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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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bey fröhlichen Gelagen tranken, das Gefäß konnte nachher an dem Ringe hinter die Hand herumgeschwenkt werden, wie auf einigen Vasengemählden zu sehen ist.

Etwas weit höheres als antiquarische Belehrung gewähren indeß diese Komposizionen dem Betrachter, der ohne gelehrte Bekanntschaft mit den Alten in den Sinn ihrer Dichter eingeweiht zu werden wünscht, indem sie dieselben mit Bildern griechischer Sitte und Kunst umgeben. Selbst das geringste Nebenwerk bekommt in dieser Rücksicht einen ganz andern Werth. Der Mensch sucht überhaupt die Gegenstände, die er handhabt, nach sich zu bilden; er thut dieß um so mehr, je freyer und selbstthätiger er wirkt: wie alldurchathmend der Geist der Hellenischen Bildung war, davon lassen sich die Spuren bis in die geringsten Anticaglien hinein verfolgen, und die Ehrerbietung vor diesen Ueberbleibseln hat daher auch eine sehr ernste Seite. Es wäre ein sinnreicher Versuch, irgend ein antikes Geräth mit Verzierungen und Kunstabbildungen, einen Sarkophag, eine Vase, vorzunehmen, und in der Voraussetzung als ob nur dieß Eine Stück von einem Volke zeugte, dessen Andenken sonst gänzlich untergegangen wäre, zu sehn, wie weit sich die Schlüsse daraus auf den Grad und die Art der Kultur treiben ließen. Aber nicht bloß den Umgebungen des Menschen war dieß Gepräge aufgedrückt: auch im Charakter der Formen und des Ausdrucks, den uns die aufbewahrten Kunstwerke darstellen, erscheint die edle Nazionalität; denn wie sehr die Kunst wählen, erhöhen und umbilden mochte, so mußte sie doch den Boden derselben unter sich haben. -- Der Sinn der

bey froͤhlichen Gelagen tranken, das Gefaͤß konnte nachher an dem Ringe hinter die Hand herumgeschwenkt werden, wie auf einigen Vasengemaͤhlden zu sehen ist.

Etwas weit hoͤheres als antiquarische Belehrung gewaͤhren indeß diese Komposizionen dem Betrachter, der ohne gelehrte Bekanntschaft mit den Alten in den Sinn ihrer Dichter eingeweiht zu werden wuͤnscht, indem sie dieselben mit Bildern griechischer Sitte und Kunst umgeben. Selbst das geringste Nebenwerk bekommt in dieser Ruͤcksicht einen ganz andern Werth. Der Mensch sucht uͤberhaupt die Gegenstaͤnde, die er handhabt, nach sich zu bilden; er thut dieß um so mehr, je freyer und selbstthaͤtiger er wirkt: wie alldurchathmend der Geist der Hellenischen Bildung war, davon lassen sich die Spuren bis in die geringsten Anticaglien hinein verfolgen, und die Ehrerbietung vor diesen Ueberbleibseln hat daher auch eine sehr ernste Seite. Es waͤre ein sinnreicher Versuch, irgend ein antikes Geraͤth mit Verzierungen und Kunstabbildungen, einen Sarkophag, eine Vase, vorzunehmen, und in der Voraussetzung als ob nur dieß Eine Stuͤck von einem Volke zeugte, dessen Andenken sonst gaͤnzlich untergegangen waͤre, zu sehn, wie weit sich die Schluͤsse daraus auf den Grad und die Art der Kultur treiben ließen. Aber nicht bloß den Umgebungen des Menschen war dieß Gepraͤge aufgedruͤckt: auch im Charakter der Formen und des Ausdrucks, den uns die aufbewahrten Kunstwerke darstellen, erscheint die edle Nazionalitaͤt; denn wie sehr die Kunst waͤhlen, erhoͤhen und umbilden mochte, so mußte sie doch den Boden derselben unter sich haben. — Der Sinn der

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[229/0239] bey froͤhlichen Gelagen tranken, das Gefaͤß konnte nachher an dem Ringe hinter die Hand herumgeschwenkt werden, wie auf einigen Vasengemaͤhlden zu sehen ist. Etwas weit hoͤheres als antiquarische Belehrung gewaͤhren indeß diese Komposizionen dem Betrachter, der ohne gelehrte Bekanntschaft mit den Alten in den Sinn ihrer Dichter eingeweiht zu werden wuͤnscht, indem sie dieselben mit Bildern griechischer Sitte und Kunst umgeben. Selbst das geringste Nebenwerk bekommt in dieser Ruͤcksicht einen ganz andern Werth. Der Mensch sucht uͤberhaupt die Gegenstaͤnde, die er handhabt, nach sich zu bilden; er thut dieß um so mehr, je freyer und selbstthaͤtiger er wirkt: wie alldurchathmend der Geist der Hellenischen Bildung war, davon lassen sich die Spuren bis in die geringsten Anticaglien hinein verfolgen, und die Ehrerbietung vor diesen Ueberbleibseln hat daher auch eine sehr ernste Seite. Es waͤre ein sinnreicher Versuch, irgend ein antikes Geraͤth mit Verzierungen und Kunstabbildungen, einen Sarkophag, eine Vase, vorzunehmen, und in der Voraussetzung als ob nur dieß Eine Stuͤck von einem Volke zeugte, dessen Andenken sonst gaͤnzlich untergegangen waͤre, zu sehn, wie weit sich die Schluͤsse daraus auf den Grad und die Art der Kultur treiben ließen. Aber nicht bloß den Umgebungen des Menschen war dieß Gepraͤge aufgedruͤckt: auch im Charakter der Formen und des Ausdrucks, den uns die aufbewahrten Kunstwerke darstellen, erscheint die edle Nazionalitaͤt; denn wie sehr die Kunst waͤhlen, erhoͤhen und umbilden mochte, so mußte sie doch den Boden derselben unter sich haben. — Der Sinn der

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/239>, abgerufen am 24.11.2024.