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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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6.
Da sie ihn, wie gesagt, am Finger schaut,
Jst sie so voll von Staunen und Vergnügen,
Daß sie der Hand, dem Auge kaum vertraut,
Und sorgt, daß eitle Träume sie betrügen.
Sie zieht ihn ab, nimmt leis' und ohne Laut
Jhn in den Mund, und schnell, wie Blitze fliegen,
Jst sie den Augen Rüdigers versteckt,
So wie die Sonne, wenn sie Nebel deckt.
7.
Nach allen Seiten sieht sich Rüd'ger um,
Und macht im Kreise, wie ein Toller, Sprünge.
Allein er bleibt vor Scham und Aerger stumm,
Sobald ihm etwas einfällt von dem Ringe,
Flucht dann auf sich, und schilt sich blind und dumm,
Daß er gefallen sey in diese Schlinge.
Er klagt der Schönen schwarzen Undank an,
Die ihm, zum Lohn der Rettung, dieß gethan.
8.
O undankbares Mädchen! konnt' ich glauben,
So sagt er, daß ich dieß verdient um dich?
Was willst du doch den Ring mir lieber rauben,
Als zum Geschenk von mir ihn haben? Sprich!
Gern will ich alles deinem Wunsch erlauben,
Nimm meinen Schild, mein Flügelroß, und mich.
Nur daß du mir dein holdes Antliz zeigest!
Jch weiß, du hörst, Grausame, und du schweigest.
6.
Da sie ihn, wie gesagt, am Finger schaut,
Jst sie so voll von Staunen und Vergnuͤgen,
Daß sie der Hand, dem Auge kaum vertraut,
Und sorgt, daß eitle Traͤume sie betruͤgen.
Sie zieht ihn ab, nimmt leis' und ohne Laut
Jhn in den Mund, und schnell, wie Blitze fliegen,
Jst sie den Augen Ruͤdigers versteckt,
So wie die Sonne, wenn sie Nebel deckt.
7.
Nach allen Seiten sieht sich Ruͤd'ger um,
Und macht im Kreise, wie ein Toller, Spruͤnge.
Allein er bleibt vor Scham und Aerger stumm,
Sobald ihm etwas einfaͤllt von dem Ringe,
Flucht dann auf sich, und schilt sich blind und dumm,
Daß er gefallen sey in diese Schlinge.
Er klagt der Schoͤnen schwarzen Undank an,
Die ihm, zum Lohn der Rettung, dieß gethan.
8.
O undankbares Maͤdchen! konnt' ich glauben,
So sagt er, daß ich dieß verdient um dich?
Was willst du doch den Ring mir lieber rauben,
Als zum Geschenk von mir ihn haben? Sprich!
Gern will ich alles deinem Wunsch erlauben,
Nimm meinen Schild, mein Fluͤgelroß, und mich.
Nur daß du mir dein holdes Antliz zeigest!
Jch weiß, du hoͤrst, Grausame, und du schweigest.
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[251/0261] 6. Da sie ihn, wie gesagt, am Finger schaut, Jst sie so voll von Staunen und Vergnuͤgen, Daß sie der Hand, dem Auge kaum vertraut, Und sorgt, daß eitle Traͤume sie betruͤgen. Sie zieht ihn ab, nimmt leis' und ohne Laut Jhn in den Mund, und schnell, wie Blitze fliegen, Jst sie den Augen Ruͤdigers versteckt, So wie die Sonne, wenn sie Nebel deckt. 7. Nach allen Seiten sieht sich Ruͤd'ger um, Und macht im Kreise, wie ein Toller, Spruͤnge. Allein er bleibt vor Scham und Aerger stumm, Sobald ihm etwas einfaͤllt von dem Ringe, Flucht dann auf sich, und schilt sich blind und dumm, Daß er gefallen sey in diese Schlinge. Er klagt der Schoͤnen schwarzen Undank an, Die ihm, zum Lohn der Rettung, dieß gethan. 8. O undankbares Maͤdchen! konnt' ich glauben, So sagt er, daß ich dieß verdient um dich? Was willst du doch den Ring mir lieber rauben, Als zum Geschenk von mir ihn haben? Sprich! Gern will ich alles deinem Wunsch erlauben, Nimm meinen Schild, mein Fluͤgelroß, und mich. Nur daß du mir dein holdes Antliz zeigest! Jch weiß, du hoͤrst, Grausame, und du schweigest.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/261>, abgerufen am 16.07.2024.