Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.Kostum hier nichts weiter zugestehn, als daß er es beynahe so gut wie Paul Veronese beobachtet hat. Bey diesem ist alles modern, aber alles aus Einem Stücke; bey jenem ist alles antiquarisch, allein es paßt nicht zu einander. Mutter und Tochter sind der Kleidung nach ziemlich Griechisch, der Knecht ist ganz Griechisch, der Flußgott ist wahrlich weder Egyptisch noch Hebräisch, sondern Griechisch, und bei einer Geschichte, wo Jehovah's unmittelbare Vorsehung eintritt, noch obendrein erzheidnisch. Das Füllhorn ist auch Griechisch. Eigentlich ist es doch ein Glück, daß der Mahler auf halbem Wege stehen blieb, und zufrieden war, wenn eine alte Geschichte antik aussah. Ein andrer, der das Studium des Kostums (auf welches die Französischen Kunstrichter, die darin mit Poussin sympathisiren, eine so lächerliche Wichtigkeit legen) noch strenger verfolgte, könnte der Tochter Pharao's die Physiognomie einer Mumie geben. Soll aber einmal etwas fremdes sich eindrängen dürfen, so ist es wohl eben so erlaubt, eine biblische Geschichte im Venetianischen Dialekt zu erzählen, als die ganze Welt durch eine Griechische Brille zu sehen. Das Einheimische und Neue ist uns näher, lebendiger, lustiger; Paul mahlte frisch, was er sah und erlebte, Poussin schöpfte mühsam aus alten Denkmälern und Büchern. Jener hätte vielleicht seine fantastische Jovialität eingebüßt, wenn er die Kunst so ernst hätte treiben wollen; dieser konnte sich schwerlich über seine klassische Kälte erheben, wenn er sich auch geselliger ins Leben hineinwagte, und nicht mehr Kostum hier nichts weiter zugestehn, als daß er es beynahe so gut wie Paul Veronese beobachtet hat. Bey diesem ist alles modern, aber alles aus Einem Stuͤcke; bey jenem ist alles antiquarisch, allein es paßt nicht zu einander. Mutter und Tochter sind der Kleidung nach ziemlich Griechisch, der Knecht ist ganz Griechisch, der Flußgott ist wahrlich weder Egyptisch noch Hebraͤisch, sondern Griechisch, und bei einer Geschichte, wo Jehovah's unmittelbare Vorsehung eintritt, noch obendrein erzheidnisch. Das Fuͤllhorn ist auch Griechisch. Eigentlich ist es doch ein Gluͤck, daß der Mahler auf halbem Wege stehen blieb, und zufrieden war, wenn eine alte Geschichte antik aussah. Ein andrer, der das Studium des Kostums (auf welches die Franzoͤsischen Kunstrichter, die darin mit Poussin sympathisiren, eine so laͤcherliche Wichtigkeit legen) noch strenger verfolgte, koͤnnte der Tochter Pharao's die Physiognomie einer Mumie geben. Soll aber einmal etwas fremdes sich eindraͤngen duͤrfen, so ist es wohl eben so erlaubt, eine biblische Geschichte im Venetianischen Dialekt zu erzaͤhlen, als die ganze Welt durch eine Griechische Brille zu sehen. Das Einheimische und Neue ist uns naͤher, lebendiger, lustiger; Paul mahlte frisch, was er sah und erlebte, Poussin schoͤpfte muͤhsam aus alten Denkmaͤlern und Buͤchern. Jener haͤtte vielleicht seine fantastische Jovialitaͤt eingebuͤßt, wenn er die Kunst so ernst haͤtte treiben wollen; dieser konnte sich schwerlich uͤber seine klassische Kaͤlte erheben, wenn er sich auch geselliger ins Leben hineinwagte, und nicht mehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0127" n="119"/> Kostum hier nichts weiter zugestehn, als daß er es beynahe so gut wie Paul Veronese beobachtet hat. Bey diesem ist alles modern, aber alles aus Einem Stuͤcke; bey jenem ist alles antiquarisch, allein es paßt nicht zu einander. Mutter und Tochter sind der Kleidung nach ziemlich Griechisch, der Knecht ist ganz Griechisch, der Flußgott ist wahrlich weder Egyptisch noch Hebraͤisch, sondern Griechisch, und bei einer Geschichte, wo Jehovah's unmittelbare Vorsehung eintritt, noch obendrein erzheidnisch. Das Fuͤllhorn ist auch Griechisch. Eigentlich ist es doch ein Gluͤck, daß der Mahler auf halbem Wege stehen blieb, und zufrieden war, wenn eine alte Geschichte antik aussah. Ein andrer, der das Studium des Kostums (auf welches die Franzoͤsischen Kunstrichter, die darin mit Poussin sympathisiren, eine so laͤcherliche Wichtigkeit legen) noch strenger verfolgte, koͤnnte der Tochter Pharao's die Physiognomie einer Mumie geben. Soll aber einmal etwas fremdes sich eindraͤngen duͤrfen, so ist es wohl eben so erlaubt, eine biblische Geschichte im Venetianischen Dialekt zu erzaͤhlen, als die ganze Welt durch eine Griechische Brille zu sehen. Das Einheimische und Neue ist uns naͤher, lebendiger, lustiger; Paul mahlte frisch, was er sah und erlebte, Poussin schoͤpfte muͤhsam aus alten Denkmaͤlern und Buͤchern. Jener haͤtte vielleicht seine fantastische Jovialitaͤt eingebuͤßt, wenn er die Kunst so ernst haͤtte treiben wollen; dieser konnte sich schwerlich uͤber seine klassische Kaͤlte erheben, wenn er sich auch geselliger ins Leben hineinwagte, und nicht mehr </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0127]
Kostum hier nichts weiter zugestehn, als daß er es beynahe so gut wie Paul Veronese beobachtet hat. Bey diesem ist alles modern, aber alles aus Einem Stuͤcke; bey jenem ist alles antiquarisch, allein es paßt nicht zu einander. Mutter und Tochter sind der Kleidung nach ziemlich Griechisch, der Knecht ist ganz Griechisch, der Flußgott ist wahrlich weder Egyptisch noch Hebraͤisch, sondern Griechisch, und bei einer Geschichte, wo Jehovah's unmittelbare Vorsehung eintritt, noch obendrein erzheidnisch. Das Fuͤllhorn ist auch Griechisch. Eigentlich ist es doch ein Gluͤck, daß der Mahler auf halbem Wege stehen blieb, und zufrieden war, wenn eine alte Geschichte antik aussah. Ein andrer, der das Studium des Kostums (auf welches die Franzoͤsischen Kunstrichter, die darin mit Poussin sympathisiren, eine so laͤcherliche Wichtigkeit legen) noch strenger verfolgte, koͤnnte der Tochter Pharao's die Physiognomie einer Mumie geben. Soll aber einmal etwas fremdes sich eindraͤngen duͤrfen, so ist es wohl eben so erlaubt, eine biblische Geschichte im Venetianischen Dialekt zu erzaͤhlen, als die ganze Welt durch eine Griechische Brille zu sehen. Das Einheimische und Neue ist uns naͤher, lebendiger, lustiger; Paul mahlte frisch, was er sah und erlebte, Poussin schoͤpfte muͤhsam aus alten Denkmaͤlern und Buͤchern. Jener haͤtte vielleicht seine fantastische Jovialitaͤt eingebuͤßt, wenn er die Kunst so ernst haͤtte treiben wollen; dieser konnte sich schwerlich uͤber seine klassische Kaͤlte erheben, wenn er sich auch geselliger ins Leben hineinwagte, und nicht mehr
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