Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Hülfe keine Verse machen; ihr habt nicht einmal eine einheimische Natur. Grieche. Jch befürchte, Deutscher, deine Landsleute werden die Ausdrücke aus den fremden, besonders aus den alten Sprachen nicht los, bis sie es einmal wie die Kaunier machen. Deutscher. Was thaten die Kaunier? Grieche. Man richtete Tempel fremder Götter bey ihnen auf, gegen die sie eine Abneigung hatten. Sie bewaffneten sich also einst sämmtlich, schlugen mit ihren Speeren in die Luft, und zogen so bis an die Gränze, indem sie dabey sagten, sie trieben die fremden Götter aus. Franzose. Der unwiderstehliche Hang, der sich in einer Sprache äußert, aus einer andern zu entlehnen, deutet auf höhere Bildung dieser. Die Minnesinger borgten schon von unsern Provenzalen, und noch jetzt -- Deutscher. Die wissenschaftlichen Ausdrücke nehmen wir meistens von den Römern und Griechen; mit den Namen der gesellschaftlichen Thorheiten versehen uns unsre Nachbarn. Franzose. Die feineren Thorheiten und ihre Beobachtung zeugen auch von Bildung: sie machen das Leben liebenswürdig. Doch nun ist die Reihe an mir, über die ausgezeichnete Feindseligkeit zu klagen, daß in den grammatischen Gesprächen aus einer einzelnen Grille meiner Sprache eine eigne Person, die Wasistdaswasdasistwashaftigkeit, gemacht wird -- Grammatik. Was erhebt sich draußen für ein Geräusch? Huͤlfe keine Verse machen; ihr habt nicht einmal eine einheimische Natur. Grieche. Jch befuͤrchte, Deutscher, deine Landsleute werden die Ausdruͤcke aus den fremden, besonders aus den alten Sprachen nicht los, bis sie es einmal wie die Kaunier machen. Deutscher. Was thaten die Kaunier? Grieche. Man richtete Tempel fremder Goͤtter bey ihnen auf, gegen die sie eine Abneigung hatten. Sie bewaffneten sich also einst saͤmmtlich, schlugen mit ihren Speeren in die Luft, und zogen so bis an die Graͤnze, indem sie dabey sagten, sie trieben die fremden Goͤtter aus. Franzose. Der unwiderstehliche Hang, der sich in einer Sprache aͤußert, aus einer andern zu entlehnen, deutet auf hoͤhere Bildung dieser. Die Minnesinger borgten schon von unsern Provenzalen, und noch jetzt — Deutscher. Die wissenschaftlichen Ausdruͤcke nehmen wir meistens von den Roͤmern und Griechen; mit den Namen der gesellschaftlichen Thorheiten versehen uns unsre Nachbarn. Franzose. Die feineren Thorheiten und ihre Beobachtung zeugen auch von Bildung: sie machen das Leben liebenswuͤrdig. Doch nun ist die Reihe an mir, uͤber die ausgezeichnete Feindseligkeit zu klagen, daß in den grammatischen Gespraͤchen aus einer einzelnen Grille meiner Sprache eine eigne Person, die Wasistdaswasdasistwashaftigkeit, gemacht wird — Grammatik. Was erhebt sich draußen fuͤr ein Geraͤusch? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0077" n="66"/> Huͤlfe keine <hi rendition="#g">Verse</hi> machen; ihr habt nicht einmal eine einheimische <hi rendition="#g">Natur</hi>.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grieche</hi>. Jch befuͤrchte, Deutscher, deine Landsleute werden die Ausdruͤcke aus den fremden, besonders aus den alten Sprachen nicht los, bis sie es einmal wie die Kaunier machen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Was thaten die Kaunier?</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grieche</hi>. Man richtete Tempel fremder Goͤtter bey ihnen auf, gegen die sie eine Abneigung hatten. Sie bewaffneten sich also einst saͤmmtlich, schlugen mit ihren Speeren in die Luft, und zogen so bis an die Graͤnze, indem sie dabey sagten, sie trieben die fremden Goͤtter aus.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Franzose</hi>. Der unwiderstehliche Hang, der sich in einer Sprache aͤußert, aus einer andern zu entlehnen, deutet auf hoͤhere Bildung dieser. Die Minnesinger borgten schon von unsern Provenzalen, und noch jetzt —</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Die wissenschaftlichen Ausdruͤcke nehmen wir meistens von den Roͤmern und Griechen; mit den Namen der gesellschaftlichen Thorheiten versehen uns unsre Nachbarn.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Franzose</hi>. Die feineren Thorheiten und ihre Beobachtung zeugen auch von Bildung: sie machen das Leben liebenswuͤrdig. Doch nun ist die Reihe an mir, uͤber die ausgezeichnete Feindseligkeit zu klagen, daß in den grammatischen Gespraͤchen aus einer einzelnen Grille meiner Sprache eine eigne Person, die Wasistdaswasdasistwashaftigkeit, gemacht wird —</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grammatik</hi>. Was erhebt sich draußen fuͤr ein Geraͤusch?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0077]
Huͤlfe keine Verse machen; ihr habt nicht einmal eine einheimische Natur.
Grieche. Jch befuͤrchte, Deutscher, deine Landsleute werden die Ausdruͤcke aus den fremden, besonders aus den alten Sprachen nicht los, bis sie es einmal wie die Kaunier machen.
Deutscher. Was thaten die Kaunier?
Grieche. Man richtete Tempel fremder Goͤtter bey ihnen auf, gegen die sie eine Abneigung hatten. Sie bewaffneten sich also einst saͤmmtlich, schlugen mit ihren Speeren in die Luft, und zogen so bis an die Graͤnze, indem sie dabey sagten, sie trieben die fremden Goͤtter aus.
Franzose. Der unwiderstehliche Hang, der sich in einer Sprache aͤußert, aus einer andern zu entlehnen, deutet auf hoͤhere Bildung dieser. Die Minnesinger borgten schon von unsern Provenzalen, und noch jetzt —
Deutscher. Die wissenschaftlichen Ausdruͤcke nehmen wir meistens von den Roͤmern und Griechen; mit den Namen der gesellschaftlichen Thorheiten versehen uns unsre Nachbarn.
Franzose. Die feineren Thorheiten und ihre Beobachtung zeugen auch von Bildung: sie machen das Leben liebenswuͤrdig. Doch nun ist die Reihe an mir, uͤber die ausgezeichnete Feindseligkeit zu klagen, daß in den grammatischen Gespraͤchen aus einer einzelnen Grille meiner Sprache eine eigne Person, die Wasistdaswasdasistwashaftigkeit, gemacht wird —
Grammatik. Was erhebt sich draußen fuͤr ein Geraͤusch?
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