Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

zwar beym Aeschylus: warum müssen es aber grade Schmetterlingsflügel seyn? Vielleicht um eigentliche große Fittige zu vermeiden? Die Ankunft des Ocean auf dem Greif nimmt sich so schön und würdig aus, daß man nicht fragt, ob die Absicht des Dichters genau befolgt ist, bey dem das Thier ein vierfüßiger schnellgeflügelter Vogel heißt. Hier ist es als ein Bewohner der See mit Flossen gebildet, die Klauen an den Tatzen, wovon die eine zum Fortschreiten durch die Luft gehoben, die andre mächtig niedergedrückt ist, sind durch eine Schwimmhaut verbunden, der Hals biegt sich schwanenartig, der Kopf hat Aehnlichkeit mit dem eines Pferdes. Der Ocean sitzt nachläßig gelehnt auf seinem Rücken, nach Art der Flußgötter, in der Linken das an der Schulter ruhende Ruder, die Füße sind durch den gewundnen Schweif des Thieres gesteckt. -- Es ist eine von Flaxmans gewöhnlichen Feinheiten, daß die Gottheiten im Tempel zu Argos, wohin sich die Danaiden geflüchtet, im älteren Styl der Skulptur mit steif geordneten Locken und Flechten abgebildet sind. An den Danaiden als Aegyptierinnen ist durch Physiognomie und Tracht, durch die eckigen Zierrathen und Streifen der Zeuge, durch wunderlich gekräußte oder ganz schlichte Haare, wovon ein starker Streif hinter dem Ohr hinunter vor die Schulter fällt, das Ausländische und Barbarische sehr gut ausgedrückt. Zwar konnte dieß dem Zeichner nicht entgehen: der Dichter hat einen solchen Nachdruck darauf gelegt, daß es ihm vielmehr zum Verdienst anzurechnen ist, wenn er nicht übertrieb. Der König Pelasgus sagt zu den Danaiden, da sie

zwar beym Aeschylus: warum muͤssen es aber grade Schmetterlingsfluͤgel seyn? Vielleicht um eigentliche große Fittige zu vermeiden? Die Ankunft des Ocean auf dem Greif nimmt sich so schoͤn und wuͤrdig aus, daß man nicht fragt, ob die Absicht des Dichters genau befolgt ist, bey dem das Thier ein vierfuͤßiger schnellgefluͤgelter Vogel heißt. Hier ist es als ein Bewohner der See mit Flossen gebildet, die Klauen an den Tatzen, wovon die eine zum Fortschreiten durch die Luft gehoben, die andre maͤchtig niedergedruͤckt ist, sind durch eine Schwimmhaut verbunden, der Hals biegt sich schwanenartig, der Kopf hat Aehnlichkeit mit dem eines Pferdes. Der Ocean sitzt nachlaͤßig gelehnt auf seinem Ruͤcken, nach Art der Flußgoͤtter, in der Linken das an der Schulter ruhende Ruder, die Fuͤße sind durch den gewundnen Schweif des Thieres gesteckt. — Es ist eine von Flaxmans gewoͤhnlichen Feinheiten, daß die Gottheiten im Tempel zu Argos, wohin sich die Danaiden gefluͤchtet, im aͤlteren Styl der Skulptur mit steif geordneten Locken und Flechten abgebildet sind. An den Danaiden als Aegyptierinnen ist durch Physiognomie und Tracht, durch die eckigen Zierrathen und Streifen der Zeuge, durch wunderlich gekraͤußte oder ganz schlichte Haare, wovon ein starker Streif hinter dem Ohr hinunter vor die Schulter faͤllt, das Auslaͤndische und Barbarische sehr gut ausgedruͤckt. Zwar konnte dieß dem Zeichner nicht entgehen: der Dichter hat einen solchen Nachdruck darauf gelegt, daß es ihm vielmehr zum Verdienst anzurechnen ist, wenn er nicht uͤbertrieb. Der Koͤnig Pelasgus sagt zu den Danaiden, da sie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="242"/>
zwar beym Aeschylus: warum mu&#x0364;ssen es aber grade Schmetterlingsflu&#x0364;gel seyn? Vielleicht um eigentliche große Fittige zu vermeiden? Die Ankunft des Ocean auf dem Greif nimmt sich so scho&#x0364;n und wu&#x0364;rdig aus, daß man nicht fragt, ob die Absicht des Dichters genau befolgt ist, bey dem das Thier ein vierfu&#x0364;ßiger schnellgeflu&#x0364;gelter Vogel heißt. Hier ist es als ein Bewohner der See mit Flossen gebildet, die Klauen an den Tatzen, wovon die eine zum Fortschreiten durch die Luft gehoben, die andre ma&#x0364;chtig niedergedru&#x0364;ckt ist, sind durch eine Schwimmhaut verbunden, der Hals biegt sich schwanenartig, der Kopf hat Aehnlichkeit mit dem eines Pferdes. Der Ocean sitzt nachla&#x0364;ßig gelehnt auf seinem Ru&#x0364;cken, nach Art der Flußgo&#x0364;tter, in der Linken das an der Schulter ruhende Ruder, die Fu&#x0364;ße sind durch den gewundnen Schweif des Thieres gesteckt. &#x2014; Es ist eine von Flaxmans gewo&#x0364;hnlichen Feinheiten, daß die Gottheiten im Tempel zu Argos, wohin sich die Danaiden geflu&#x0364;chtet, im a&#x0364;lteren Styl der Skulptur mit steif geordneten Locken und Flechten abgebildet sind. An den Danaiden als Aegyptierinnen ist durch Physiognomie und Tracht, durch die eckigen Zierrathen und Streifen der Zeuge, durch wunderlich gekra&#x0364;ußte oder ganz schlichte Haare, wovon ein starker Streif hinter dem Ohr hinunter vor die Schulter fa&#x0364;llt, das Ausla&#x0364;ndische und Barbarische sehr gut ausgedru&#x0364;ckt. Zwar konnte dieß dem Zeichner nicht entgehen: der Dichter hat einen solchen Nachdruck darauf gelegt, daß es ihm vielmehr zum Verdienst anzurechnen ist, wenn er nicht u&#x0364;bertrieb. Der Ko&#x0364;nig Pelasgus sagt zu den Danaiden, da sie
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0252] zwar beym Aeschylus: warum muͤssen es aber grade Schmetterlingsfluͤgel seyn? Vielleicht um eigentliche große Fittige zu vermeiden? Die Ankunft des Ocean auf dem Greif nimmt sich so schoͤn und wuͤrdig aus, daß man nicht fragt, ob die Absicht des Dichters genau befolgt ist, bey dem das Thier ein vierfuͤßiger schnellgefluͤgelter Vogel heißt. Hier ist es als ein Bewohner der See mit Flossen gebildet, die Klauen an den Tatzen, wovon die eine zum Fortschreiten durch die Luft gehoben, die andre maͤchtig niedergedruͤckt ist, sind durch eine Schwimmhaut verbunden, der Hals biegt sich schwanenartig, der Kopf hat Aehnlichkeit mit dem eines Pferdes. Der Ocean sitzt nachlaͤßig gelehnt auf seinem Ruͤcken, nach Art der Flußgoͤtter, in der Linken das an der Schulter ruhende Ruder, die Fuͤße sind durch den gewundnen Schweif des Thieres gesteckt. — Es ist eine von Flaxmans gewoͤhnlichen Feinheiten, daß die Gottheiten im Tempel zu Argos, wohin sich die Danaiden gefluͤchtet, im aͤlteren Styl der Skulptur mit steif geordneten Locken und Flechten abgebildet sind. An den Danaiden als Aegyptierinnen ist durch Physiognomie und Tracht, durch die eckigen Zierrathen und Streifen der Zeuge, durch wunderlich gekraͤußte oder ganz schlichte Haare, wovon ein starker Streif hinter dem Ohr hinunter vor die Schulter faͤllt, das Auslaͤndische und Barbarische sehr gut ausgedruͤckt. Zwar konnte dieß dem Zeichner nicht entgehen: der Dichter hat einen solchen Nachdruck darauf gelegt, daß es ihm vielmehr zum Verdienst anzurechnen ist, wenn er nicht uͤbertrieb. Der Koͤnig Pelasgus sagt zu den Danaiden, da sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/252
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/252>, abgerufen am 25.11.2024.