Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

aber war noch überall im Gedränge, die Nützlichkeit und die Rechtlichkeit mißgönnen ihr sogar die Existenz.



Sieht man nicht auf Voltaire's Behandlung, sondern bloß auf die Meinung des Buchs, das Weltall persiffliren sey Philosophie und eigentlich das Rechte: so kann man sagen, die Französischen Philosophen machen es mit dem Candide, wie die Weiber mit der Weiblichkeit; sie bringen ihn überall an.



Grade die Energie hat am wenigsten das Bedürfniß, zu zeigen, was sie kann. Fodern es die Umstände, so mag sie gern Passivität scheinen, und verkannt werden. Sie ist zufrieden, im Stillen zu wirken ohne Accompagnement und ohne Gestikulazion. Der Virtuose, der genialische Mensch will einen bestimmten Zweck durchsetzen, ein Werk bilden u. s. w. Der energische Mensch benutzt immer nur den Moment, und ist überall bereit und unendlich biegsam. Er hat unermeßlich viel Projekte oder gar keins: denn Energie ist zwar mehr als bloße Agilität, es ist wirkende, bestimmt nach Außen wirkende Kraft, aber universelle Kraft, durch die der ganze Mensch sich bildet und handelt.



Die passiven Christen betrachten die Religion meistens aus einem medicinischen, die aktiven aus einem merkantilischen Gesichtspunkte.



aber war noch uͤberall im Gedraͤnge, die Nuͤtzlichkeit und die Rechtlichkeit mißgoͤnnen ihr sogar die Existenz.



Sieht man nicht auf Voltaire's Behandlung, sondern bloß auf die Meinung des Buchs, das Weltall persiffliren sey Philosophie und eigentlich das Rechte: so kann man sagen, die Franzoͤsischen Philosophen machen es mit dem Candide, wie die Weiber mit der Weiblichkeit; sie bringen ihn uͤberall an.



Grade die Energie hat am wenigsten das Beduͤrfniß, zu zeigen, was sie kann. Fodern es die Umstaͤnde, so mag sie gern Passivitaͤt scheinen, und verkannt werden. Sie ist zufrieden, im Stillen zu wirken ohne Accompagnement und ohne Gestikulazion. Der Virtuose, der genialische Mensch will einen bestimmten Zweck durchsetzen, ein Werk bilden u. s. w. Der energische Mensch benutzt immer nur den Moment, und ist uͤberall bereit und unendlich biegsam. Er hat unermeßlich viel Projekte oder gar keins: denn Energie ist zwar mehr als bloße Agilitaͤt, es ist wirkende, bestimmt nach Außen wirkende Kraft, aber universelle Kraft, durch die der ganze Mensch sich bildet und handelt.



Die passiven Christen betrachten die Religion meistens aus einem medicinischen, die aktiven aus einem merkantilischen Gesichtspunkte.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0303" n="114"/>
aber war noch u&#x0364;berall im Gedra&#x0364;nge, die Nu&#x0364;tzlichkeit und die Rechtlichkeit mißgo&#x0364;nnen ihr sogar die Existenz.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Sieht man nicht auf Voltaire's Behandlung, sondern bloß auf die Meinung des Buchs, das Weltall persiffliren sey Philosophie und eigentlich das Rechte: so kann man sagen, die Franzo&#x0364;sischen Philosophen machen es mit dem Candide, wie die Weiber mit der Weiblichkeit; sie bringen ihn u&#x0364;berall an.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Grade die Energie hat am wenigsten das Bedu&#x0364;rfniß, zu zeigen, was sie kann. Fodern es die Umsta&#x0364;nde, so mag sie gern Passivita&#x0364;t scheinen, und verkannt werden. Sie ist zufrieden, im Stillen zu wirken ohne Accompagnement und ohne Gestikulazion. Der Virtuose, der genialische Mensch will einen bestimmten Zweck durchsetzen, ein Werk bilden u. s. w. Der energische Mensch benutzt immer nur den Moment, und ist u&#x0364;berall bereit und unendlich biegsam. Er hat unermeßlich viel Projekte oder gar keins: denn Energie ist zwar mehr als bloße Agilita&#x0364;t, es ist wirkende, bestimmt nach Außen wirkende Kraft, aber universelle Kraft, durch die der ganze Mensch sich bildet und handelt.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die passiven Christen betrachten die Religion meistens aus einem medicinischen, die aktiven aus einem merkantilischen Gesichtspunkte.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0303] aber war noch uͤberall im Gedraͤnge, die Nuͤtzlichkeit und die Rechtlichkeit mißgoͤnnen ihr sogar die Existenz. Sieht man nicht auf Voltaire's Behandlung, sondern bloß auf die Meinung des Buchs, das Weltall persiffliren sey Philosophie und eigentlich das Rechte: so kann man sagen, die Franzoͤsischen Philosophen machen es mit dem Candide, wie die Weiber mit der Weiblichkeit; sie bringen ihn uͤberall an. Grade die Energie hat am wenigsten das Beduͤrfniß, zu zeigen, was sie kann. Fodern es die Umstaͤnde, so mag sie gern Passivitaͤt scheinen, und verkannt werden. Sie ist zufrieden, im Stillen zu wirken ohne Accompagnement und ohne Gestikulazion. Der Virtuose, der genialische Mensch will einen bestimmten Zweck durchsetzen, ein Werk bilden u. s. w. Der energische Mensch benutzt immer nur den Moment, und ist uͤberall bereit und unendlich biegsam. Er hat unermeßlich viel Projekte oder gar keins: denn Energie ist zwar mehr als bloße Agilitaͤt, es ist wirkende, bestimmt nach Außen wirkende Kraft, aber universelle Kraft, durch die der ganze Mensch sich bildet und handelt. Die passiven Christen betrachten die Religion meistens aus einem medicinischen, die aktiven aus einem merkantilischen Gesichtspunkte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/303
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1798/303>, abgerufen am 25.11.2024.