Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.als bey den besten geschieht und alles was zu geschehen braucht. Wenn man aber jemand zum Menschen bilden will, das kömmt mir grade so vor, als wenn einer sagte, er gebe Stunden in der Gottähnlichkeit. Die Menschheit läßt sich nicht inoculiren, und die Tugend läßt sich nicht lehren und lernen, außer durch Freundschaft und Liebe mit tüchtigen und wahren Menschen und durch Umgang mit uns selbst, mit den Göttern in uns. Der eigne Sinn, die eigne Kraft und der eigne Wille eines Menschen ist das Menschlichste, das Ursprünglichste, das Heiligste in ihm. Ob er zu dieser oder jener Gattung gehöre, das ist unbedeutender und zufälliger; die Geschlechtsverschiedenheit ist nur eine Aeußerlichkeit des menschlichen Daseyns und am Ende doch nichts weiter als eine recht gute Einrichtung der Natur, die man freylich nicht willkührlich vertilgen oder verkehren, aber allerdings der Vernunft unterordnen, und nach ihren höhern Gesetzen bilden darf. Jn der That sind die Männlichkeit und die Weiblichkeit, so wie sie gewöhnlich genommen und getrieben werden, die gefährlichsten Hindernisse der Menschlichkeit, welche nach einer alten Sage in der Mitte einheimisch ist und doch nur ein harmonisches Ganzes seyn kann, welches keine Absonderung leidet. Die Welt scheint über diesen Punct in der That nicht anders zu denken wie die schlecht verheyrathete Sophie in den Mitschuldigen, welche sagt: "Es ist ein schlechter Mensch, allein es ist ein Mann." Nach eben demselben Maßstabe urtheilt man über den Werth der als bey den besten geschieht und alles was zu geschehen braucht. Wenn man aber jemand zum Menschen bilden will, das koͤmmt mir grade so vor, als wenn einer sagte, er gebe Stunden in der Gottaͤhnlichkeit. Die Menschheit laͤßt sich nicht inoculiren, und die Tugend laͤßt sich nicht lehren und lernen, außer durch Freundschaft und Liebe mit tuͤchtigen und wahren Menschen und durch Umgang mit uns selbst, mit den Goͤttern in uns. Der eigne Sinn, die eigne Kraft und der eigne Wille eines Menschen ist das Menschlichste, das Urspruͤnglichste, das Heiligste in ihm. Ob er zu dieser oder jener Gattung gehoͤre, das ist unbedeutender und zufaͤlliger; die Geschlechtsverschiedenheit ist nur eine Aeußerlichkeit des menschlichen Daseyns und am Ende doch nichts weiter als eine recht gute Einrichtung der Natur, die man freylich nicht willkuͤhrlich vertilgen oder verkehren, aber allerdings der Vernunft unterordnen, und nach ihren hoͤhern Gesetzen bilden darf. Jn der That sind die Maͤnnlichkeit und die Weiblichkeit, so wie sie gewoͤhnlich genommen und getrieben werden, die gefaͤhrlichsten Hindernisse der Menschlichkeit, welche nach einer alten Sage in der Mitte einheimisch ist und doch nur ein harmonisches Ganzes seyn kann, welches keine Absonderung leidet. Die Welt scheint uͤber diesen Punct in der That nicht anders zu denken wie die schlecht verheyrathete Sophie in den Mitschuldigen, welche sagt: “Es ist ein schlechter Mensch, allein es ist ein Mann.” Nach eben demselben Maßstabe urtheilt man uͤber den Werth der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0016" n="8"/> als bey den besten geschieht und alles was zu geschehen braucht. Wenn man aber jemand <hi rendition="#g">zum Menschen</hi> bilden will, das koͤmmt mir grade so vor, als wenn einer sagte, er gebe Stunden in der Gottaͤhnlichkeit. Die Menschheit laͤßt sich nicht inoculiren, und die Tugend laͤßt sich nicht lehren und lernen, außer durch Freundschaft und Liebe mit tuͤchtigen und wahren Menschen und durch Umgang mit uns selbst, mit den Goͤttern in uns.</p><lb/> <p>Der eigne Sinn, die eigne Kraft und der eigne Wille eines Menschen ist das Menschlichste, das Urspruͤnglichste, das Heiligste in ihm. Ob er zu dieser oder jener Gattung gehoͤre, das ist unbedeutender und zufaͤlliger; die Geschlechtsverschiedenheit ist nur eine Aeußerlichkeit des menschlichen Daseyns und am Ende doch nichts weiter als eine recht gute Einrichtung der Natur, die man freylich nicht willkuͤhrlich vertilgen oder verkehren, aber allerdings der Vernunft unterordnen, und nach ihren hoͤhern Gesetzen bilden darf. Jn der That sind die Maͤnnlichkeit und die Weiblichkeit, so wie sie gewoͤhnlich genommen und getrieben werden, die gefaͤhrlichsten Hindernisse der Menschlichkeit, welche nach einer alten Sage in der Mitte einheimisch ist und doch nur ein harmonisches Ganzes seyn kann, welches keine Absonderung leidet. Die Welt scheint uͤber diesen Punct in der That nicht anders zu denken wie die schlecht verheyrathete Sophie in den Mitschuldigen, welche sagt: “Es ist ein <hi rendition="#g">schlechter Mensch</hi>, allein es ist ein <hi rendition="#g">Mann</hi>.” Nach eben demselben Maßstabe urtheilt man uͤber den Werth der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0016]
als bey den besten geschieht und alles was zu geschehen braucht. Wenn man aber jemand zum Menschen bilden will, das koͤmmt mir grade so vor, als wenn einer sagte, er gebe Stunden in der Gottaͤhnlichkeit. Die Menschheit laͤßt sich nicht inoculiren, und die Tugend laͤßt sich nicht lehren und lernen, außer durch Freundschaft und Liebe mit tuͤchtigen und wahren Menschen und durch Umgang mit uns selbst, mit den Goͤttern in uns.
Der eigne Sinn, die eigne Kraft und der eigne Wille eines Menschen ist das Menschlichste, das Urspruͤnglichste, das Heiligste in ihm. Ob er zu dieser oder jener Gattung gehoͤre, das ist unbedeutender und zufaͤlliger; die Geschlechtsverschiedenheit ist nur eine Aeußerlichkeit des menschlichen Daseyns und am Ende doch nichts weiter als eine recht gute Einrichtung der Natur, die man freylich nicht willkuͤhrlich vertilgen oder verkehren, aber allerdings der Vernunft unterordnen, und nach ihren hoͤhern Gesetzen bilden darf. Jn der That sind die Maͤnnlichkeit und die Weiblichkeit, so wie sie gewoͤhnlich genommen und getrieben werden, die gefaͤhrlichsten Hindernisse der Menschlichkeit, welche nach einer alten Sage in der Mitte einheimisch ist und doch nur ein harmonisches Ganzes seyn kann, welches keine Absonderung leidet. Die Welt scheint uͤber diesen Punct in der That nicht anders zu denken wie die schlecht verheyrathete Sophie in den Mitschuldigen, welche sagt: “Es ist ein schlechter Mensch, allein es ist ein Mann.” Nach eben demselben Maßstabe urtheilt man uͤber den Werth der
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