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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Worte bestimmt sich nach den Anschauungen, die man ihnen unterzulegen gewohnt ist; wir sind also in beständiger Gefahr, die Worte der griechischen Dichter, wenn wir sie grammatisch noch so genau verstehn, etwas ganz andres gelten zu lassen, als sie ihnen und ihren Hörern galten. Das einzige Mittel dagegen ist, unsre Fantasie auf den Flügeln der alten bildenden Kunst zu ihnen emporzuheben, und es ist des besten Dankes werth, wenn ein geistvoller neuerer Künstler uns hiezu hülfreiche Hand bietet. Aber wie? wird man einwenden: sind diese Abbildungen wahrhaft Homerisch? Mit so zierlicher Pracht, so üppig zartem Geschmack wären die Kleidungen, Waffen, Wagen und Pferdegeschirre, die Geräthschaften jeder Art bey den hauptumlockten Achäern und rossezähmenden Troern ausgearbeitet und verziert gewesen? Schlief Penelope auf einem solchen Bett, und erleuchtete sie ihr Gemach mit solchen Kandelabern? Und endlich: sind die Figuren nicht viel zu idealisch? Hat das Nackte der Körper nicht viel zu sehr die feine und doch kraftvolle Gewandtheit, welche die Hellenen sich erst lange nachher durch Gymnastik gaben, und paßt dieses zu der ungeheuern rohen Stärke der Kämpfer um Troja? -- Das ist keine Frage: wenn man zur Erläuterung die oben genannten Dinge und überhaupt die Produkte der mechanischen Künste, welche beym Homer vorkommen, so genau sichs nach der Beschreibung thun läßt, abbilden wollte, so würde es ganz anders ausfallen. Was aber die handelnden Heroen und Götter selbst betrifft, so wird uns wohl niemand sagen, wie sie im Kopfe Homers oder der Homerischen Sänger ausgesehen

Worte bestimmt sich nach den Anschauungen, die man ihnen unterzulegen gewohnt ist; wir sind also in bestaͤndiger Gefahr, die Worte der griechischen Dichter, wenn wir sie grammatisch noch so genau verstehn, etwas ganz andres gelten zu lassen, als sie ihnen und ihren Hoͤrern galten. Das einzige Mittel dagegen ist, unsre Fantasie auf den Fluͤgeln der alten bildenden Kunst zu ihnen emporzuheben, und es ist des besten Dankes werth, wenn ein geistvoller neuerer Kuͤnstler uns hiezu huͤlfreiche Hand bietet. Aber wie? wird man einwenden: sind diese Abbildungen wahrhaft Homerisch? Mit so zierlicher Pracht, so uͤppig zartem Geschmack waͤren die Kleidungen, Waffen, Wagen und Pferdegeschirre, die Geraͤthschaften jeder Art bey den hauptumlockten Achaͤern und rossezaͤhmenden Troern ausgearbeitet und verziert gewesen? Schlief Penelope auf einem solchen Bett, und erleuchtete sie ihr Gemach mit solchen Kandelabern? Und endlich: sind die Figuren nicht viel zu idealisch? Hat das Nackte der Koͤrper nicht viel zu sehr die feine und doch kraftvolle Gewandtheit, welche die Hellenen sich erst lange nachher durch Gymnastik gaben, und paßt dieses zu der ungeheuern rohen Staͤrke der Kaͤmpfer um Troja? — Das ist keine Frage: wenn man zur Erlaͤuterung die oben genannten Dinge und uͤberhaupt die Produkte der mechanischen Kuͤnste, welche beym Homer vorkommen, so genau sichs nach der Beschreibung thun laͤßt, abbilden wollte, so wuͤrde es ganz anders ausfallen. Was aber die handelnden Heroen und Goͤtter selbst betrifft, so wird uns wohl niemand sagen, wie sie im Kopfe Homers oder der Homerischen Saͤnger ausgesehen

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[230/0240] Worte bestimmt sich nach den Anschauungen, die man ihnen unterzulegen gewohnt ist; wir sind also in bestaͤndiger Gefahr, die Worte der griechischen Dichter, wenn wir sie grammatisch noch so genau verstehn, etwas ganz andres gelten zu lassen, als sie ihnen und ihren Hoͤrern galten. Das einzige Mittel dagegen ist, unsre Fantasie auf den Fluͤgeln der alten bildenden Kunst zu ihnen emporzuheben, und es ist des besten Dankes werth, wenn ein geistvoller neuerer Kuͤnstler uns hiezu huͤlfreiche Hand bietet. Aber wie? wird man einwenden: sind diese Abbildungen wahrhaft Homerisch? Mit so zierlicher Pracht, so uͤppig zartem Geschmack waͤren die Kleidungen, Waffen, Wagen und Pferdegeschirre, die Geraͤthschaften jeder Art bey den hauptumlockten Achaͤern und rossezaͤhmenden Troern ausgearbeitet und verziert gewesen? Schlief Penelope auf einem solchen Bett, und erleuchtete sie ihr Gemach mit solchen Kandelabern? Und endlich: sind die Figuren nicht viel zu idealisch? Hat das Nackte der Koͤrper nicht viel zu sehr die feine und doch kraftvolle Gewandtheit, welche die Hellenen sich erst lange nachher durch Gymnastik gaben, und paßt dieses zu der ungeheuern rohen Staͤrke der Kaͤmpfer um Troja? — Das ist keine Frage: wenn man zur Erlaͤuterung die oben genannten Dinge und uͤberhaupt die Produkte der mechanischen Kuͤnste, welche beym Homer vorkommen, so genau sichs nach der Beschreibung thun laͤßt, abbilden wollte, so wuͤrde es ganz anders ausfallen. Was aber die handelnden Heroen und Goͤtter selbst betrifft, so wird uns wohl niemand sagen, wie sie im Kopfe Homers oder der Homerischen Saͤnger ausgesehen

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/240>, abgerufen am 24.11.2024.