Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.dem Dichter sich auch dem Einzelnen durch metrischen Ausdruck zu nähern. Der Geist des Epos ist der unbestimmteste, umfassendste, ruhigste: das Gesetz der Wiederkehr durfte also sehr einfach, und der freygelassene Spielraum sehr groß seyn. Die ganz individuell bestimmte Richtung des lyrischen Gedichts hingegen, die das Einzelne unumschränkt beherrscht, erfordert oft ein sehr komplizirtes Gesetz der Wiederkehr, Strophen, auch wohl Antistrophen und Epoden, und hebt die Freyheit der Abwechselung fast gänzlich auf. Du wirst dieß weiter anwenden: die Sache ist zu weitläuftig, um sie hier auszuführen. Es könnte doch wohl seyn, daß eben die Veränderung, welche eurem Hexameter mehr Mannichfaltigkeit und also Fähigkeit, das Einzelne auszudrücken, gab, ihn zum Ausdruck der Hauptsache, nämlich des Epischen, weniger geschickt gemacht hätte. Deutscher. "Der Trochäe vertritt ja den Spondeen beynahe. Er beschützte euch vor den übermäßigen Längenreihen, wenn ihr ihn ebenfalls aufnahmt." Grieche. Mit der Gleichzeitigkeit der beyden Hälften jedes Fußes, wäre der ruhige, ebenmäßige Rhythmus des Hexameters zerstört worden. Deutscher. Das beruht wieder auf dem Einfall mit der doppelten Dauer der Länge. Grieche. Nennst du es auch einen Einfall wenn jemand Dreyachteltakte zwischen Zweyvierteltakte einmischen wollte, und ein Musiker sagte ihm, das ginge nicht? dem Dichter sich auch dem Einzelnen durch metrischen Ausdruck zu naͤhern. Der Geist des Epos ist der unbestimmteste, umfassendste, ruhigste: das Gesetz der Wiederkehr durfte also sehr einfach, und der freygelassene Spielraum sehr groß seyn. Die ganz individuell bestimmte Richtung des lyrischen Gedichts hingegen, die das Einzelne unumschraͤnkt beherrscht, erfordert oft ein sehr komplizirtes Gesetz der Wiederkehr, Strophen, auch wohl Antistrophen und Epoden, und hebt die Freyheit der Abwechselung fast gaͤnzlich auf. Du wirst dieß weiter anwenden: die Sache ist zu weitlaͤuftig, um sie hier auszufuͤhren. Es koͤnnte doch wohl seyn, daß eben die Veraͤnderung, welche eurem Hexameter mehr Mannichfaltigkeit und also Faͤhigkeit, das Einzelne auszudruͤcken, gab, ihn zum Ausdruck der Hauptsache, naͤmlich des Epischen, weniger geschickt gemacht haͤtte. Deutscher. „Der Trochaͤe vertritt ja den Spondeen beynahe. Er beschuͤtzte euch vor den uͤbermaͤßigen Laͤngenreihen, wenn ihr ihn ebenfalls aufnahmt.“ Grieche. Mit der Gleichzeitigkeit der beyden Haͤlften jedes Fußes, waͤre der ruhige, ebenmaͤßige Rhythmus des Hexameters zerstoͤrt worden. Deutscher. Das beruht wieder auf dem Einfall mit der doppelten Dauer der Laͤnge. Grieche. Nennst du es auch einen Einfall wenn jemand Dreyachteltakte zwischen Zweyvierteltakte einmischen wollte, und ein Musiker sagte ihm, das ginge nicht? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0057" n="46"/> dem Dichter sich auch dem Einzelnen durch metrischen Ausdruck zu naͤhern. Der Geist des Epos ist der unbestimmteste, umfassendste, ruhigste: das Gesetz der Wiederkehr durfte also sehr einfach, und der freygelassene Spielraum sehr groß seyn. Die ganz individuell bestimmte Richtung des lyrischen Gedichts hingegen, die das Einzelne unumschraͤnkt beherrscht, erfordert oft ein sehr komplizirtes Gesetz der Wiederkehr, Strophen, auch wohl Antistrophen und Epoden, und hebt die Freyheit der Abwechselung fast gaͤnzlich auf. Du wirst dieß weiter anwenden: die Sache ist zu weitlaͤuftig, um sie hier auszufuͤhren. Es koͤnnte doch wohl seyn, daß eben die Veraͤnderung, welche eurem Hexameter mehr Mannichfaltigkeit und also Faͤhigkeit, das Einzelne auszudruͤcken, gab, ihn zum Ausdruck der Hauptsache, naͤmlich des Epischen, weniger geschickt gemacht haͤtte.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. „Der Trochaͤe vertritt ja den Spondeen beynahe. Er beschuͤtzte euch vor den uͤbermaͤßigen Laͤngenreihen, wenn ihr ihn ebenfalls aufnahmt.“</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grieche</hi>. Mit der Gleichzeitigkeit der beyden Haͤlften jedes Fußes, waͤre der ruhige, ebenmaͤßige Rhythmus des Hexameters zerstoͤrt worden.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Deutscher</hi>. Das beruht wieder auf dem Einfall mit der doppelten Dauer der Laͤnge.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Grieche</hi>. Nennst du es auch einen Einfall wenn jemand Dreyachteltakte zwischen Zweyvierteltakte einmischen wollte, und ein Musiker sagte ihm, das ginge nicht?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0057]
dem Dichter sich auch dem Einzelnen durch metrischen Ausdruck zu naͤhern. Der Geist des Epos ist der unbestimmteste, umfassendste, ruhigste: das Gesetz der Wiederkehr durfte also sehr einfach, und der freygelassene Spielraum sehr groß seyn. Die ganz individuell bestimmte Richtung des lyrischen Gedichts hingegen, die das Einzelne unumschraͤnkt beherrscht, erfordert oft ein sehr komplizirtes Gesetz der Wiederkehr, Strophen, auch wohl Antistrophen und Epoden, und hebt die Freyheit der Abwechselung fast gaͤnzlich auf. Du wirst dieß weiter anwenden: die Sache ist zu weitlaͤuftig, um sie hier auszufuͤhren. Es koͤnnte doch wohl seyn, daß eben die Veraͤnderung, welche eurem Hexameter mehr Mannichfaltigkeit und also Faͤhigkeit, das Einzelne auszudruͤcken, gab, ihn zum Ausdruck der Hauptsache, naͤmlich des Epischen, weniger geschickt gemacht haͤtte.
Deutscher. „Der Trochaͤe vertritt ja den Spondeen beynahe. Er beschuͤtzte euch vor den uͤbermaͤßigen Laͤngenreihen, wenn ihr ihn ebenfalls aufnahmt.“
Grieche. Mit der Gleichzeitigkeit der beyden Haͤlften jedes Fußes, waͤre der ruhige, ebenmaͤßige Rhythmus des Hexameters zerstoͤrt worden.
Deutscher. Das beruht wieder auf dem Einfall mit der doppelten Dauer der Laͤnge.
Grieche. Nennst du es auch einen Einfall wenn jemand Dreyachteltakte zwischen Zweyvierteltakte einmischen wollte, und ein Musiker sagte ihm, das ginge nicht?
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