Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Die Poesie beweiset auf diesem Wege der Mahlerey ihre Dankbarkeit, und es würde sie selbst vielleicht nicht gereuen, wenn sie darauf fortginge. Louise. Sehen Sie, Reinhold! Die Verwandlung von Gemählden in Gedichte, wovon ich sagte. Lassen Sie uns doch hören, Waller. Waller. Ave Maria. Die Jungfrau ruht, nur Demuth ihr Geschmeide, Jm Abendschatten an der Hütte Thor. Sie weiß nicht, daß sie Gott zur Braut erkohr, Doch stilles Sinnen ist ihr Seelenweide. Da sieh! ein Jüngling tritt im lichten Kleide, Den Palmenzweig in seiner Hand, hervor. Voll süßen Schauers bebet sie empor, Denn seine Stirn ist Morgenroth der Freude. Gegrüßt, Maria! tönt sein holder Mund, Und thut das wundervolle Heil ihr kund Wie Kraft von oben her sie soll umwallen. Und sie, die Arm' auf ihre Brust gelegt, Wo sichs geheim und innig liebend regt, Spricht: Mir geschehe nach des Herrn Gefallen! Die Poesie beweiset auf diesem Wege der Mahlerey ihre Dankbarkeit, und es wuͤrde sie selbst vielleicht nicht gereuen, wenn sie darauf fortginge. Louise. Sehen Sie, Reinhold! Die Verwandlung von Gemaͤhlden in Gedichte, wovon ich sagte. Lassen Sie uns doch hoͤren, Waller. Waller. Ave Maria. Die Jungfrau ruht, nur Demuth ihr Geschmeide, Jm Abendschatten an der Huͤtte Thor. Sie weiß nicht, daß sie Gott zur Braut erkohr, Doch stilles Sinnen ist ihr Seelenweide. Da sieh! ein Juͤngling tritt im lichten Kleide, Den Palmenzweig in seiner Hand, hervor. Voll suͤßen Schauers bebet sie empor, Denn seine Stirn ist Morgenroth der Freude. Gegruͤßt, Maria! toͤnt sein holder Mund, Und thut das wundervolle Heil ihr kund Wie Kraft von oben her sie soll umwallen. Und sie, die Arm' auf ihre Brust gelegt, Wo sichs geheim und innig liebend regt, Spricht: Mir geschehe nach des Herrn Gefallen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0145" n="137"/> Die Poesie beweiset auf diesem Wege der Mahlerey ihre Dankbarkeit, und es wuͤrde sie selbst vielleicht nicht gereuen, wenn sie darauf fortginge.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Louise</hi>. Sehen Sie, Reinhold! Die Verwandlung von Gemaͤhlden in Gedichte, wovon ich sagte. Lassen Sie uns doch hoͤren, Waller.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Waller</hi>.</p><lb/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Ave Maria</hi>.</head><lb/> <lg n="1"> <l>Die Jungfrau ruht, nur Demuth ihr Geschmeide,</l><lb/> <l>Jm Abendschatten an der Huͤtte Thor.</l><lb/> <l>Sie weiß nicht, daß sie Gott zur Braut erkohr,</l><lb/> <l>Doch stilles Sinnen ist ihr Seelenweide.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Da sieh! ein Juͤngling tritt im lichten Kleide,</l><lb/> <l>Den Palmenzweig in seiner Hand, hervor.</l><lb/> <l>Voll suͤßen Schauers bebet sie empor,</l><lb/> <l>Denn seine Stirn ist Morgenroth der Freude.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Gegruͤßt, Maria! toͤnt sein holder Mund,</l><lb/> <l>Und thut das wundervolle Heil ihr kund</l><lb/> <l>Wie Kraft von oben her sie soll umwallen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und sie, die Arm' auf ihre Brust gelegt,</l><lb/> <l>Wo sichs geheim und innig liebend regt,</l><lb/> <l>Spricht: Mir geschehe nach des Herrn Gefallen!</l> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0145]
Die Poesie beweiset auf diesem Wege der Mahlerey ihre Dankbarkeit, und es wuͤrde sie selbst vielleicht nicht gereuen, wenn sie darauf fortginge.
Louise. Sehen Sie, Reinhold! Die Verwandlung von Gemaͤhlden in Gedichte, wovon ich sagte. Lassen Sie uns doch hoͤren, Waller.
Waller.
Ave Maria.
Die Jungfrau ruht, nur Demuth ihr Geschmeide,
Jm Abendschatten an der Huͤtte Thor.
Sie weiß nicht, daß sie Gott zur Braut erkohr,
Doch stilles Sinnen ist ihr Seelenweide.
Da sieh! ein Juͤngling tritt im lichten Kleide,
Den Palmenzweig in seiner Hand, hervor.
Voll suͤßen Schauers bebet sie empor,
Denn seine Stirn ist Morgenroth der Freude.
Gegruͤßt, Maria! toͤnt sein holder Mund,
Und thut das wundervolle Heil ihr kund
Wie Kraft von oben her sie soll umwallen.
Und sie, die Arm' auf ihre Brust gelegt,
Wo sichs geheim und innig liebend regt,
Spricht: Mir geschehe nach des Herrn Gefallen!
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/145>, abgerufen am 15.08.2024. |