Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.der Verdauung obliegen, um sie witzig zu finden. Jn Frankreich erzeugte zu Anfange der Revolution die damals noch herrschende Anglomanie ebenfalls Karikaturen; ich erinnere mich einiger, die von Seiten des Einfalls leicht die meisten Englischen aufwiegen mochten. Jch bin nicht unterrichtet, wie weit dieses Feld der politischen Betriebsamkeit seitdem angebaut worden, oder ob die große Republik auch von dieser Seite noch nicht liberal genug ist, um sich selbst zum Besten zu haben. Fast sollte man das letzte glauben, da ein Journal, das uns mit feuerfarbner Unpartheylichkeit berichtet, was in den beyden Hauptstädten Europa's vorgeht (mitunter auch, was dort geklatscht wird), meistens nur Londonsche Karikaturen auf Deutschen Boden verpflanzt und a la Hogarth kommentirt. Bey den Zeichnungen zu Dichtern sind die Engländer in den neuesten Zeiten aus der Hogarthschen psychologischen Gattung in das entgegengesetzte Aeußerste gegangen. Flache Manier ist überhaupt das Wesen ihrer modigen Kunst, und Effekt ihr Ziel. Weit entfernt, die Züge zu einem individuellen Charakter hundert Originalen in der Natur abzulauschen, haben viele Englische Mahler im Sinne und in der Hand nur ein einziges Gesicht, das bloß nach Maaßgabe des Alters und Geschlechts ein wenig modifizirt wird, oder auch wenn ein Tyrann vorkommt, der die Augenbrauen stark herunterziehen muß. Wie man versichert, ist die theatralische Darstellung Shakspeares in England jetzt sehr manierirt: aber die Kupferstich-Gallerie zum Shakspeare überagirt wirklich den Akteur. Es giebt auch Deutsche der Verdauung obliegen, um sie witzig zu finden. Jn Frankreich erzeugte zu Anfange der Revolution die damals noch herrschende Anglomanie ebenfalls Karikaturen; ich erinnere mich einiger, die von Seiten des Einfalls leicht die meisten Englischen aufwiegen mochten. Jch bin nicht unterrichtet, wie weit dieses Feld der politischen Betriebsamkeit seitdem angebaut worden, oder ob die große Republik auch von dieser Seite noch nicht liberal genug ist, um sich selbst zum Besten zu haben. Fast sollte man das letzte glauben, da ein Journal, das uns mit feuerfarbner Unpartheylichkeit berichtet, was in den beyden Hauptstaͤdten Europa's vorgeht (mitunter auch, was dort geklatscht wird), meistens nur Londonsche Karikaturen auf Deutschen Boden verpflanzt und a la Hogarth kommentirt. Bey den Zeichnungen zu Dichtern sind die Englaͤnder in den neuesten Zeiten aus der Hogarthschen psychologischen Gattung in das entgegengesetzte Aeußerste gegangen. Flache Manier ist uͤberhaupt das Wesen ihrer modigen Kunst, und Effekt ihr Ziel. Weit entfernt, die Zuͤge zu einem individuellen Charakter hundert Originalen in der Natur abzulauschen, haben viele Englische Mahler im Sinne und in der Hand nur ein einziges Gesicht, das bloß nach Maaßgabe des Alters und Geschlechts ein wenig modifizirt wird, oder auch wenn ein Tyrann vorkommt, der die Augenbrauen stark herunterziehen muß. Wie man versichert, ist die theatralische Darstellung Shakspeares in England jetzt sehr manierirt: aber die Kupferstich-Gallerie zum Shakspeare uͤberagirt wirklich den Akteur. Es giebt auch Deutsche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" n="198"/> der Verdauung obliegen, um sie witzig zu finden. Jn Frankreich erzeugte zu Anfange der Revolution die damals noch herrschende Anglomanie ebenfalls Karikaturen; ich erinnere mich einiger, die von Seiten des Einfalls leicht die meisten Englischen aufwiegen mochten. Jch bin nicht unterrichtet, wie weit dieses Feld der politischen Betriebsamkeit seitdem angebaut worden, oder ob die große Republik auch von dieser Seite noch nicht liberal genug ist, um sich selbst zum Besten zu haben. Fast sollte man das letzte glauben, da ein Journal, das uns mit feuerfarbner Unpartheylichkeit berichtet, was in den beyden Hauptstaͤdten Europa's vorgeht (mitunter auch, was dort geklatscht wird), meistens nur Londonsche Karikaturen auf Deutschen Boden verpflanzt und <hi rendition="#g">a la Hogarth</hi> kommentirt.</p><lb/> <p>Bey den Zeichnungen zu Dichtern sind die Englaͤnder in den neuesten Zeiten aus der Hogarthschen psychologischen Gattung in das entgegengesetzte Aeußerste gegangen. Flache Manier ist uͤberhaupt das Wesen ihrer modigen Kunst, und Effekt ihr Ziel. Weit entfernt, die Zuͤge zu einem individuellen Charakter hundert Originalen in der Natur abzulauschen, haben viele Englische Mahler im Sinne und in der Hand nur ein einziges Gesicht, das bloß nach Maaßgabe des Alters und Geschlechts ein wenig modifizirt wird, oder auch wenn ein Tyrann vorkommt, der die Augenbrauen stark herunterziehen muß. Wie man versichert, ist die theatralische Darstellung Shakspeares in England jetzt sehr manierirt: aber die Kupferstich-Gallerie zum Shakspeare uͤberagirt wirklich den Akteur. Es giebt auch Deutsche </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0208]
der Verdauung obliegen, um sie witzig zu finden. Jn Frankreich erzeugte zu Anfange der Revolution die damals noch herrschende Anglomanie ebenfalls Karikaturen; ich erinnere mich einiger, die von Seiten des Einfalls leicht die meisten Englischen aufwiegen mochten. Jch bin nicht unterrichtet, wie weit dieses Feld der politischen Betriebsamkeit seitdem angebaut worden, oder ob die große Republik auch von dieser Seite noch nicht liberal genug ist, um sich selbst zum Besten zu haben. Fast sollte man das letzte glauben, da ein Journal, das uns mit feuerfarbner Unpartheylichkeit berichtet, was in den beyden Hauptstaͤdten Europa's vorgeht (mitunter auch, was dort geklatscht wird), meistens nur Londonsche Karikaturen auf Deutschen Boden verpflanzt und a la Hogarth kommentirt.
Bey den Zeichnungen zu Dichtern sind die Englaͤnder in den neuesten Zeiten aus der Hogarthschen psychologischen Gattung in das entgegengesetzte Aeußerste gegangen. Flache Manier ist uͤberhaupt das Wesen ihrer modigen Kunst, und Effekt ihr Ziel. Weit entfernt, die Zuͤge zu einem individuellen Charakter hundert Originalen in der Natur abzulauschen, haben viele Englische Mahler im Sinne und in der Hand nur ein einziges Gesicht, das bloß nach Maaßgabe des Alters und Geschlechts ein wenig modifizirt wird, oder auch wenn ein Tyrann vorkommt, der die Augenbrauen stark herunterziehen muß. Wie man versichert, ist die theatralische Darstellung Shakspeares in England jetzt sehr manierirt: aber die Kupferstich-Gallerie zum Shakspeare uͤberagirt wirklich den Akteur. Es giebt auch Deutsche
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