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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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poesie, die wo möglich bis zur Universaltät gedeihen soll, macht die Fortschritte im treuen Nachbilden von Gedichten möglich. Jch glaube man ist auf dem Wege, die wahre poetische Uebersetzungskunst zu erfinden; dieser Ruhm war den Deutschen vorbehalten. Es ist seit kurzem hierin so viel und mancherley geschehen, daß vielleicht schon Beyspiele genug vorhanden sind, um an ihnen nach der Verschiedenheit der möglichen Aufgaben das richtige Verfahren auf Grundsätze zurückzuführen; und ich will Jhnen nur gestehen, ich gehe mit einem solchen Versuche um. Freylich wäre mit der bloßen Theorie wenig geholfen, wenn man nicht die Kunst selber besitzt, ich arbeite daher, mir diese zu erwerben, und Sie müssen den überschickten Gesang als eines meiner vielen Studien dazu betrachten. Meine Absicht ist, alles in seiner Form und Eigenthümlichkeit poetisch übersetzen zu können, es mag Namen haben wie es will: antikes und modernes, klassische Kunstwerke und nazionale Naturprodukte. Jch stehe Jhnen nicht dafür, daß ich nicht in Jhr Castilianisches Gehege komme, ja ich möchte Gelegenheit haben, die Samskrit und andere orientalische Sprachen lebendig zu erlernen, um den Hauch und Ton ihrer Gesänge wo möglich zu erhaschen. Der Entschluß wäre heroisch zu nennen, wenn er willkührlich wäre: aber leider kann ich meines Nächsten Poesie nicht ansehen, ohne ihrer zu begehren in meinem Herzen, und bin also in einem beständigen poetischen Ehebruche begriffen.

Was mich nur verdrießt, ist, daß man bey Anerkennung unserer Fortschritte in diesem Fache unsrer vortrefflichen Sprache alles Verdienst davon zueignen will.

poesie, die wo moͤglich bis zur Universaltaͤt gedeihen soll, macht die Fortschritte im treuen Nachbilden von Gedichten moͤglich. Jch glaube man ist auf dem Wege, die wahre poetische Uebersetzungskunst zu erfinden; dieser Ruhm war den Deutschen vorbehalten. Es ist seit kurzem hierin so viel und mancherley geschehen, daß vielleicht schon Beyspiele genug vorhanden sind, um an ihnen nach der Verschiedenheit der moͤglichen Aufgaben das richtige Verfahren auf Grundsaͤtze zuruͤckzufuͤhren; und ich will Jhnen nur gestehen, ich gehe mit einem solchen Versuche um. Freylich waͤre mit der bloßen Theorie wenig geholfen, wenn man nicht die Kunst selber besitzt, ich arbeite daher, mir diese zu erwerben, und Sie muͤssen den uͤberschickten Gesang als eines meiner vielen Studien dazu betrachten. Meine Absicht ist, alles in seiner Form und Eigenthuͤmlichkeit poetisch uͤbersetzen zu koͤnnen, es mag Namen haben wie es will: antikes und modernes, klassische Kunstwerke und nazionale Naturprodukte. Jch stehe Jhnen nicht dafuͤr, daß ich nicht in Jhr Castilianisches Gehege komme, ja ich moͤchte Gelegenheit haben, die Samskrit und andere orientalische Sprachen lebendig zu erlernen, um den Hauch und Ton ihrer Gesaͤnge wo moͤglich zu erhaschen. Der Entschluß waͤre heroisch zu nennen, wenn er willkuͤhrlich waͤre: aber leider kann ich meines Naͤchsten Poesie nicht ansehen, ohne ihrer zu begehren in meinem Herzen, und bin also in einem bestaͤndigen poetischen Ehebruche begriffen.

Was mich nur verdrießt, ist, daß man bey Anerkennung unserer Fortschritte in diesem Fache unsrer vortrefflichen Sprache alles Verdienst davon zueignen will.

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[281/0291] poesie, die wo moͤglich bis zur Universaltaͤt gedeihen soll, macht die Fortschritte im treuen Nachbilden von Gedichten moͤglich. Jch glaube man ist auf dem Wege, die wahre poetische Uebersetzungskunst zu erfinden; dieser Ruhm war den Deutschen vorbehalten. Es ist seit kurzem hierin so viel und mancherley geschehen, daß vielleicht schon Beyspiele genug vorhanden sind, um an ihnen nach der Verschiedenheit der moͤglichen Aufgaben das richtige Verfahren auf Grundsaͤtze zuruͤckzufuͤhren; und ich will Jhnen nur gestehen, ich gehe mit einem solchen Versuche um. Freylich waͤre mit der bloßen Theorie wenig geholfen, wenn man nicht die Kunst selber besitzt, ich arbeite daher, mir diese zu erwerben, und Sie muͤssen den uͤberschickten Gesang als eines meiner vielen Studien dazu betrachten. Meine Absicht ist, alles in seiner Form und Eigenthuͤmlichkeit poetisch uͤbersetzen zu koͤnnen, es mag Namen haben wie es will: antikes und modernes, klassische Kunstwerke und nazionale Naturprodukte. Jch stehe Jhnen nicht dafuͤr, daß ich nicht in Jhr Castilianisches Gehege komme, ja ich moͤchte Gelegenheit haben, die Samskrit und andere orientalische Sprachen lebendig zu erlernen, um den Hauch und Ton ihrer Gesaͤnge wo moͤglich zu erhaschen. Der Entschluß waͤre heroisch zu nennen, wenn er willkuͤhrlich waͤre: aber leider kann ich meines Naͤchsten Poesie nicht ansehen, ohne ihrer zu begehren in meinem Herzen, und bin also in einem bestaͤndigen poetischen Ehebruche begriffen. Was mich nur verdrießt, ist, daß man bey Anerkennung unserer Fortschritte in diesem Fache unsrer vortrefflichen Sprache alles Verdienst davon zueignen will.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/291>, abgerufen am 25.11.2024.