Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.herabgestürzt. Jn das heilige Dunkel der Fantasie ist er zurückgewichen, da lebt und haust er nun mit den andern Titanen in ehrwürdiger Verbannung. Haltet ihn hier! Jm Gesang der Musen verschmelze seine Erinnrung an die alte Herrschaft in eine leise Sehnsucht. Er entkleide sich vom kriegerischen Schmuck des Systems, und theile dann die Wohnung im Tempel der neuen Poesie mit Homer und Dante und geselle sich zu den Laren und Hausfreunden jedes Gottbegeisterten Dichters. Jn der That, ich begreife kaum, wie man ein Dichter seyn kann, ohne den Spinosa zu verehren, zu lieben und ganz der seinige zu werden. Jn Erfindung des Einzelnen ist Eure eigne Fantasie reich genug; sie anzuregen, zur Thätigkeit zu reizen und ihr Nahrung zu geben, nichts geschickter als die Dichtungen andrer Künstler. Jm Spinosa aber findet Jhr den Anfang und das Ende aller Fantasie, den allgemeinen Grund und Boden, auf dem Euer Einzelnes ruht und eben diese Absonderung des Ursprünglichen, Ewigen der Fantasie von allem Einzelnen und Besondern muß Euch sehr willkommen seyn. Ergreift die Gelegenheit und schaut hin! Es wird Euch ein tiefer Blick in die innerste Werkstätte der Poesie gegönnt. Von der Art wie die Fantasie des Spinosa, so ist auch sein Gefühl. Nicht Reizbarkeit für dieses und jenes, nicht Leidenschaft die schwillt und wieder sinket; aber ein klarer Duft schwebt unsichtbar sichtbar über dem Ganzen, überall findet die ewige Sehnsucht einen Anklang aus herabgestuͤrzt. Jn das heilige Dunkel der Fantasie ist er zuruͤckgewichen, da lebt und haust er nun mit den andern Titanen in ehrwuͤrdiger Verbannung. Haltet ihn hier! Jm Gesang der Musen verschmelze seine Erinnrung an die alte Herrschaft in eine leise Sehnsucht. Er entkleide sich vom kriegerischen Schmuck des Systems, und theile dann die Wohnung im Tempel der neuen Poesie mit Homer und Dante und geselle sich zu den Laren und Hausfreunden jedes Gottbegeisterten Dichters. Jn der That, ich begreife kaum, wie man ein Dichter seyn kann, ohne den Spinosa zu verehren, zu lieben und ganz der seinige zu werden. Jn Erfindung des Einzelnen ist Eure eigne Fantasie reich genug; sie anzuregen, zur Thaͤtigkeit zu reizen und ihr Nahrung zu geben, nichts geschickter als die Dichtungen andrer Kuͤnstler. Jm Spinosa aber findet Jhr den Anfang und das Ende aller Fantasie, den allgemeinen Grund und Boden, auf dem Euer Einzelnes ruht und eben diese Absonderung des Urspruͤnglichen, Ewigen der Fantasie von allem Einzelnen und Besondern muß Euch sehr willkommen seyn. Ergreift die Gelegenheit und schaut hin! Es wird Euch ein tiefer Blick in die innerste Werkstaͤtte der Poesie gegoͤnnt. Von der Art wie die Fantasie des Spinosa, so ist auch sein Gefuͤhl. Nicht Reizbarkeit fuͤr dieses und jenes, nicht Leidenschaft die schwillt und wieder sinket; aber ein klarer Duft schwebt unsichtbar sichtbar uͤber dem Ganzen, uͤberall findet die ewige Sehnsucht einen Anklang aus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="100"/> herabgestuͤrzt. Jn das heilige Dunkel der Fantasie ist er zuruͤckgewichen, da lebt und haust er nun mit den andern Titanen in ehrwuͤrdiger Verbannung. Haltet ihn hier! Jm Gesang der Musen verschmelze seine Erinnrung an die alte Herrschaft in eine leise Sehnsucht. Er entkleide sich vom kriegerischen Schmuck des Systems, und theile dann die Wohnung im Tempel der neuen Poesie mit Homer und Dante und geselle sich zu den Laren und Hausfreunden jedes Gottbegeisterten Dichters.</p><lb/> <p>Jn der That, ich begreife kaum, wie man ein Dichter seyn kann, ohne den Spinosa zu verehren, zu lieben und ganz der seinige zu werden. Jn Erfindung des Einzelnen ist Eure eigne Fantasie reich genug; sie anzuregen, zur Thaͤtigkeit zu reizen und ihr Nahrung zu geben, nichts geschickter als die Dichtungen andrer Kuͤnstler. Jm Spinosa aber findet Jhr den Anfang und das Ende aller Fantasie, den allgemeinen Grund und Boden, auf dem Euer Einzelnes ruht und eben diese Absonderung des Urspruͤnglichen, Ewigen der Fantasie von allem Einzelnen und Besondern muß Euch sehr willkommen seyn. Ergreift die Gelegenheit und schaut hin! Es wird Euch ein tiefer Blick in die innerste Werkstaͤtte der Poesie gegoͤnnt. Von der Art wie die Fantasie des Spinosa, so ist auch sein Gefuͤhl. Nicht Reizbarkeit fuͤr dieses und jenes, nicht Leidenschaft die schwillt und wieder sinket; aber ein klarer Duft schwebt unsichtbar sichtbar uͤber dem Ganzen, uͤberall findet die ewige Sehnsucht einen Anklang aus </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0108]
herabgestuͤrzt. Jn das heilige Dunkel der Fantasie ist er zuruͤckgewichen, da lebt und haust er nun mit den andern Titanen in ehrwuͤrdiger Verbannung. Haltet ihn hier! Jm Gesang der Musen verschmelze seine Erinnrung an die alte Herrschaft in eine leise Sehnsucht. Er entkleide sich vom kriegerischen Schmuck des Systems, und theile dann die Wohnung im Tempel der neuen Poesie mit Homer und Dante und geselle sich zu den Laren und Hausfreunden jedes Gottbegeisterten Dichters.
Jn der That, ich begreife kaum, wie man ein Dichter seyn kann, ohne den Spinosa zu verehren, zu lieben und ganz der seinige zu werden. Jn Erfindung des Einzelnen ist Eure eigne Fantasie reich genug; sie anzuregen, zur Thaͤtigkeit zu reizen und ihr Nahrung zu geben, nichts geschickter als die Dichtungen andrer Kuͤnstler. Jm Spinosa aber findet Jhr den Anfang und das Ende aller Fantasie, den allgemeinen Grund und Boden, auf dem Euer Einzelnes ruht und eben diese Absonderung des Urspruͤnglichen, Ewigen der Fantasie von allem Einzelnen und Besondern muß Euch sehr willkommen seyn. Ergreift die Gelegenheit und schaut hin! Es wird Euch ein tiefer Blick in die innerste Werkstaͤtte der Poesie gegoͤnnt. Von der Art wie die Fantasie des Spinosa, so ist auch sein Gefuͤhl. Nicht Reizbarkeit fuͤr dieses und jenes, nicht Leidenschaft die schwillt und wieder sinket; aber ein klarer Duft schwebt unsichtbar sichtbar uͤber dem Ganzen, uͤberall findet die ewige Sehnsucht einen Anklang aus
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