Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.Zur Philosophie gehören, je nach dem man es nimmt, entweder gar keine oder alle Sachkenntnisse. Man soll niemanden zur Philosophie verführen oder bereden wollen. Auch nach den gewöhnlichsten Ansichten ist es Verdienst genug, um einen Roman berühmt zu machen, wenn ein durchaus neuer Karakter darin auf eine interessante Art dargestellt und ausgeführt wird. Dieß Verdienst hat William Lovell unläugbar, und daß alles Nebenwerk und Gerüste darin gemein oder misglückt ist, wie der große Maschinist im Hintergrunde des Ganzen, daß das Ungewöhnliche darin oft nur ein umgekehrtes Gewöhnliches ist, hätte ihm wohl nicht geschadet: aber der Karakter war unglücklicherweise poetisch. Lovell ist wie seine nur etwas zu wenig unterschiedene Variazion Balder ein vollkommner Fantast in jedem guten und in jedem schlechten, in jedem schönen und in jedem häßlichen Sinne des Worts. Das ganze Buch ist ein Kampf der Prosa und der Poesie, wo die Prosa mit Füßen getreten wird und die Poesie über sich selbst den Hals bricht. Übrigens hat es den Fehler mancher ersten Produkte: es schwankt zwischen Jnstinkt und Absicht, weil es von beyden nicht genug hat. Daher die Wiederholungen, wodurch die Darstellung der erhabenen Langenweile zuweilen in Mittheilung übergehn kann. Hier liegt der Grund, Zur Philosophie gehoͤren, je nach dem man es nimmt, entweder gar keine oder alle Sachkenntnisse. Man soll niemanden zur Philosophie verfuͤhren oder bereden wollen. Auch nach den gewoͤhnlichsten Ansichten ist es Verdienst genug, um einen Roman beruͤhmt zu machen, wenn ein durchaus neuer Karakter darin auf eine interessante Art dargestellt und ausgefuͤhrt wird. Dieß Verdienst hat William Lovell unlaͤugbar, und daß alles Nebenwerk und Geruͤste darin gemein oder misgluͤckt ist, wie der große Maschinist im Hintergrunde des Ganzen, daß das Ungewoͤhnliche darin oft nur ein umgekehrtes Gewoͤhnliches ist, haͤtte ihm wohl nicht geschadet: aber der Karakter war ungluͤcklicherweise poetisch. Lovell ist wie seine nur etwas zu wenig unterschiedene Variazion Balder ein vollkommner Fantast in jedem guten und in jedem schlechten, in jedem schoͤnen und in jedem haͤßlichen Sinne des Worts. Das ganze Buch ist ein Kampf der Prosa und der Poesie, wo die Prosa mit Fuͤßen getreten wird und die Poesie uͤber sich selbst den Hals bricht. Übrigens hat es den Fehler mancher ersten Produkte: es schwankt zwischen Jnstinkt und Absicht, weil es von beyden nicht genug hat. Daher die Wiederholungen, wodurch die Darstellung der erhabenen Langenweile zuweilen in Mittheilung uͤbergehn kann. Hier liegt der Grund, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0317" n="128"/> <p>Zur Philosophie gehoͤren, je nach dem man es nimmt, entweder gar keine oder alle Sachkenntnisse.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Man soll niemanden zur Philosophie verfuͤhren oder bereden wollen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Auch nach den gewoͤhnlichsten Ansichten ist es Verdienst genug, um einen Roman beruͤhmt zu machen, wenn ein durchaus neuer Karakter darin auf eine interessante Art dargestellt und ausgefuͤhrt wird. Dieß Verdienst hat William Lovell unlaͤugbar, und daß alles Nebenwerk und Geruͤste darin gemein oder misgluͤckt ist, wie der große Maschinist im Hintergrunde des Ganzen, daß das Ungewoͤhnliche darin oft nur ein umgekehrtes Gewoͤhnliches ist, haͤtte ihm wohl nicht geschadet: aber der Karakter war ungluͤcklicherweise poetisch. Lovell ist wie seine nur etwas zu wenig unterschiedene Variazion Balder ein vollkommner Fantast in jedem guten und in jedem schlechten, in jedem schoͤnen und in jedem haͤßlichen Sinne des Worts. Das ganze Buch ist ein Kampf der Prosa und der Poesie, wo die Prosa mit Fuͤßen getreten wird und die Poesie uͤber sich selbst den Hals bricht. Übrigens hat es den Fehler mancher ersten Produkte: es schwankt zwischen Jnstinkt und Absicht, weil es von beyden nicht genug hat. Daher die Wiederholungen, wodurch die Darstellung der erhabenen Langenweile zuweilen in Mittheilung uͤbergehn kann. Hier liegt der Grund,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0317]
Zur Philosophie gehoͤren, je nach dem man es nimmt, entweder gar keine oder alle Sachkenntnisse.
Man soll niemanden zur Philosophie verfuͤhren oder bereden wollen.
Auch nach den gewoͤhnlichsten Ansichten ist es Verdienst genug, um einen Roman beruͤhmt zu machen, wenn ein durchaus neuer Karakter darin auf eine interessante Art dargestellt und ausgefuͤhrt wird. Dieß Verdienst hat William Lovell unlaͤugbar, und daß alles Nebenwerk und Geruͤste darin gemein oder misgluͤckt ist, wie der große Maschinist im Hintergrunde des Ganzen, daß das Ungewoͤhnliche darin oft nur ein umgekehrtes Gewoͤhnliches ist, haͤtte ihm wohl nicht geschadet: aber der Karakter war ungluͤcklicherweise poetisch. Lovell ist wie seine nur etwas zu wenig unterschiedene Variazion Balder ein vollkommner Fantast in jedem guten und in jedem schlechten, in jedem schoͤnen und in jedem haͤßlichen Sinne des Worts. Das ganze Buch ist ein Kampf der Prosa und der Poesie, wo die Prosa mit Fuͤßen getreten wird und die Poesie uͤber sich selbst den Hals bricht. Übrigens hat es den Fehler mancher ersten Produkte: es schwankt zwischen Jnstinkt und Absicht, weil es von beyden nicht genug hat. Daher die Wiederholungen, wodurch die Darstellung der erhabenen Langenweile zuweilen in Mittheilung uͤbergehn kann. Hier liegt der Grund,
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Zitationshilfe: | Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/317>, abgerufen am 16.02.2025. |