Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.wo Rinaldo und Ferrau sich trennen, ins Stecken zu gerathen pflegen, weil ihnen die Muse des Romanzo, wie die fliehende Angelica, zu behende voraus ist. Lassen Sie mich doch Jhr Urtheil wissen, auch über die metrische Behandlung. Jn ottave rime, und zwar in wirklichen, nicht in solchen, die man nur so zu nennen beliebt, muß der Ariost übersetzt werden oder gar nicht, von dieser Bedingung kann, glaube ich, kein Ablaß Statt finden. Dieß Sylbenmaß, dessen Schwierigkeiten vor nicht gar langer Zeit in unsrer Sprache für unüberwindlich gehalten oder ausgegeben wurden, ist nun schon häufig bearbeitet, ja das schwerste versifizirt sich so leicht, wenn man mit Phrasen zufrieden seyn will, daß eigentlich eine Ueberschwemmung davon zu fürchten ist, die Leerheit mancher Gedichte hat auch den Wohlklang der Stanzen zu einem angenehmen Gedudel herabgesetzt. Die Jtaliänische Oktave hat durch den Wellengang der Verse und die Verflößung der anfangenden und schließenden Vokale der Wörter in einander an Mannichfaltigkeit unstreitig viel vor der unsrigen voraus. Jch glaubte daher mich nicht auf die üblich gewordene Form der letzten (nämlich daß von den verschlungnen dreifachen Reimen die weiblichen vorangehen und die männlichen folgen, und daß die Schlußreime weiblich sind) einschränken zu dürfen, sondern habe mir in Ansehung des Gebrauchs und der Anordnung der männlichen und weiblichen Reime gar keine Regel vorgeschrieben, bald diese bald jene vorangesetzt, auch mit männlichen geschlossen, und dann wieder ganze Strophen mit weiblichen Endungen gemacht. Die Hauptsache ist, daß wo Rinaldo und Ferrau sich trennen, ins Stecken zu gerathen pflegen, weil ihnen die Muse des Romanzo, wie die fliehende Angelica, zu behende voraus ist. Lassen Sie mich doch Jhr Urtheil wissen, auch uͤber die metrische Behandlung. Jn ottave rime, und zwar in wirklichen, nicht in solchen, die man nur so zu nennen beliebt, muß der Ariost uͤbersetzt werden oder gar nicht, von dieser Bedingung kann, glaube ich, kein Ablaß Statt finden. Dieß Sylbenmaß, dessen Schwierigkeiten vor nicht gar langer Zeit in unsrer Sprache fuͤr unuͤberwindlich gehalten oder ausgegeben wurden, ist nun schon haͤufig bearbeitet, ja das schwerste versifizirt sich so leicht, wenn man mit Phrasen zufrieden seyn will, daß eigentlich eine Ueberschwemmung davon zu fuͤrchten ist, die Leerheit mancher Gedichte hat auch den Wohlklang der Stanzen zu einem angenehmen Gedudel herabgesetzt. Die Jtaliaͤnische Oktave hat durch den Wellengang der Verse und die Verfloͤßung der anfangenden und schließenden Vokale der Woͤrter in einander an Mannichfaltigkeit unstreitig viel vor der unsrigen voraus. Jch glaubte daher mich nicht auf die uͤblich gewordene Form der letzten (naͤmlich daß von den verschlungnen dreifachen Reimen die weiblichen vorangehen und die maͤnnlichen folgen, und daß die Schlußreime weiblich sind) einschraͤnken zu duͤrfen, sondern habe mir in Ansehung des Gebrauchs und der Anordnung der maͤnnlichen und weiblichen Reime gar keine Regel vorgeschrieben, bald diese bald jene vorangesetzt, auch mit maͤnnlichen geschlossen, und dann wieder ganze Strophen mit weiblichen Endungen gemacht. Die Hauptsache ist, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0288" n="278"/> wo Rinaldo und Ferrau sich trennen, ins Stecken zu gerathen pflegen, weil ihnen die Muse des Romanzo, wie die fliehende Angelica, zu behende voraus ist.</p><lb/> <p>Lassen Sie mich doch Jhr Urtheil wissen, auch uͤber die metrische Behandlung. 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Jch glaubte daher mich nicht auf die uͤblich gewordene Form der letzten (naͤmlich daß von den verschlungnen dreifachen Reimen die weiblichen vorangehen und die maͤnnlichen folgen, und daß die Schlußreime weiblich sind) einschraͤnken zu duͤrfen, sondern habe mir in Ansehung des Gebrauchs und der Anordnung der maͤnnlichen und weiblichen Reime gar keine Regel vorgeschrieben, bald diese bald jene vorangesetzt, auch mit maͤnnlichen geschlossen, und dann wieder ganze Strophen mit weiblichen Endungen gemacht. Die Hauptsache ist, daß </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [278/0288]
wo Rinaldo und Ferrau sich trennen, ins Stecken zu gerathen pflegen, weil ihnen die Muse des Romanzo, wie die fliehende Angelica, zu behende voraus ist.
Lassen Sie mich doch Jhr Urtheil wissen, auch uͤber die metrische Behandlung. Jn ottave rime, und zwar in wirklichen, nicht in solchen, die man nur so zu nennen beliebt, muß der Ariost uͤbersetzt werden oder gar nicht, von dieser Bedingung kann, glaube ich, kein Ablaß Statt finden. Dieß Sylbenmaß, dessen Schwierigkeiten vor nicht gar langer Zeit in unsrer Sprache fuͤr unuͤberwindlich gehalten oder ausgegeben wurden, ist nun schon haͤufig bearbeitet, ja das schwerste versifizirt sich so leicht, wenn man mit Phrasen zufrieden seyn will, daß eigentlich eine Ueberschwemmung davon zu fuͤrchten ist, die Leerheit mancher Gedichte hat auch den Wohlklang der Stanzen zu einem angenehmen Gedudel herabgesetzt. Die Jtaliaͤnische Oktave hat durch den Wellengang der Verse und die Verfloͤßung der anfangenden und schließenden Vokale der Woͤrter in einander an Mannichfaltigkeit unstreitig viel vor der unsrigen voraus. Jch glaubte daher mich nicht auf die uͤblich gewordene Form der letzten (naͤmlich daß von den verschlungnen dreifachen Reimen die weiblichen vorangehen und die maͤnnlichen folgen, und daß die Schlußreime weiblich sind) einschraͤnken zu duͤrfen, sondern habe mir in Ansehung des Gebrauchs und der Anordnung der maͤnnlichen und weiblichen Reime gar keine Regel vorgeschrieben, bald diese bald jene vorangesetzt, auch mit maͤnnlichen geschlossen, und dann wieder ganze Strophen mit weiblichen Endungen gemacht. Die Hauptsache ist, daß
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/288>, abgerufen am 16.07.2024. |