Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

abzulassen, um etwa durch leichthin gestreute Saat eine bald verzehrte Frucht zu erndten. Ein Theil seines unsterblichen Werkes war geschrieben, und nun fand sich kein Buchhändler, der einen hinlänglichen Preis geboten hätte, um ihm bey der Fortsetzung Unterhalt zu schaffen. Vor zwanzig Jahren wurde es freylich noch dem jungen Schriftsteller schwerer gemacht, indessen ist die Frage, ob es ihm nicht jetzt mit seiner Geschichte eben so hätte gehn können, da nichts als eine ungewohnte, ja unverstandne Vortrefflichkeit sie empfiehlt. -- Dazu kam nun noch die Pfahlbürgerey kleinrepublikanischer Censoren, und der tröstliche Rath guter Freunde, wovon einer die Deutsche Sprache ve warf und das Werk Französisch wünschte, ein andrer (Bonnet, der ihm auf jede Weise viel gelten mußte) seine Schreibart viel zu trocken und schmucklos fand. Er hatte wirklich Charakter nöthig, um sein Talent nicht einzubüßen.

Man sieht hier die entscheidende Wirkung, welche die Bekanntschaft mit den Alten auf ihn machte, und wie sie seiner verwandten Natur das Siegel der Erkenntniß aufdrückte. Sie trafen bey ihm nicht auf Empfänglichkeit des Geistes allein, sondern auf ein liebendes Herz. Die in diesen Briefen athmende Freundschaft ist ein Beweis davon: sie ist im antiken Styl wie seine Werke. Wer kann zweifeln, daß sie ihn ganz durchdrungen hat, daß sie sein Trost und gleichsam die Nahrung des Bedürftigen war? Jn dieser wie in jeder andern Beziehung, die aus den Briefen hervorgeht, erscheint er mit einer originalen und naiven Liebenswürdigkeit, und die kleinsten seiner Aeußerungen, seiner

abzulassen, um etwa durch leichthin gestreute Saat eine bald verzehrte Frucht zu erndten. Ein Theil seines unsterblichen Werkes war geschrieben, und nun fand sich kein Buchhaͤndler, der einen hinlaͤnglichen Preis geboten haͤtte, um ihm bey der Fortsetzung Unterhalt zu schaffen. Vor zwanzig Jahren wurde es freylich noch dem jungen Schriftsteller schwerer gemacht, indessen ist die Frage, ob es ihm nicht jetzt mit seiner Geschichte eben so haͤtte gehn koͤnnen, da nichts als eine ungewohnte, ja unverstandne Vortrefflichkeit sie empfiehlt. — Dazu kam nun noch die Pfahlbuͤrgerey kleinrepublikanischer Censoren, und der troͤstliche Rath guter Freunde, wovon einer die Deutsche Sprache ve warf und das Werk Franzoͤsisch wuͤnschte, ein andrer (Bonnet, der ihm auf jede Weise viel gelten mußte) seine Schreibart viel zu trocken und schmucklos fand. Er hatte wirklich Charakter noͤthig, um sein Talent nicht einzubuͤßen.

Man sieht hier die entscheidende Wirkung, welche die Bekanntschaft mit den Alten auf ihn machte, und wie sie seiner verwandten Natur das Siegel der Erkenntniß aufdruͤckte. Sie trafen bey ihm nicht auf Empfaͤnglichkeit des Geistes allein, sondern auf ein liebendes Herz. Die in diesen Briefen athmende Freundschaft ist ein Beweis davon: sie ist im antiken Styl wie seine Werke. Wer kann zweifeln, daß sie ihn ganz durchdrungen hat, daß sie sein Trost und gleichsam die Nahrung des Beduͤrftigen war? Jn dieser wie in jeder andern Beziehung, die aus den Briefen hervorgeht, erscheint er mit einer originalen und naiven Liebenswuͤrdigkeit, und die kleinsten seiner Aeußerungen, seiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0325" n="315"/>
abzulassen, um etwa durch leichthin gestreute Saat eine bald verzehrte Frucht zu erndten. Ein Theil seines unsterblichen Werkes war geschrieben, und nun fand sich kein Buchha&#x0364;ndler, der einen hinla&#x0364;nglichen Preis geboten ha&#x0364;tte, um ihm bey der Fortsetzung Unterhalt zu schaffen. Vor zwanzig Jahren wurde es freylich noch dem jungen Schriftsteller schwerer gemacht, indessen ist die Frage, ob es ihm nicht jetzt mit seiner Geschichte eben so ha&#x0364;tte gehn ko&#x0364;nnen, da nichts als eine ungewohnte, ja unverstandne Vortrefflichkeit sie empfiehlt. &#x2014; Dazu kam nun noch die Pfahlbu&#x0364;rgerey kleinrepublikanischer Censoren, und der tro&#x0364;stliche Rath guter Freunde, wovon einer die Deutsche Sprache ve warf und das Werk Franzo&#x0364;sisch wu&#x0364;nschte, ein andrer (Bonnet, der ihm auf jede Weise viel gelten mußte) seine Schreibart viel zu trocken und schmucklos fand. Er hatte wirklich Charakter no&#x0364;thig, um sein Talent nicht einzubu&#x0364;ßen.</p><lb/>
          <p>Man sieht hier die entscheidende Wirkung, welche die Bekanntschaft mit den Alten auf ihn machte, und wie sie seiner verwandten Natur das Siegel der Erkenntniß aufdru&#x0364;ckte. Sie trafen bey ihm nicht auf Empfa&#x0364;nglichkeit des Geistes allein, sondern auf ein liebendes Herz. Die in diesen Briefen athmende Freundschaft ist ein Beweis davon: sie ist im antiken Styl wie seine Werke. Wer kann zweifeln, daß sie ihn ganz durchdrungen hat, daß sie sein Trost und gleichsam die Nahrung des Bedu&#x0364;rftigen war? Jn dieser wie in jeder andern Beziehung, die aus den Briefen hervorgeht, erscheint er mit einer originalen und naiven Liebenswu&#x0364;rdigkeit, und die kleinsten seiner Aeußerungen, seiner
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[315/0325] abzulassen, um etwa durch leichthin gestreute Saat eine bald verzehrte Frucht zu erndten. Ein Theil seines unsterblichen Werkes war geschrieben, und nun fand sich kein Buchhaͤndler, der einen hinlaͤnglichen Preis geboten haͤtte, um ihm bey der Fortsetzung Unterhalt zu schaffen. Vor zwanzig Jahren wurde es freylich noch dem jungen Schriftsteller schwerer gemacht, indessen ist die Frage, ob es ihm nicht jetzt mit seiner Geschichte eben so haͤtte gehn koͤnnen, da nichts als eine ungewohnte, ja unverstandne Vortrefflichkeit sie empfiehlt. — Dazu kam nun noch die Pfahlbuͤrgerey kleinrepublikanischer Censoren, und der troͤstliche Rath guter Freunde, wovon einer die Deutsche Sprache ve warf und das Werk Franzoͤsisch wuͤnschte, ein andrer (Bonnet, der ihm auf jede Weise viel gelten mußte) seine Schreibart viel zu trocken und schmucklos fand. Er hatte wirklich Charakter noͤthig, um sein Talent nicht einzubuͤßen. Man sieht hier die entscheidende Wirkung, welche die Bekanntschaft mit den Alten auf ihn machte, und wie sie seiner verwandten Natur das Siegel der Erkenntniß aufdruͤckte. Sie trafen bey ihm nicht auf Empfaͤnglichkeit des Geistes allein, sondern auf ein liebendes Herz. Die in diesen Briefen athmende Freundschaft ist ein Beweis davon: sie ist im antiken Styl wie seine Werke. Wer kann zweifeln, daß sie ihn ganz durchdrungen hat, daß sie sein Trost und gleichsam die Nahrung des Beduͤrftigen war? Jn dieser wie in jeder andern Beziehung, die aus den Briefen hervorgeht, erscheint er mit einer originalen und naiven Liebenswuͤrdigkeit, und die kleinsten seiner Aeußerungen, seiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/325
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/325>, abgerufen am 25.11.2024.