Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.I. Ueber die Philosophie.
An Dorothea. Was ich Dir von Spinosa erzählte, hast Du nicht ohne Religion angehört; Hemsterhuys hat Dir viel Freude gemacht; und sogar die Uebersetzungen haben Dich vom Plato nicht abschrecken können, den Du wahrscheinlich etwas anbeten würdest, wenn Du ihn ganz kenntest. Auch bist Du gesonnen, "Dich nicht bloß mit Deiner Naturphilosophie zu begnügen, sondern Du willst, so der heilige Geist Dir beysteht, es zu ganz etwas Ordentlichem bringen." Jch freue mich, daß es Dir so Ernst ist. Wie sollte es auch anders seyn? Eitle Neugier ist Dein Hang zur Philosophie gewiß nicht: denn wer das Rechte weiß, weil er es besitzt in seinem Jnnern, der hascht nicht bloß nach diesem und jenem, dem ists nicht bloß darum zu thun, nur allerley zu wissen, was die Mode eben stempelt oder die Laune wählt. Warum solltest Du Dich also nicht diesem Hange überlassen? I. Ueber die Philosophie.
An Dorothea. Was ich Dir von Spinosa erzaͤhlte, hast Du nicht ohne Religion angehoͤrt; Hemsterhuys hat Dir viel Freude gemacht; und sogar die Uebersetzungen haben Dich vom Plato nicht abschrecken koͤnnen, den Du wahrscheinlich etwas anbeten wuͤrdest, wenn Du ihn ganz kenntest. Auch bist Du gesonnen, “Dich nicht bloß mit Deiner Naturphilosophie zu begnuͤgen, sondern Du willst, so der heilige Geist Dir beysteht, es zu ganz etwas Ordentlichem bringen.” Jch freue mich, daß es Dir so Ernst ist. Wie sollte es auch anders seyn? Eitle Neugier ist Dein Hang zur Philosophie gewiß nicht: denn wer das Rechte weiß, weil er es besitzt in seinem Jnnern, der hascht nicht bloß nach diesem und jenem, dem ists nicht bloß darum zu thun, nur allerley zu wissen, was die Mode eben stempelt oder die Laune waͤhlt. Warum solltest Du Dich also nicht diesem Hange uͤberlassen? <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009" n="[1]"/> <div n="1"> <div n="2"> <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Ueber die Philosophie</hi>.</hi><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#g">An Dorothea</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Was ich Dir von Spinosa erzaͤhlte, hast Du nicht ohne Religion angehoͤrt; Hemsterhuys hat Dir viel Freude gemacht; und sogar die Uebersetzungen haben Dich vom Plato nicht abschrecken koͤnnen, den Du wahrscheinlich etwas anbeten wuͤrdest, wenn Du ihn ganz kenntest. Auch bist Du gesonnen, “Dich nicht bloß mit Deiner Naturphilosophie zu begnuͤgen, sondern Du willst, so der heilige Geist Dir beysteht, es zu ganz etwas Ordentlichem bringen.”</p><lb/> <p>Jch freue mich, daß es Dir so Ernst ist. Wie sollte es auch anders seyn? Eitle Neugier ist Dein Hang zur Philosophie gewiß nicht: denn wer das Rechte weiß, weil er es besitzt in seinem Jnnern, der hascht nicht bloß nach diesem und jenem, dem ists nicht bloß darum zu thun, nur allerley zu wissen, was die Mode eben stempelt oder die Laune waͤhlt. Warum solltest Du Dich also nicht diesem Hange uͤberlassen? </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[1]/0009]
I. Ueber die Philosophie.
An Dorothea.
Was ich Dir von Spinosa erzaͤhlte, hast Du nicht ohne Religion angehoͤrt; Hemsterhuys hat Dir viel Freude gemacht; und sogar die Uebersetzungen haben Dich vom Plato nicht abschrecken koͤnnen, den Du wahrscheinlich etwas anbeten wuͤrdest, wenn Du ihn ganz kenntest. Auch bist Du gesonnen, “Dich nicht bloß mit Deiner Naturphilosophie zu begnuͤgen, sondern Du willst, so der heilige Geist Dir beysteht, es zu ganz etwas Ordentlichem bringen.”
Jch freue mich, daß es Dir so Ernst ist. Wie sollte es auch anders seyn? Eitle Neugier ist Dein Hang zur Philosophie gewiß nicht: denn wer das Rechte weiß, weil er es besitzt in seinem Jnnern, der hascht nicht bloß nach diesem und jenem, dem ists nicht bloß darum zu thun, nur allerley zu wissen, was die Mode eben stempelt oder die Laune waͤhlt. Warum solltest Du Dich also nicht diesem Hange uͤberlassen?
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/9>, abgerufen am 16.02.2025. |