Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.fortzuschreiten, eben nicht ins Unendlichkleine verlieren. Sie muß vielmehr als wären es schlechthin einfache Theile bey jenen größern Massen stehn bleiben, deren Selbstständigkeit sich auch durch ihre freye Behandlung, Gestaltung und Verwandlung dessen, was sie von den vorhergehenden überkamen, bewährt, und deren innre absichtslose Gleichartigkeit und ursprüngliche Einheit der Dichter selbst durch das absichtliche Bestreben, sie durch sehr verschiedenartige doch immer poetische Mittel zu einem in sich vollendeten Ganzen zu runden, anerkannt hat. Durch jene Fortbildung ist der Zusammenhang, durch diese Einfassung ist die Verschiedenheit der einzelnen Massen gesichert und bestätigt; und so wird jeder nothwendige Theil des einen und untheilbaren Romans ein System für sich. Die Mittel der Verknüpfung und der Fortschreitung sind ungefähr überall dieselben. Auch im zweyten Bande locken Jarno und die Erscheinung der Amazone, wie der Fremde und Mignon im ersten Bande, unsre Erwartung und unser Jnteresse in die dunkle Ferne, und deuten auf eine noch nicht sichtbare Höhe der Bildung; auch hier öffnet sich mit jedem Buch eine neue Scene und eine neue Welt; auch hier kommen die alten Gestalten verjüngt wieder; auch hier enthält jedes Buch die Keime des künftigen und verarbeitet den reinen Ertrag des vorigen mit lebendiger Kraft in sein eigenthümliches Wesen; und das dritte Buch, welches sich durch das frischeste und fröhlichste Kolorit auszeichnet, erhält durch Mignons Dahin und durch Wilhelms und der Gräfin ersten fortzuschreiten, eben nicht ins Unendlichkleine verlieren. Sie muß vielmehr als waͤren es schlechthin einfache Theile bey jenen groͤßern Massen stehn bleiben, deren Selbststaͤndigkeit sich auch durch ihre freye Behandlung, Gestaltung und Verwandlung dessen, was sie von den vorhergehenden uͤberkamen, bewaͤhrt, und deren innre absichtslose Gleichartigkeit und urspruͤngliche Einheit der Dichter selbst durch das absichtliche Bestreben, sie durch sehr verschiedenartige doch immer poetische Mittel zu einem in sich vollendeten Ganzen zu runden, anerkannt hat. Durch jene Fortbildung ist der Zusammenhang, durch diese Einfassung ist die Verschiedenheit der einzelnen Massen gesichert und bestaͤtigt; und so wird jeder nothwendige Theil des einen und untheilbaren Romans ein System fuͤr sich. Die Mittel der Verknuͤpfung und der Fortschreitung sind ungefaͤhr uͤberall dieselben. Auch im zweyten Bande locken Jarno und die Erscheinung der Amazone, wie der Fremde und Mignon im ersten Bande, unsre Erwartung und unser Jnteresse in die dunkle Ferne, und deuten auf eine noch nicht sichtbare Hoͤhe der Bildung; auch hier oͤffnet sich mit jedem Buch eine neue Scene und eine neue Welt; auch hier kommen die alten Gestalten verjuͤngt wieder; auch hier enthaͤlt jedes Buch die Keime des kuͤnftigen und verarbeitet den reinen Ertrag des vorigen mit lebendiger Kraft in sein eigenthuͤmliches Wesen; und das dritte Buch, welches sich durch das frischeste und froͤhlichste Kolorit auszeichnet, erhaͤlt durch Mignons Dahin und durch Wilhelms und der Graͤfin ersten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0350" n="161"/> fortzuschreiten, eben nicht ins Unendlichkleine verlieren. Sie muß vielmehr als waͤren es schlechthin einfache Theile bey jenen groͤßern Massen stehn bleiben, deren Selbststaͤndigkeit sich auch durch ihre freye Behandlung, Gestaltung und Verwandlung dessen, was sie von den vorhergehenden uͤberkamen, bewaͤhrt, und deren innre absichtslose Gleichartigkeit und urspruͤngliche Einheit der Dichter selbst durch das absichtliche Bestreben, sie durch sehr verschiedenartige doch immer poetische Mittel zu einem in sich vollendeten Ganzen zu runden, anerkannt hat. Durch jene Fortbildung ist der Zusammenhang, durch diese Einfassung ist die Verschiedenheit der einzelnen Massen gesichert und bestaͤtigt; und so wird jeder nothwendige Theil des einen und untheilbaren Romans ein System fuͤr sich. Die Mittel der Verknuͤpfung und der Fortschreitung sind ungefaͤhr uͤberall dieselben. Auch im zweyten Bande locken Jarno und die Erscheinung der Amazone, wie der Fremde und Mignon im ersten Bande, unsre Erwartung und unser Jnteresse in die dunkle Ferne, und deuten auf eine noch nicht sichtbare Hoͤhe der Bildung; auch hier oͤffnet sich mit jedem Buch eine neue Scene und eine neue Welt; auch hier kommen die alten Gestalten verjuͤngt wieder; auch hier enthaͤlt jedes Buch die Keime des kuͤnftigen und verarbeitet den reinen Ertrag des vorigen mit lebendiger Kraft in sein eigenthuͤmliches Wesen; und das dritte Buch, welches sich durch das frischeste und froͤhlichste Kolorit auszeichnet, erhaͤlt durch Mignons Dahin und durch Wilhelms und der Graͤfin ersten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [161/0350]
fortzuschreiten, eben nicht ins Unendlichkleine verlieren. Sie muß vielmehr als waͤren es schlechthin einfache Theile bey jenen groͤßern Massen stehn bleiben, deren Selbststaͤndigkeit sich auch durch ihre freye Behandlung, Gestaltung und Verwandlung dessen, was sie von den vorhergehenden uͤberkamen, bewaͤhrt, und deren innre absichtslose Gleichartigkeit und urspruͤngliche Einheit der Dichter selbst durch das absichtliche Bestreben, sie durch sehr verschiedenartige doch immer poetische Mittel zu einem in sich vollendeten Ganzen zu runden, anerkannt hat. Durch jene Fortbildung ist der Zusammenhang, durch diese Einfassung ist die Verschiedenheit der einzelnen Massen gesichert und bestaͤtigt; und so wird jeder nothwendige Theil des einen und untheilbaren Romans ein System fuͤr sich. Die Mittel der Verknuͤpfung und der Fortschreitung sind ungefaͤhr uͤberall dieselben. Auch im zweyten Bande locken Jarno und die Erscheinung der Amazone, wie der Fremde und Mignon im ersten Bande, unsre Erwartung und unser Jnteresse in die dunkle Ferne, und deuten auf eine noch nicht sichtbare Hoͤhe der Bildung; auch hier oͤffnet sich mit jedem Buch eine neue Scene und eine neue Welt; auch hier kommen die alten Gestalten verjuͤngt wieder; auch hier enthaͤlt jedes Buch die Keime des kuͤnftigen und verarbeitet den reinen Ertrag des vorigen mit lebendiger Kraft in sein eigenthuͤmliches Wesen; und das dritte Buch, welches sich durch das frischeste und froͤhlichste Kolorit auszeichnet, erhaͤlt durch Mignons Dahin und durch Wilhelms und der Graͤfin ersten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |