Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, wieder nur abendländisch und sparsam erscheinen.

Ueberhaupt muß man auf mehr als einem Wege zum Ziel bringen können. Jeder gehe ganz den seinigen, mit froher Zuversicht, auf die individuellste Weise, denn nirgends gelten die Rechte der Jndividualität -- wenn sie nur das ist, was das Wort bezeichnet, untheilbare Einheit, innrer lebendiger Zusammenhang -- mehr als hier, wo vom Höchsten die Rede ist; ein Standpunkt, auf welchem ich nicht anstehen würde zu sagen, der eigentliche Werth ja die Tugend des Menschen sey seine Originalität. --

Und wenn ich einen so großen Accent auf den Spinosa lege, so geschieht es wahrlich nicht aus einer subjektiven Vorliebe (deren Gegenstände ich vielmehr ausdrücklich entfernt gehalten habe) oder um ihn als Meister einer neuen Alleinherrschaft zu erheben; sondern weil ich an diesem Beyspiel am auffallendsten und einleuchtendsten meine Gedanken vom Werth und der Würde der Mystik und ihrem Verhältniß zur Poesie zeigen konnte. Jch wählte ihn wegen seiner Objektivität in dieser Rücksicht als Repräsentanten aller übrigen. Jch denke darüber so. Wie die Wissenschaftslehre nach der Ansicht derer, welche die Unendlichkeit und die unvergängliche Fülle des Jdealismus nicht bemerkt haben, wenigstens eine vollendete Form bleibt, ein allgemeines Schema für alle Wissenschaft: so ist auch Spinosa auf ähnliche Weise der allgemeine Grund und Halt für jede individuelle Art von Mystizismus; und dieses denke ich werden auch

ist, wieder nur abendlaͤndisch und sparsam erscheinen.

Ueberhaupt muß man auf mehr als einem Wege zum Ziel bringen koͤnnen. Jeder gehe ganz den seinigen, mit froher Zuversicht, auf die individuellste Weise, denn nirgends gelten die Rechte der Jndividualitaͤt — wenn sie nur das ist, was das Wort bezeichnet, untheilbare Einheit, innrer lebendiger Zusammenhang — mehr als hier, wo vom Hoͤchsten die Rede ist; ein Standpunkt, auf welchem ich nicht anstehen wuͤrde zu sagen, der eigentliche Werth ja die Tugend des Menschen sey seine Originalitaͤt. —

Und wenn ich einen so großen Accent auf den Spinosa lege, so geschieht es wahrlich nicht aus einer subjektiven Vorliebe (deren Gegenstaͤnde ich vielmehr ausdruͤcklich entfernt gehalten habe) oder um ihn als Meister einer neuen Alleinherrschaft zu erheben; sondern weil ich an diesem Beyspiel am auffallendsten und einleuchtendsten meine Gedanken vom Werth und der Wuͤrde der Mystik und ihrem Verhaͤltniß zur Poesie zeigen konnte. Jch waͤhlte ihn wegen seiner Objektivitaͤt in dieser Ruͤcksicht als Repraͤsentanten aller uͤbrigen. Jch denke daruͤber so. Wie die Wissenschaftslehre nach der Ansicht derer, welche die Unendlichkeit und die unvergaͤngliche Fuͤlle des Jdealismus nicht bemerkt haben, wenigstens eine vollendete Form bleibt, ein allgemeines Schema fuͤr alle Wissenschaft: so ist auch Spinosa auf aͤhnliche Weise der allgemeine Grund und Halt fuͤr jede individuelle Art von Mystizismus; und dieses denke ich werden auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0112" n="104"/>
ist, wieder nur abendla&#x0364;ndisch und sparsam erscheinen.</p><lb/>
            <p>Ueberhaupt muß man auf mehr als einem Wege zum Ziel bringen ko&#x0364;nnen. Jeder gehe ganz den seinigen, mit froher Zuversicht, auf die individuellste Weise, denn nirgends gelten die Rechte der Jndividualita&#x0364;t &#x2014; wenn sie nur das ist, was das Wort bezeichnet, untheilbare Einheit, innrer lebendiger Zusammenhang &#x2014; mehr als hier, wo vom Ho&#x0364;chsten die Rede ist; ein Standpunkt, auf welchem ich nicht anstehen wu&#x0364;rde zu sagen, der eigentliche Werth ja die Tugend des Menschen sey seine Originalita&#x0364;t. &#x2014; </p><lb/>
            <p>Und wenn ich einen so großen Accent auf den Spinosa lege, so geschieht es wahrlich nicht aus einer subjektiven Vorliebe (deren Gegensta&#x0364;nde ich vielmehr ausdru&#x0364;cklich entfernt gehalten habe) oder um ihn als Meister einer neuen Alleinherrschaft zu erheben; sondern weil ich an diesem Beyspiel am auffallendsten und einleuchtendsten meine Gedanken vom Werth und der Wu&#x0364;rde der Mystik und ihrem Verha&#x0364;ltniß zur Poesie zeigen konnte. Jch wa&#x0364;hlte ihn wegen seiner Objektivita&#x0364;t in dieser Ru&#x0364;cksicht als Repra&#x0364;sentanten aller u&#x0364;brigen. Jch denke daru&#x0364;ber so. Wie die Wissenschaftslehre nach der Ansicht derer, welche die Unendlichkeit und die unverga&#x0364;ngliche Fu&#x0364;lle des Jdealismus nicht bemerkt haben, wenigstens eine vollendete Form bleibt, ein allgemeines Schema fu&#x0364;r alle Wissenschaft: so ist auch Spinosa auf a&#x0364;hnliche Weise der allgemeine Grund und Halt fu&#x0364;r jede individuelle Art von Mystizismus; und dieses denke ich werden auch
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0112] ist, wieder nur abendlaͤndisch und sparsam erscheinen. Ueberhaupt muß man auf mehr als einem Wege zum Ziel bringen koͤnnen. Jeder gehe ganz den seinigen, mit froher Zuversicht, auf die individuellste Weise, denn nirgends gelten die Rechte der Jndividualitaͤt — wenn sie nur das ist, was das Wort bezeichnet, untheilbare Einheit, innrer lebendiger Zusammenhang — mehr als hier, wo vom Hoͤchsten die Rede ist; ein Standpunkt, auf welchem ich nicht anstehen wuͤrde zu sagen, der eigentliche Werth ja die Tugend des Menschen sey seine Originalitaͤt. — Und wenn ich einen so großen Accent auf den Spinosa lege, so geschieht es wahrlich nicht aus einer subjektiven Vorliebe (deren Gegenstaͤnde ich vielmehr ausdruͤcklich entfernt gehalten habe) oder um ihn als Meister einer neuen Alleinherrschaft zu erheben; sondern weil ich an diesem Beyspiel am auffallendsten und einleuchtendsten meine Gedanken vom Werth und der Wuͤrde der Mystik und ihrem Verhaͤltniß zur Poesie zeigen konnte. Jch waͤhlte ihn wegen seiner Objektivitaͤt in dieser Ruͤcksicht als Repraͤsentanten aller uͤbrigen. Jch denke daruͤber so. Wie die Wissenschaftslehre nach der Ansicht derer, welche die Unendlichkeit und die unvergaͤngliche Fuͤlle des Jdealismus nicht bemerkt haben, wenigstens eine vollendete Form bleibt, ein allgemeines Schema fuͤr alle Wissenschaft: so ist auch Spinosa auf aͤhnliche Weise der allgemeine Grund und Halt fuͤr jede individuelle Art von Mystizismus; und dieses denke ich werden auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/112
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/112>, abgerufen am 24.11.2024.