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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Louise. Es ist mir lieb, wenn ich bey Gelegenheit ein Stückchen Kunstgeschichte erfahre. Sie sollen zum Dank eine angenehme Ermahnung zur Buße in drey Kapiteln hören.

"Welch ein anmuthsvolles Bild ist die Magdalena der katholischen Sage, zu der die Schrift nur wenige Züge angiebt! So jugendliche Sünde, so liebliche Reue, und die sich in vielfachen Schattirungen ausdrücken läßt. Jch sehe da drey Magdalenen, und in jeder eine besondre Geschichte. Diese von Franceschini hat das leidenschaftlichste Gemüth, und wohl manches Vergehen gegen sich selber zu büßen, aber man sieht es doch dem holden Gesicht an, daß sie nichts damit gewollt hat als Lebeu und Glück. Sie ist ermattet von der ersten Bewegung über die Predigt des Heilandes, die sie endlich einmal in der fröhlichen Welt zum Nachdenken gebracht hat. So mag sie nach Hause gekommen seyn, ihre Dienerinnen ihr entgegen, vielleicht mit neuem Schmuck und Bothschaften, die sie alle von sich weist, und sich in heißen Thränen auf einen Sessel wirft. Die Frauen haben sich um sie hergestellt, und sind ganz mit ihr beschäftigt. Sie hat das reiche Gewand schon gelöset und ablegen wollen: es bedeckt nur noch die untere Hälfte des Körpers. Perlen und Kleinodien, die sie abgerissen hat, liegen zu ihren Füßen. Sie wendet sich mit dem Kopf hinauf, nach der älteren Freundinn, die neben ihrem Sessel steht und ihr zuredet. Jhre Augen blicken diese flehend an, ihr Mund spricht: kannst du mir nicht helfen aus diesem Labyrinth? weißt du nicht, was ich

Louise. Es ist mir lieb, wenn ich bey Gelegenheit ein Stuͤckchen Kunstgeschichte erfahre. Sie sollen zum Dank eine angenehme Ermahnung zur Buße in drey Kapiteln hoͤren.

“Welch ein anmuthsvolles Bild ist die Magdalena der katholischen Sage, zu der die Schrift nur wenige Zuͤge angiebt! So jugendliche Suͤnde, so liebliche Reue, und die sich in vielfachen Schattirungen ausdruͤcken laͤßt. Jch sehe da drey Magdalenen, und in jeder eine besondre Geschichte. Diese von Franceschini hat das leidenschaftlichste Gemuͤth, und wohl manches Vergehen gegen sich selber zu buͤßen, aber man sieht es doch dem holden Gesicht an, daß sie nichts damit gewollt hat als Lebeu und Gluͤck. Sie ist ermattet von der ersten Bewegung uͤber die Predigt des Heilandes, die sie endlich einmal in der froͤhlichen Welt zum Nachdenken gebracht hat. So mag sie nach Hause gekommen seyn, ihre Dienerinnen ihr entgegen, vielleicht mit neuem Schmuck und Bothschaften, die sie alle von sich weist, und sich in heißen Thraͤnen auf einen Sessel wirft. Die Frauen haben sich um sie hergestellt, und sind ganz mit ihr beschaͤftigt. Sie hat das reiche Gewand schon geloͤset und ablegen wollen: es bedeckt nur noch die untere Haͤlfte des Koͤrpers. Perlen und Kleinodien, die sie abgerissen hat, liegen zu ihren Fuͤßen. Sie wendet sich mit dem Kopf hinauf, nach der aͤlteren Freundinn, die neben ihrem Sessel steht und ihr zuredet. Jhre Augen blicken diese flehend an, ihr Mund spricht: kannst du mir nicht helfen aus diesem Labyrinth? weißt du nicht, was ich

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[88/0096] Louise. Es ist mir lieb, wenn ich bey Gelegenheit ein Stuͤckchen Kunstgeschichte erfahre. Sie sollen zum Dank eine angenehme Ermahnung zur Buße in drey Kapiteln hoͤren. “Welch ein anmuthsvolles Bild ist die Magdalena der katholischen Sage, zu der die Schrift nur wenige Zuͤge angiebt! So jugendliche Suͤnde, so liebliche Reue, und die sich in vielfachen Schattirungen ausdruͤcken laͤßt. Jch sehe da drey Magdalenen, und in jeder eine besondre Geschichte. Diese von Franceschini hat das leidenschaftlichste Gemuͤth, und wohl manches Vergehen gegen sich selber zu buͤßen, aber man sieht es doch dem holden Gesicht an, daß sie nichts damit gewollt hat als Lebeu und Gluͤck. Sie ist ermattet von der ersten Bewegung uͤber die Predigt des Heilandes, die sie endlich einmal in der froͤhlichen Welt zum Nachdenken gebracht hat. So mag sie nach Hause gekommen seyn, ihre Dienerinnen ihr entgegen, vielleicht mit neuem Schmuck und Bothschaften, die sie alle von sich weist, und sich in heißen Thraͤnen auf einen Sessel wirft. Die Frauen haben sich um sie hergestellt, und sind ganz mit ihr beschaͤftigt. Sie hat das reiche Gewand schon geloͤset und ablegen wollen: es bedeckt nur noch die untere Haͤlfte des Koͤrpers. Perlen und Kleinodien, die sie abgerissen hat, liegen zu ihren Fuͤßen. Sie wendet sich mit dem Kopf hinauf, nach der aͤlteren Freundinn, die neben ihrem Sessel steht und ihr zuredet. Jhre Augen blicken diese flehend an, ihr Mund spricht: kannst du mir nicht helfen aus diesem Labyrinth? weißt du nicht, was ich

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/96>, abgerufen am 23.11.2024.