Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Johannes in der Wüste. Ein starker Jüngling, kühn zur That und schnell, Entreißt Johannes sich bewohnten Stätten. Er liebt, in öde Klüfte sich zu betten, Die Hüften gürtet ihm ein rauhes Fell. Einfältig wird sein Sinn, sein Auge hell; Nichts niedres kann ihn an die Erde ketten Und sein Geschlecht vom Untergang zu retten, Sucht er in sich der Gottheit Lebensquell. Er sitzt am Felsen, dessen Born ihn tränket, Da steigt vor seiner Seel' empor ein Bild, Das er mit sel'gem Staunen überdenket. Es ist des Menschen Sohn, so groß als mild, Der ernste Seher hält sein Haupt gesenket: Ach, gegen Dich, wie bin ich streng' und wild! Mater dolorosa. Der Blutaltar, für Gottes Lamm bereitet, Hat sein geweihtes Opfer schon empfangen; Und reuevolle Brüder zu umfangen, Hält Christ am Kreuz die Arme ausgebreitet. Er sieht voll Huld, die ihn hinausbegleitet,
Der Treuen Schaar in namenlosem Bangen: Sie schaun auf ihn mit schmerzlichem Verlangen, Was noch sein Wink für Tröstung ihnen deutet. Johannes in der Wuͤste. Ein starker Juͤngling, kuͤhn zur That und schnell, Entreißt Johannes sich bewohnten Staͤtten. Er liebt, in oͤde Kluͤfte sich zu betten, Die Huͤften guͤrtet ihm ein rauhes Fell. Einfaͤltig wird sein Sinn, sein Auge hell; Nichts niedres kann ihn an die Erde ketten Und sein Geschlecht vom Untergang zu retten, Sucht er in sich der Gottheit Lebensquell. Er sitzt am Felsen, dessen Born ihn traͤnket, Da steigt vor seiner Seel' empor ein Bild, Das er mit sel'gem Staunen uͤberdenket. Es ist des Menschen Sohn, so groß als mild, Der ernste Seher haͤlt sein Haupt gesenket: Ach, gegen Dich, wie bin ich streng' und wild! Mater dolorosa. Der Blutaltar, fuͤr Gottes Lamm bereitet, Hat sein geweihtes Opfer schon empfangen; Und reuevolle Bruͤder zu umfangen, Haͤlt Christ am Kreuz die Arme ausgebreitet. Er sieht voll Huld, die ihn hinausbegleitet,
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Johannes in der Wuͤste.
Ein starker Juͤngling, kuͤhn zur That und schnell,
Entreißt Johannes sich bewohnten Staͤtten.
Er liebt, in oͤde Kluͤfte sich zu betten,
Die Huͤften guͤrtet ihm ein rauhes Fell.
Einfaͤltig wird sein Sinn, sein Auge hell;
Nichts niedres kann ihn an die Erde ketten
Und sein Geschlecht vom Untergang zu retten,
Sucht er in sich der Gottheit Lebensquell.
Er sitzt am Felsen, dessen Born ihn traͤnket,
Da steigt vor seiner Seel' empor ein Bild,
Das er mit sel'gem Staunen uͤberdenket.
Es ist des Menschen Sohn, so groß als mild,
Der ernste Seher haͤlt sein Haupt gesenket:
Ach, gegen Dich, wie bin ich streng' und wild!
Mater dolorosa.
Der Blutaltar, fuͤr Gottes Lamm bereitet,
Hat sein geweihtes Opfer schon empfangen;
Und reuevolle Bruͤder zu umfangen,
Haͤlt Christ am Kreuz die Arme ausgebreitet.
Er sieht voll Huld, die ihn hinausbegleitet,
Der Treuen Schaar in namenlosem Bangen:
Sie schaun auf ihn mit schmerzlichem Verlangen,
Was noch sein Wink fuͤr Troͤstung ihnen deutet.
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/148>, abgerufen am 15.08.2024. |