in das Heiligthum der Seele verstatten? — Stundenlang Jhre Fantasie an Menschen hingeben, mit denen von Angesicht zu Angesicht nur wenige Worte zu wechseln Sie Sich schaͤmen wuͤrden? — Es frommt wahrlich zu nichts, als nur die Zeit zu toͤdten und die Jmaginazion zu verderben! Fast alle schlechten Buͤcher haben Sie gelesen von Fielding bis zu Lafontaine. Fragen Sie Sich selbst was Sie davon gehabt haben. Jhr Gedaͤchtniß selbst verschmaͤht das unedle Zeug, was eine fatale Jugendgewohnheit Jhnen zum Beduͤrfniß macht, und was so emsig herbeygeschafft werden muß, wird sogleich rein vergessen.
Dagegen erinnern Sie sich noch vielleicht, daß es eine Zeit gab, wo Sie den Sterne liebten, sich oft
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/122>, abgerufen am 28.07.2024. |