Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.des würdigen Mannes Meinung hat seyn können. Der in Kants Denkart gegründete und hier ganz eigentlich aufgestellte Gegensatz zwischen physiologischer und pragmatischer Anthropologie, macht nemlich beide unmöglich. Es liegen dieser Eintheilung allerdings zwei richtige Gegensätze zum Grunde, der: alle Willkühr im Menschen ist Natur, und der: alle Natur im Menschen ist Willkühr; aber Anthropologie soll eben die Vereinigung beider seyn, und kann nicht anders als durch sie existiren; physiologische und pragmatische ist Eins und dasselbe, nur in verschiedener Richtung. Die ehemalige Psychologie, von der jetzt Gott sey Dank nicht mehr die Rede ist, abstrahirte von dem letzten dieser beiden Sätze, und konnte deshalb auf die Frage nicht antworten, wie es denn möglich sey, über das Gemüth zu reflektiren, wenn in dieser Reflexion keine Freiheit und also keine Bürgschaft für die Wahrheit derselben vorhanden sey. Kant will von dem ersteren hinwegsehen, weil bekanntlich das Jch bei ihm keine Natur hat, und so entsteht die Frage, woher denn die "Wahrnehmungen über das, was einem Gemüthsvermögen hinderlich oder förderlich ist", herkommen und wie sie zu seiner Erweiterung benutzt werden sollen, wenn es keine physische Betrachtungs- und Behandlungsart derselben giebt, nach der Jdee, daß alle Willkühr zugleich Natur ist. Um dies recht auffallend zu machen, steht Alles, was von solchen Wahrnehmungen hier zu finden ist, ganz einzeln und dürftig da, fast absichtlich, damit man ja nichts von einer solchen Jdee argwöhnen möge, aller Darstellung und alles Zusammenhanges, nicht nur innerlich und unter des wuͤrdigen Mannes Meinung hat seyn koͤnnen. Der in Kants Denkart gegruͤndete und hier ganz eigentlich aufgestellte Gegensatz zwischen physiologischer und pragmatischer Anthropologie, macht nemlich beide unmoͤglich. Es liegen dieser Eintheilung allerdings zwei richtige Gegensaͤtze zum Grunde, der: alle Willkuͤhr im Menschen ist Natur, und der: alle Natur im Menschen ist Willkuͤhr; aber Anthropologie soll eben die Vereinigung beider seyn, und kann nicht anders als durch sie existiren; physiologische und pragmatische ist Eins und dasselbe, nur in verschiedener Richtung. Die ehemalige Psychologie, von der jetzt Gott sey Dank nicht mehr die Rede ist, abstrahirte von dem letzten dieser beiden Saͤtze, und konnte deshalb auf die Frage nicht antworten, wie es denn moͤglich sey, uͤber das Gemuͤth zu reflektiren, wenn in dieser Reflexion keine Freiheit und also keine Buͤrgschaft fuͤr die Wahrheit derselben vorhanden sey. Kant will von dem ersteren hinwegsehen, weil bekanntlich das Jch bei ihm keine Natur hat, und so entsteht die Frage, woher denn die “Wahrnehmungen uͤber das, was einem Gemuͤthsvermoͤgen hinderlich oder foͤrderlich ist”, herkommen und wie sie zu seiner Erweiterung benutzt werden sollen, wenn es keine physische Betrachtungs- und Behandlungsart derselben giebt, nach der Jdee, daß alle Willkuͤhr zugleich Natur ist. Um dies recht auffallend zu machen, steht Alles, was von solchen Wahrnehmungen hier zu finden ist, ganz einzeln und duͤrftig da, fast absichtlich, damit man ja nichts von einer solchen Jdee argwoͤhnen moͤge, aller Darstellung und alles Zusammenhanges, nicht nur innerlich und unter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0312" n="302"/> des wuͤrdigen Mannes Meinung hat seyn koͤnnen. Der in Kants Denkart gegruͤndete und hier ganz eigentlich aufgestellte Gegensatz zwischen physiologischer und pragmatischer Anthropologie, macht nemlich beide unmoͤglich. Es liegen dieser Eintheilung allerdings zwei richtige Gegensaͤtze zum Grunde, der: alle Willkuͤhr im Menschen ist Natur, und der: alle Natur im Menschen ist Willkuͤhr; aber Anthropologie soll eben die Vereinigung beider seyn, und kann nicht anders als durch sie existiren; physiologische und pragmatische ist Eins und dasselbe, nur in verschiedener Richtung. Die ehemalige Psychologie, von der jetzt Gott sey Dank nicht mehr die Rede ist, abstrahirte von dem letzten dieser beiden Saͤtze, und konnte deshalb auf die Frage nicht antworten, wie es denn moͤglich sey, uͤber das Gemuͤth zu reflektiren, wenn in dieser Reflexion keine Freiheit und also keine Buͤrgschaft fuͤr die Wahrheit derselben vorhanden sey. Kant will von dem ersteren hinwegsehen, weil bekanntlich das Jch bei ihm keine Natur hat, und so entsteht die Frage, woher denn die “Wahrnehmungen uͤber das, was einem Gemuͤthsvermoͤgen hinderlich oder foͤrderlich ist”, herkommen und wie sie zu seiner Erweiterung benutzt werden sollen, wenn es keine physische Betrachtungs- und Behandlungsart derselben giebt, nach der Jdee, daß alle Willkuͤhr zugleich Natur ist. Um dies recht auffallend zu machen, steht Alles, was von solchen Wahrnehmungen hier zu finden ist, ganz einzeln und duͤrftig da, fast absichtlich, damit man ja nichts von einer solchen Jdee argwoͤhnen moͤge, aller Darstellung und alles Zusammenhanges, nicht nur innerlich und unter </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [302/0312]
des wuͤrdigen Mannes Meinung hat seyn koͤnnen. Der in Kants Denkart gegruͤndete und hier ganz eigentlich aufgestellte Gegensatz zwischen physiologischer und pragmatischer Anthropologie, macht nemlich beide unmoͤglich. Es liegen dieser Eintheilung allerdings zwei richtige Gegensaͤtze zum Grunde, der: alle Willkuͤhr im Menschen ist Natur, und der: alle Natur im Menschen ist Willkuͤhr; aber Anthropologie soll eben die Vereinigung beider seyn, und kann nicht anders als durch sie existiren; physiologische und pragmatische ist Eins und dasselbe, nur in verschiedener Richtung. Die ehemalige Psychologie, von der jetzt Gott sey Dank nicht mehr die Rede ist, abstrahirte von dem letzten dieser beiden Saͤtze, und konnte deshalb auf die Frage nicht antworten, wie es denn moͤglich sey, uͤber das Gemuͤth zu reflektiren, wenn in dieser Reflexion keine Freiheit und also keine Buͤrgschaft fuͤr die Wahrheit derselben vorhanden sey. Kant will von dem ersteren hinwegsehen, weil bekanntlich das Jch bei ihm keine Natur hat, und so entsteht die Frage, woher denn die “Wahrnehmungen uͤber das, was einem Gemuͤthsvermoͤgen hinderlich oder foͤrderlich ist”, herkommen und wie sie zu seiner Erweiterung benutzt werden sollen, wenn es keine physische Betrachtungs- und Behandlungsart derselben giebt, nach der Jdee, daß alle Willkuͤhr zugleich Natur ist. Um dies recht auffallend zu machen, steht Alles, was von solchen Wahrnehmungen hier zu finden ist, ganz einzeln und duͤrftig da, fast absichtlich, damit man ja nichts von einer solchen Jdee argwoͤhnen moͤge, aller Darstellung und alles Zusammenhanges, nicht nur innerlich und unter
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