Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Reinhold. Sie thun alles auf eine so artige Weise, daß man Jhnen nichts verbieten kann. Wenn Jhre Bemerkungen nur nicht als ein eigentliches Urtheil gelten sollen. Waller. Das trockene Urtheilen wollen wir gern den Kunstverständigen überlassen. Allein wir werden doch das Recht haben, Eindrücke mitzutheilen, die unser eignes Werk sind? Reinhold. Eignes Werk? wie so? sie wären also willkührlich? Waller. Selbstthätigkeit ist noch wesentlich von Willkühr unterschieden. Eine Wirksamkeit kann nach der gegebenen Anregung nothwendig und doch unser eigen seyn. Daraus, daß die Eindrücke eines Kunstwerkes bey verschiednen Personen an Reichthum und Tiefe und Zartheit so erstaunlich weit von einander abstehen, leuchtet es ein, wie viel auf das ankommt, was der Betrachter mit hinzubringt. Reinhold. Jhre philosophischen Sätze verstehe ich nicht zu prüfen. Aber das weiß ich gewiß: der Eindruck ist nur ein Schatte von dem Gemählde oder der Statue; und wie unvollkommen bezeichnen wieder Worte den Eindruck! Das Rechte kann man gar nicht nennen. Waller. Die Sprache vermag, wie Sie es nehmen wollen, alles oder nichts. Reinhold. Ja, die Sprache pfuschert an allen Dingen herum: sie ist wie ein Mensch, der sich dafür ausgiebt, von allem Bescheid zu wissen und darüber oberflächlich wird. Reinhold. Sie thun alles auf eine so artige Weise, daß man Jhnen nichts verbieten kann. Wenn Jhre Bemerkungen nur nicht als ein eigentliches Urtheil gelten sollen. Waller. Das trockene Urtheilen wollen wir gern den Kunstverstaͤndigen uͤberlassen. Allein wir werden doch das Recht haben, Eindruͤcke mitzutheilen, die unser eignes Werk sind? Reinhold. Eignes Werk? wie so? sie waͤren also willkuͤhrlich? Waller. Selbstthaͤtigkeit ist noch wesentlich von Willkuͤhr unterschieden. Eine Wirksamkeit kann nach der gegebenen Anregung nothwendig und doch unser eigen seyn. Daraus, daß die Eindruͤcke eines Kunstwerkes bey verschiednen Personen an Reichthum und Tiefe und Zartheit so erstaunlich weit von einander abstehen, leuchtet es ein, wie viel auf das ankommt, was der Betrachter mit hinzubringt. Reinhold. Jhre philosophischen Saͤtze verstehe ich nicht zu pruͤfen. Aber das weiß ich gewiß: der Eindruck ist nur ein Schatte von dem Gemaͤhlde oder der Statue; und wie unvollkommen bezeichnen wieder Worte den Eindruck! Das Rechte kann man gar nicht nennen. Waller. Die Sprache vermag, wie Sie es nehmen wollen, alles oder nichts. Reinhold. Ja, die Sprache pfuschert an allen Dingen herum: sie ist wie ein Mensch, der sich dafuͤr ausgiebt, von allem Bescheid zu wissen und daruͤber oberflaͤchlich wird. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0055" n="47"/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Sie thun alles auf eine so artige Weise, daß man Jhnen nichts verbieten kann. Wenn Jhre Bemerkungen nur nicht als ein eigentliches Urtheil gelten sollen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Das trockene Urtheilen wollen wir gern den Kunstverstaͤndigen uͤberlassen. Allein wir werden doch das Recht haben, Eindruͤcke mitzutheilen, die unser eignes Werk sind?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Eignes Werk? wie so? sie waͤren also willkuͤhrlich?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Selbstthaͤtigkeit ist noch wesentlich von Willkuͤhr unterschieden. Eine Wirksamkeit kann nach der gegebenen Anregung nothwendig und doch unser eigen seyn. Daraus, daß die Eindruͤcke eines Kunstwerkes bey verschiednen Personen an Reichthum und Tiefe und Zartheit so erstaunlich weit von einander abstehen, leuchtet es ein, wie viel auf das ankommt, was der Betrachter mit hinzubringt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Jhre philosophischen Saͤtze verstehe ich nicht zu pruͤfen. Aber das weiß ich gewiß: der Eindruck ist nur ein Schatte von dem Gemaͤhlde oder der Statue; und wie unvollkommen bezeichnen wieder Worte den Eindruck! Das Rechte kann man gar nicht nennen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>. Die Sprache vermag, wie Sie es nehmen wollen, alles oder nichts.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Reinhold</hi>. Ja, die Sprache pfuschert an allen Dingen herum: sie ist wie ein Mensch, der sich dafuͤr ausgiebt, von allem Bescheid zu wissen und daruͤber oberflaͤchlich wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0055]
Reinhold. Sie thun alles auf eine so artige Weise, daß man Jhnen nichts verbieten kann. Wenn Jhre Bemerkungen nur nicht als ein eigentliches Urtheil gelten sollen.
Waller. Das trockene Urtheilen wollen wir gern den Kunstverstaͤndigen uͤberlassen. Allein wir werden doch das Recht haben, Eindruͤcke mitzutheilen, die unser eignes Werk sind?
Reinhold. Eignes Werk? wie so? sie waͤren also willkuͤhrlich?
Waller. Selbstthaͤtigkeit ist noch wesentlich von Willkuͤhr unterschieden. Eine Wirksamkeit kann nach der gegebenen Anregung nothwendig und doch unser eigen seyn. Daraus, daß die Eindruͤcke eines Kunstwerkes bey verschiednen Personen an Reichthum und Tiefe und Zartheit so erstaunlich weit von einander abstehen, leuchtet es ein, wie viel auf das ankommt, was der Betrachter mit hinzubringt.
Reinhold. Jhre philosophischen Saͤtze verstehe ich nicht zu pruͤfen. Aber das weiß ich gewiß: der Eindruck ist nur ein Schatte von dem Gemaͤhlde oder der Statue; und wie unvollkommen bezeichnen wieder Worte den Eindruck! Das Rechte kann man gar nicht nennen.
Waller. Die Sprache vermag, wie Sie es nehmen wollen, alles oder nichts.
Reinhold. Ja, die Sprache pfuschert an allen Dingen herum: sie ist wie ein Mensch, der sich dafuͤr ausgiebt, von allem Bescheid zu wissen und daruͤber oberflaͤchlich wird.
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